Hulapalu! Hulapalu? Jede Wette, Andreas Gabalier weiß selbst nicht, was er da singt. Ist halt sexy, dieses Hulapalu. Irgendwas von Manderln und Weiberln. Vielleicht auch von den Bienen und Blumen. Vielleicht. Vor allem aber ist „Hulapalu“ Party. Es ist sein Hit. Hodiodiodieeee! Die Arme nach oben. Alles ist gut. Gabalier weiß, was seine Fans wollen. Und er gibt’s ihnen. In Giebelstadt feiern 15000 den Österreicher.
Der es versteht, sich zu inszenieren. So gut jedes Haar sitzt, so gut auch jeder Tanzschritt, ja, sogar – fast – jeder Ton. Schlager, Volkstümliches und Rock in den Mixer, raus kommt flotter Alpenpop. Nachdenklich kann er auch. Hie und da sogar zu viel fürs feierwütige Volk in Dirndl und Lederhose. Aber wer will dem Bursch schon bös‘ sein, wenn er's übertreibt mit dem Schmalz. Ein schelmisches Grinsen, ein Augenzwinkern: Gabalier nimmt seinen Job ernster als sich selbst. Er ist der Rotzlöffel aus der Steiermark, er ist’s wirklich. Doch die Show ist perfekt. Wär‘ er blond und hätte Kurven – man möcht‘ meinen, da steht die Fischers Helene auf der Bühne.
Video: Das war beim Konzert los
Nur: Während die deutsche Schlager-Queen auch privat recht steril daher kommt, stapft der österreichische Volks-Rock’n’Roller hemdsärmelig durchs Leben. Und eckt an. Singt auf einer Veranstaltung die alte Fassung der Bundeshymne: Statt „Heimat großer Töchter und Söhne“ lieber „Heimat bist du großer Söhne“. Oder plappert im Interview: "Man hat’s nicht leicht auf der Welt, wenn man als Manderl noch auf ein Weiberl steht." Oha, wenn Gabalier dann auch noch im „Sweet little Rehlein“ die Damen mit (Frei-) Wild vergleicht, da schnellt in Deutschland flugs der moralische Zeigefinger empor.
Doch die Political Correctness schreibt der 31-Jährige nicht ganz so groß. Chauvi-Sprüche, Heimattümelei, ein paar mit entsprechendem Willen als rechtsoffen interpretierbare Textpassagen – Gabalier hat’s dennoch stets verstanden, nicht braun angemalt zu werden. Und das nicht nur wegen seines Hangs zu rot-weißer Tracht. „Als Steirer Bua sag‘ i gern, was i mog“, spricht er zu den Giebelstadtern, bittet sie, ihn zu nehmen, wie er ist. Sie tun ihm den Gefallen.
Sie tun’s gern, denn sie werden großartig unterhalten. Schnell vergessen ist da bei den Meisten das Schwitzen im Stau auf der B19. Über 13 Kilometer staute sich der Verkehr von Giebelstadt zurück nach Würzburg. Viele sind offenbar deutlich zu spät losgefahren, haben Ausweichrouten wie über Winterhausen oder Ochsenfurt nicht wahrgenommen. Doch Andreas Gabalier löst’s pragmatisch, fängt eine halbe Stunde später an.
„Hulapalu“ schon am Anfang, hoppla. Da fliegen BHs in Rot und Lila. Lederhose, weißes Tanktop, schwarze Weste, Sonnenbrille, Pomade – das ist Andreas Gabalier. Der Showman.
Der irgendwann mal vor der schweren Entscheidung stand, sein Leben zu hassen oder zu lieben. 2006 zündete sich sein Vater an, 2008 seine damals 19-jährige Schwester. Zwei geliebte Menschen verlieren, das schultert auch so ein muskulöser Sonnyboy nicht eben so. Aber er hat’s geschultert. Gabalier ist Kämpfer, ist akribischer Arbeiter, Enthusiast – er steht hinter dem, was er macht. Er strahlt Authentizität aus. In der Show steckt viel vom Menschen Gabalier und sie ist sein Schutzschild gleichermaßen. Und seine Musik, die Wärme, Lebensfreude und Liebe verspricht, hilft wiederum vielen seiner Fans. Haben wir nicht alle Probleme, die wir gerne mal vergessen?
„Dahoam“, „Bergbauernbuam“, „Fesche Madln“ – Gabalier besingt die neue Heimat, derer sich die jungen Leute längst nicht mehr schämen. Er kokettiert mit seinem Image als Schürzenjäger („Zuckerpuppen“, „I sing a Liad für Di“) und wäre hellauf begeistert gewesen von der Dame im schwarz-roten Dirndl drunten im Publikum, die gerade zwei leere Bierbecher in ihrem Dekollete verstaut. Und verträumt guckt, als ihr Schwarm ganz ruhige Töne anschlägt. „A Meinung haben“ – Andreas Gabalier hat in der Besinnlichkeit seine stimmlich größten Momente. Die Band naturgemäß, wenn’s kracht. Und es kracht: „Volks Rock’n’Roller“, der Song ist Programm und die Herrschaften an Gitarre und Schlagzeug lassen den Rocker raus. Derart aufgeheizt werden die Fans zum willigen Chor: Gabalier haut nochmal „Hulapalu“ raus, die Stimmung kocht über, die Dirndln wandern einen Stock höher auf die Schultern ihrer Pfundskerle – kollektives Durchdrehen.
Doch Andreas Gabalier fängt sie alle wieder ein, beendet die zwei Stunden mit dem sentimentalen, sehr persönlichen und unter die Haut gehenden „Amoi seg‘ ma uns wieder“ – seinem Lied für Papa und Schwester. Noch ein kurzes „Der liebe Gott beschütze euch“ – er ist halt ein artiger Junge.