„Blues hat nichts mit der Hautfarbe zu tun. Entweder man hat ihn oder man hat ihn nicht“, sagte John Lee Hooker zu ihr. „Und du hast ganz viel davon.“ Simone Michel-von Dungern erinnert sich gerne an ihre Zeit mit dem großen Musiker, der an diesem Dienstag 100 Jahre alt geworden wäre.
Im September und Oktober 1990 hat sie in seinem Haus in Vallejo nördlich von San Francisco gewohnt, mit ihm Musik gehört, gespielt und gesungen und Kollegen besucht, etwa Carlos Santana, mit dem John Lee Hooker 1989 seinen großen Hit „The Healer“ („Der Heiler“) eingespielt hat.
„Die Zeit bei ihm war für mich sehr inspirierend“, erzählt die Leiterin des Museums Malerwinkelhaus in Marktbreit. Damals war Simone Michel-von Dungern 25 Jahre jung, Archäologie-Studentin und leidenschaftliche Saxofonistin. Das ist sie bis heute geblieben. Sie tritt mit ihrer Band „Hang Loose“ regelmäßig in der Region auf.
Gespielt wird auf der Bühne nicht nur Blues. Den lebt sie in ihrem Studio aus. John Lee Hooker brachte die Bluesmusik von den Baumwollfeldern des Mississippi in das Rampenlicht und zu Weltruhm. Der Blues war für ihn eine Lebenshaltung – eben „Blues ist der Heiler“. Das Stück bescherte dem Musiker ein grandioses Comeback. Seine Videos liefen auf dem Musikvideokanal MTV, Songs wie „Boom Boom“ waren in der Werbung für Jeans oder Cocktails zu hören.

Ein Heiler war der Blues auch für den Musiker selbst. Er half ihm, seine Kindheit in Armut in Mississippi zu überstehen. Später brachte ihm seine Musik Bewunderung und Wohlstand. Hooker, auch Boogie Man genannt, blieb sein Leben lang dem Blues treu. Auch dann, als er in den USA out war. Denn ab den 1960er Jahren spielte das Radio eher Soul und Pop.
Der Umschwung kam mit jungen Enthusiasten wie den Rolling Stones, Eric Clapton oder John Mayall. Sie machten den Blues wieder populär. John Lee Hooker spielte Anfang der 70er Jahre mit der Bluesrock-Band Canned Heat, später mit Van Morrison, Eric Clapton und Miles Davis. 1980 wurde er in die Blues Hall of Fame aufgenommen, 1991 in die Rock 'n' Roll Hall of Fame.
Ein Jahr zuvor gab er ein Konzert in Hamburg. Die Studentin Simone Michel-von Dungern jobbte dort bei einem Radiosender und interviewte Konzertbesucher. „Es hat sehr geregnet und ich war völlig durchnässt“, erzählt sie. Ein Crewmitglied meinte, sie könne sich in einem der Container aufwärmen. Dort traf sie auf John Lee Hooker, der seine Hände an den Ofen hielt.
Sie unterhielten sich, er wollte ein Demotape von ihr, und als er es angehört hat, lud Hooker Simone ein, in die USA zu kommen. Simone Michel-von Dungern packte ihren Koffer. In Hookers großem Haus, in dem ständig Leute waren, fühlte sie sich schnell sehr wohl. „Daheim hatte er immer Shorts und T-Shirts an, das Haus verließ er jedoch immer mit Hut und Anzug, schillernden Hemden und bunten Socken.“
Simone Michel-von Dungern hat noch viele andere Erinnerungen. Etwa als sie mit Hooker zusammen in einer Hollywoodschaukel sitzt, wippt und er dabei „My Old Rocking Chair“ singt. Oder wie er ihr erzählt, dass er das Singen nur angefangen hatte, weil er stotterte. Oder wie sie mit ihm eine spontane Session im legendären Blues Club „JJ's“ in Mountain View spielt. Und wie er sie überall vorstellt als seine „Saxofonistin aus Hamburg“.
„Er wollte, dass ich bleibe, er habe sich so an mich gewöhnt.“ Es kam anders. Simone Michel-von Dungern wollte ihr Studium beenden, promovierte und habilitierte. Doch der Blues ließ sie nicht los. Mit Musikern aus John Lee Hookers Umfeld wie Taj Mahal und seinen Bandmitgliedern realisierte sie 2003/2004 ihre mit dem Deutschen Rock- und Poppreis ausgezeichnete CD „Homemade“. Darauf ist auch Hooker selbst zu hören, eine Sequenz, die sie damals in Kalifornien aufgenommen hatte. Der Boogie Man war zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Er war am 21. Juni 2001 gestorben. (Mit Material des epd)