„Fassungslos“ sei sie, teilte Monika Grütters mit. Was die Kulturstaatsministerin verstörte, war der jüngste Vorschlag der Monopolkommission, die Buchpreisbindung in Deutschland abzuschaffen. Fassungslos oder zumindest erschrocken reagieren auch kleinere Buchhändler in der Region. Das verwundert nicht. Gerade sie profitieren davon, dass Bücher hierzulande einer gesetzlichen Preisbindung unterliegen. Zumindest gilt das für aktuelle Ware – also etwa für Bestseller a la Dan Brown oder Frank Schätzing, mit denen auch die Kleinen gute Geschäfte machen. Antiquarisches darf zu praktisch jedem Preis verkauft werden.
„Ohne Preisbindung würde es eine kleine Buchhandlung wie meine nicht geben“, ist Friederike Kühn von der Hätzfelder Bücherstube überzeugt. Der Blick nach England oder in die USA – Länder ohne Preisbindung – zeige, dass es dort nur noch wenige kleine, unabhängige Buchhändler gebe. Die Gewinnspannen im Buchhandel seien so gering, dass kleine Läden keine Reserven für Rabattschlachten haben, so die Inhaberin des Buchladens im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld.
Konkurrenz durch Supermärkte
Rabattschlachten habe es in anderen Ländern schon gegeben, weiß Kühn: In England seien seinerzeit Harry-Potter-Romane sogar in Supermärkten verkauft worden – teilweise unter dem Einkaufspreis. Die Buchpreisbindung verhindert einen solchen Niedrigpreis-Wettbewerb.
- Kommentar: Hände weg von der Buchpreisbindung!
Katharina Hess von Collibri hat ähnliche Argumente wie ihre Würzburger Kollegin. Die Buchhandlung in der Schweinfurter Innenstadt muss sich vor Ort gleich gegen zwei mächtige Mitbewerber behaupten: Hugendubel und Thalia. Zudem spürt auch sie – wie alle niedergelassenen Buchhändler – die Internet-Konkurrenz. Aber auch da ist die Preisbindung hilfreich: Die Internetriesen können sie nicht unterbieten. Und im Gegensatz zum Onlinehändler kann sie mit „persönlicher Beratung und Atmosphäre“ punkten – zum gleichen Preis.
Leidet die Vielfalt?
Verbindliche Preise für das „Kulturgut Buch“ nutzen auch Verlagen. „Das bringt uns schon was, sagt Daniel Seger von Königshausen & Neumann. Der Würzburger Verlag hat neben – eher wenig – Belletristik viele Fachpublikationen im Programm. Die wenden sich an ein spezielles Publikum, kleine Auflagen sind die Regel. Nach geltendem Recht setzt der Verlag den Verkaufspreis fest. Das hilft bei der Kalkulation und ermöglicht auch Publikationen in Spezialgebieten, die sich ein Verleger bei einem freien Markt womöglich nicht leisten könnte. Die Buchpreisbindung, so Seger, der für das Verlagsprogramm verantwortlich ist, diene letztlich der Vielfalt auf dem Buchmarkt.
Hugendubel, mit deutschlandweit mehr als 100 Filialen einer der großen Händler, sieht die Abschaffung der Preisbindung skeptisch: Die Abschaffung, so die Geschäftsführende Gesellschafterin Nina Hugendubel, „würde unserer Ansicht nach der gesamten Branche schaden“. In Sachen Buchpreisbindung folge man „der Argumentation unseres Verbandes“. Der Argumentation des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – folgt man, laut Auskunft der zentralen Pressestelle, auch beim Branchenriesen Thalia (laut Wikipedia mehr als 280 Buchhandlungen in Deutschland Österreich und der Schweiz).
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels argumentiert – als Interessenvertretung der Branche – pro Preisbindung: Der deutsche Buchmarkt sei dank der Preisbindung „ein Vorbild für Qualität und Vielfalt“. Sie „fördert nicht nur ein filigranes Netz an Buchhandlungen“, die „gleichzeitig wichtige Kulturstationen vor Ort sind“. Laut Nachrichtenagentur afp warf der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, Alexander Skipis den Gutachtern der Monopolkommission eine „sehr dürftige Datenlage“ vor.
„Eingriff in die Grundfreiheiten“
Und was spricht gegen festgelegte Verkaufspreise? Die Monopolkommission, ein fünfköpfiges Expertengremium, das die Bundesregierung berät, befindet, die Preisbindung greife „erheblich“ in die Grundfreiheiten grenzüberschreitender Marktteilnehmer ein. Nach EU-Recht brauche es objektive Belege dafür, dass die deutsche Regelung einen kulturellen Mehrwert bringe, der einen Eingriff in den freien Markt rechtfertige. Begründet werde die Preisbindung mit dem Schutz des „Kulturguts Buch“. Das Schutzziel sei aber nicht klar genug definiert, um einen Eingriff in den Markt zu rechtfertigen. Das Gutachten des Gremiums hat lediglich empfehlenden Charakter.
Im Nachbarland Schweiz wurde die Buchpreisbindung 2007 abgeschafft. Tatsächlich gab es Rabattschlachten: Internethändler unterboten sich mit Preisnachlässen von bis zu 25 Prozent, so eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz. Die „Neue Zürcher Zeitung“ kam zehn Jahre nach der Abschaffung dennoch zu dem Schluss: „Von Kulturverarmung keine Spur.“ Der liberalisierte Markt habe nicht zu einer Reduzierung der Angebotspalette geführt. Dank Internet sei eher das Gegenteil der Fall.
Allerdings, so zitierte der SRF (Schweizer Rundfunk und Fernsehen) 2016 den Geschäftsführer des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands, habe es „häufiger Geschäftsschließungen gegeben als in früheren Jahren“, sowie „massive Umsatzeinbußen“. Verschiedene Buchhändler hätten die Umsatzeinbußen später mit Preiserhöhungen wieder ausgeglichen.