Die wichtigste Botschaft ist nicht immer die erste. Diese aber wurde schon einmal am Dienstag verkündet, bevor die FrankfurterBuchmesse ihre Tore für Büchermenschen aus aller Welt öffnet. „Von Untergangsstimmung keine Spur“, erklärte Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Die Branche, die sich da in den nächsten fünf Tagen präsentiert, sei lebendig und innovationsfreudig. Ja, sogar noch mehr: „Das ist die Stunde der Buchbranche.“
Starke Worte, große Namen, klare Kante – so also lässt sich die diesjährige Frankfurter Buchmesse an! Und einer der wichtigsten Gäste aus dem Gastland Frankreich war am Dienstag ja auch schon da: Am frühen Abend eröffneten der französische Präsident Emmanuel Macron zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel das weltweit wichtigste Buchevent.
Und was macht die Jugend?
Vor noch mehr wichtigen Worten und all den wichtigen Büchern und Autoren, die in den nächsten Tagen im Mittelpunkt stehen sollen – allein 200 französischsprachige Schriftsteller wie beispielsweise Michel Houellebecq und Yasmina Reza werden erwartet – aber zu den wichtigen Zahlen. Wer kauft wann eigentlich noch wie viele Bücher? Ist das E-Book schon wieder der Hype von gestern? Wie geht es der bedrohten Spezies der Buchhändler? Und was macht die Jugend? Liest die überhaupt noch oder schielt die nur noch in ihr Smartphone?
Man liege mit einem Prozent derzeit unter dem Umsatz vom Vorjahr, so Riethmüller. Das kleine Minus aber sei leicht noch durch ein gutes Herbst- und Weihnachtsgeschäft mit starken Bestsellern aufzuholen. „Dramatische Einbrüche, wie sie in den letzten Wochen immer wieder heraufbeschworen wurden, gab es nicht.“ Dass sich der stationäre Buchhandel nicht leichttut, die Käuferzahlen zurückgehen, ist keine neue Nachricht, aber Riethmüller kombiniert auch diese mit einer aufmunternden Botschaft: Die Buchhandlungen würden dafür online immer mehr umsetzen und diejenigen, die Bücher kaufen, kaufen mehr davon und geben mehr Geld aus.
Von wegen Totengräber!
Das E-Book, einst als Totengräber des gedruckten Buches gehandelt, spielt im Übrigen noch immer eine marginale Rolle: Der Umsatzanteil liegt bei etwas mehr als fünf Prozent. Derzeitiger Beziehungsstatus von gedruckten und digitalen Büchern: Gesunde Koexistenz. So bezeichnet das der Chef des weltgrößten Publikumsverlags Penguin Random House, auch der kam mit starken Worten. Das Buch erlebe seine „weltweit beste Zeit seit 50 Jahren“, erklärte Markus Dohle und verwies auf die internationalen, langsam aber stetig wachsenden Buchmärkte.
Die „Killerapplikation“
Und apropos Lesenachwuchs, der Bereich der Kinder- und Jugendbücher würde derzeit am schnellsten wachsen. „Geschichten erzählen und Geschichten konsumieren, wird auch in den kommenden Generationen wichtig sein.“ Dohle lieferte auch das vielleicht nicht wichtigste, aber griffigste Zitat am Eröffnungstag: Was Gutenberg mit der Erfindung des Buchdrucks einst kreiert habe, sei eine echte „Killerapplikation. Einfach genial.“
„Es geht uns gut“ – das Credo also der diesjährigen Buchmesse, natürlich dann aber doch versehen mit wichtigen Einschränkungen: Die Branche erhalte immer wieder Dämpfer von der Politik, beklagte Riethmüller und forderte eine Verbesserung der Rahmenbedingungen: „Es geht um nichts Geringeres als die Qualität der Bildung und die Unabhängigkeit der Verlage.“ Bedroht durch die vom Bundestag beschlossenen Einschränkungen des Urheberrechts, bedroht durch geringere Beteiligung der Verlage an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften. Alle Änderungen der vergangenen Monate gingen zu Lasten der Verlage und damit von Qualität und Vielfalt.
Auf der Gästeliste in den kommenden fünf Tagen stehen auch Könige: Bestsellerkönige wie Dan Brown, Ken Follett, Daniel Kehlmann oder auch die Krimiautorin Paula Hawkins, zuständig fürs noch zu erwirtschaftende Umsatzplus in den kommenden Monaten. Dan Brown wird am Samstag aus seinem neuen Thriller „Origin“ vor 2000 Zuhörern lesen, sein einziger Auftritt in Deutschland. Da darf dann, dem Genre entsprechend, auch zeitweilig Untergangsstimmung heraufbeschwört werden!
In Zeiten von Fake News
Mit etwa 270 000 Besuchern rechnen die Veranstalter – Frankfurt als temporäre Hauptstadt der Büchermenschen. Denen komme in Zeiten von erstarktem Rechtspopulismus und Fake News eine wichtige Rolle zu, sagte Juergen Boos, Direktor der Buchmesse. „Wir liberal-demokratisch gesinnten Büchermenschen müssen in Zeiten, in denen die Verbreitung von Angst und Hass wieder gesellschaftsfähig wird, mit attraktiven Gegenentwürfen antworten.“ Nämlich mit den besseren Geschichten. Davon gibt es auch in diesem Jahr unzählige. Die Stunde des Buches – sie ist offenbar noch lange nicht vorbei.