Viele Konzerte enden mit rhythmischem Klatschen und stehendem Applaus. Wenige Konzerte aber beginnen mit einem Alphorn. Und noch weniger wohl mit dem Solo eines Posaunisten, der das längste Instrument der Welt küsst. Zwischen Alphorn-Auftakt von Elias Faingersch und begeistertem Finale zu hören: Instrumente mit den exotischen Namen Bansuri, Duduk, Kuray, Cajun und ein E-Cello. Zu sehen: eben dieses Cello, das brillantengleich funkelte und blitzte und das von einem Musiker gespielt wurde, der allein schon die Show wert war.
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Jedenfalls nahm das Flüstern in den Zuschauerreihen am Samstagabend hörbar zu, als Borislav Strulev, auf dessen Jackett die China-Drachen fauchten, mit großer Geste die Bühne betrat und zu Werke schritt. Aber, Schluss mit der langen Vorrede: Die vier Würzburger Druck- und Medienunternehmen hatten zum elften Mal zum Benefizkonzert ins VCC geladen. Und zum ersten Mal zu einem Konzert, das das proklamierte Label „Crossover“ in der Tat verdiente. Und das mit seinem Treiben, Pulsieren, Pochen, Rattern gut in eine Halle passte, in der einst Maschinen ratterten und Druckwalzen rotierten.
Keine Klassik trotz Streichorchester, kein Pop trotz E-Gitarre – dafür im Mittelpunkt ein Musiker, der das Knopfakkordeon hauchen und wehklagen, singen und jubeln lässt. Aydar Gaynullin, 35-jähriger gebürtiger Moskauer, ein Virtuose am atmenden, 16 Kilo schweren Instrument. Ein halbes Dutzend weiterer Solisten hatte Gaynullin nach Würzburg mitgebracht, dazu ein Streicherensemble mit dem Motto „Tango de amor“. Dass die Hälfte des geplanten Programms kurzerhand gestrichen und dafür anderes gespielt wurde – auch dieses wohl eine Art „Crossover“. Statt des erkrankten Bass-Balalaikisten hatte der Akkordeonist Elena Lutz, seine Gattin, an der Seite – ebenfalls Akkordeon-Virtuosin.
Sollte man nun meinen, Kompositionen von Astor Piazzolla und Gaynullin selbst ergäben unter dem Titel „Tango de amor“ die bekannten, gewohnten Folklore-Weltmusik-Klänge – gefehlt. Allein, wie sich Lutz und Gaynullin musikalisch beim Csárdás von Vittorio Monti mit mimischem und körperlichem Einsatz stritten, neckten, anspornten – erlebenswert.
Und wenn die orientalische Rhapsodie von Gaynullin vielleicht Längen hatte und nicht jedem der über 500 Konzertbesucher gefiel (Zuhörer O-Ton im mitgehörten Pausengespräch: „Manches ist gewöhnungsbedürftig, Crossover halt“), dann war zumindest der Mittelteil eindrucksvoll, in dem Pavel Novikov die Bambusquerflöte blies.
Einem Mini-Dramolett gleich kam das Polka-Medley, das Gaynullin mit Cellist Borislav Strulev inszenierte und das zwar mit Alfred Schnittke begann, aber nach Bach-Einschüben und Beethoven-Motiven irgendwo laut und schräg bei Queen, Deep Purple und schließlich Andrea Boccellis „Con te partiro“ endete. Das Ganze im mimischen und gestischen Vollkörper-Einsatz.
Auf dem osteuropäischen Knopfakkordeon, dem Bajan, kann man rechts drei Oktaven greifen und fünf Stimmen gleichzeitig spielen. Das kostet Aynar Gaynullin als Solist und Komponist aus. Seine Filmmusik „Euphoria“, mit der er vor zehn Jahren in Venedig den Goldenen Löwen gewann, gab's als Zugabe. Und danach – wie bei besonderen Konzerten – Bravos und Applaus.