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WÜRZBURG
Brotlose Kunst oder Freiheit des Freiberuflers?
Brotlose Kunst? Schauspieler sind finanziell meist nicht auf Rosen gebettet. Noch schwieriger wird es ohne festes Engagement. Ein Würzburger kommt seit Jahren gut zurecht – und erzählt, wie das geht.
Eines der Projekte von Boris Wagner: „Adam Lux“ bei den Burgfestspielen Freudenberg (Probenfoto).
Foto: Wolfgang Kiessling, Eva Bauer | Eines der Projekte von Boris Wagner: „Adam Lux“ bei den Burgfestspielen Freudenberg (Probenfoto).
Ralph Heringlehner
Ralph Heringlehner
 |  aktualisiert: 27.04.2023 04:19 Uhr

Reich werde ich nicht mehr“, sagt Boris Wagner und wirkt deswegen kein bisschen unglücklich. Seit Jahren ist der Würzburger als freiberuflicher Schauspieler unterwegs und resümiert: „Es ist für mich besser, nicht in einem festen Engagement zu sein.“

Immer mehr ausgebildete Schauspieler und Schauspielerinnen müssen als Freiberufler durchkommen. Eine genaue Statistik gibt es zwar laut Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (GDBA) nicht. Indirekt aber zeigen zwei Zahlen, wie sehr sich der Arbeitsmarkt für Schauspieler verändert hat: Laut Deutschem Bühnenverein waren in der Spielzeit 1991/92 noch 3097 Schauspielerinnen und Schauspieler im Festengagement. 2014/15 waren es nur noch 1980. Weniger Festengagierte bedeutet: mehr Freiberufler.

Ohne Grundstock geht es nicht

Boris Wagner hat Jahre des festen Engagements hinter sich. Von 2001 bis 2008 war er am Würzburger Mainfranken Theater, als Schauspieler, als Leiter des Uniclubs und des Kinder- und Jugendtheaters. Danach spielte er für das Landestheater Franken-Schwaben Dinkelsbühl. Wobei „festes Engagement“ nicht „Lebensstellung“ bedeutet. Die Verträge bieten üblicherweise nur kurzfristige Perspektiven – und zwar sicheres, aber selten üppiges Gehalt.

Ein Freiberufler hat oft nicht einmal diese kurzfristigen Perspektiven, also: Wie kommt man da über die Runden? Jörg Löwer, Präsident der GDBA, nennt als Möglichkeiten etwa Gastverträge an Stadttheatern, Werbung, Film, Fernsehen, Engagements auf Kreuzfahrtschiffen oder in der „stark gewachsenen freien Szene“, wo allerdings „zu häufig“ die Gagen niedrig seien. Auch in Unternehmensberatungen kommen Profi-Schauspieler unter. Es gebe aber auch „viele, die sich durch ihren originären Beruf kaum die Existenz sichern können“, so Löwer. „Ein großer Teil lebt in prekären Verhältnissen – der Wechsel zwischen Beschäftigung und Zeiten der Arbeitslosigkeit ist sicherlich für viele prägend.“

Boris Wagner hat einen Lehrauftrag an der Würzburger Hochschule für Musik. „Ohne den ginge es nicht“, sagt der Theatermann. Der gebürtige Bremer ist seit 2005 Dozent für Sprecherziehung. Freiberufler-Kollegen ohne solch ein finanzielles Fundament müssen beständig auf Jobsuche sein. Noch während der Proben für das eine Stück müssten sie schon nach dem nächsten Engagement suchen. Wagner: „Das ist echt Stress.“ Er braucht, dank seines „Grundstocks“ nicht jedes Angebot anzunehmen. Aber: „Allein mit dem Geld aus dem Lehrauftrag ginge es nicht.“

Also müssen weitere Jobs her. Wagner arbeitet auch als Autor. Für die Burgfestspiele in Freudenberg hat er mit dem Revolutionsdrama „Adam Lux“ – es spielt am Ende des 18. Jahrhunderts – heuer bereits das zweite Stück geschrieben, nach „Burgunderblut“ 2015. Boris Wagner ist seit drei Jahren künstlerischer Leiter der Festspiele in dem Main-Städtchen mit der weithin sichtbaren Ruine.

Der Autor Wagner ist zudem Regisseur seines eigenen Stücks. Er entwirft Kostüme und Bühne. Vielseitigkeit ist Pflicht für den, der als Freiberufler erfolgreich sein will. Und: Er darf keine Berührungsängste mit Laiendarstellern haben. Boris Wagner ist davon weit entfernt. In Freudenberg arbeitet der an der renommierten Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ ausgebildete Profi mit 70 Amateuren und hat festgestellt: „Laien können authentischer sein als Berufsschauspieler.“

Der Schauspieler, Regisseur und Autor behauptet sich auf einem Markt, auf dem es immer enger wird. „Der Drang ins Rampenlicht ist groß und der schnelle Ruhm erscheint einfach – jedenfalls wird dies durch viele Medien-Formate suggeriert“, so GDBA-Mann Löwer. Um möglichst immer ein paar Eisen im Feuer zu haben, hat Boris Wagner sein Profil bei theapolis.de eingestellt, dem laut eigener Aussage „größten Portal für Theaterprofis im deutschsprachigen Raum“.

Dort erfährt, wer einen Autor, Schauspieler oder Regisseur sucht, dass Wagner im Würzburger Bockshorn in Yasmina Rezas „Kunst“ gespielt hat oder am Mainfranken Theater den Orest in „Iphigenie“. Er erfährt auch, dass Wagner fließend Französisch spricht (er hat Deutsch, Geschichte und Französisch studiert) und den Braunen Gurt im Judo hat.

Zeit für spannende Projekte

Nur in der Freiheit des Freiberuflers könne er Projekte verwirklichen, an denen sein Herz wirklich hängt, sagt Wagner. Etwa den „Blauen Eumel“– ein Lkw-Oldtimer, als mobile Bühne für Musik und Schauspiel – oder „KunstFeuer“ in Arnstein, wo Klassik, Jazz und Schauspiel verschmolzen. Er mag es, mit Kollegen verschiedene Künste zusammenzubringen. „Das sind Projekte, in die man viel Zeit steckt – und es kommt verhältnismäßig wenig Geld dabei raus“, sagt er. Aber ums Reichwerden geht's ja nicht.

Uraufführung von „Adam Lux – frei leben oder sterben“ bei den Burgfestspielen in Freudenberg/Main ist am 17. Juni. Letzte Vorstellung am 8. Juli. Karten: Tel. (0 93 75) 92 00 90. www.burgschauspielverein-freudenberg.de

Boris Wagner
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