Wiener Lieder aus der Konzertmuschel konnte das zahlreich erschienene Kissinger-Sommer-Publikum unter den Linden des Kurgartens bei sommerlich lauen Temperaturen genießen. Vogelgezwitscher und Taubengurren gab’s gratis dazu. Das Quartett Neue Wiener Concert Schrammeln und Günther Groissböck, gefragter Opern- und Konzert-Bass, schufen Heurigen-Atmosphäre mit jenem typischen nostalgischen Weaner Tonfall, der in sich Walzer, Polka, Tango, Jazz oder Wiener Klassik vereint. Und der jenen altersweisen, mal zynischen, mal heiteren Geist beherbergt, der den Puls runterfährt und gelassener macht.
Lieder wie "Geht’s und verkauft’s mei G’wand" von Johann Strauss Sohn bis "Es ist alles unhamlich leicht…" von Toni Stricker mit Text von André Heller standen auf dem Programm sowie Instrumentalstücke von Johann Schrammel bis Peter Havlicek (Kontragitarrist des Schrammelquartetts). Eines war allen Mitwirkenden vom Komponisten über den Texter bis zum Musiker gemein: Sie stammten und stammen alle aus Wien oder lebten und leben sehr lange dort. Die mit der Wiener Muttermilch aufgesogene musikalische Mentalität war hörbar.
Doch dem Hinterbänkler-Publikum ging viel verloren
Je nachdem, wo man saß, ob in der ersten Konzerthälfte in der elften Reihe oder in der zweiten in der ersten Reihe - man müsste zwei unterschiedliche Kritiken schreiben. Klar, Open-Air-Konzerte haben ihre eigenen akustischen Regeln. Doch dem Hinterbänkler-Publikum ging viel verloren, weil man kaum die Texte verstand, obwohl Groissböck wunderbar artikulierte, deklamierte, schauspielerte.
Auch, dass die beiden Geiger Peter Uhler und Johannes Fleischmann sich mit funkelnder Spiellust anfeuerten, war vorne weit besser mitzuverfolgen. Oder dass Komponist Peter Havlicek an der Kontragitarre ein kreatives Fundament schuf, auf dem Helmut Thomas Stippich mit seiner Chromatischen Knopfharmonika virtuos oder melancholisch in die Tasten greifen konnte. Einige Unsauberkeiten barg der reizvolle zweistimmige Gesang von Groissböck und Stippich. Da klangen Töne zu lange nach, da fanden die beiden keinen gemeinsamen Atem, da verschoben sich die Einsätze auch mal ineinander.
Perfekt getimt war allerdings das Schlusslied "Der narrische Kastanienbaum" von Pepi Wakovsky. Mit dem Schlussakkord gingen die Parklaternen an – und das Publikum nach einer Zugabe nach Hause. Durch eine duftende Lindenallee, vorbei an Kissinger Prachtbauten – fast wähnte man sich in Wien.
Der Kissinger Sommer bietet noch bis 17. Juli Sinfonik und Kammermusik, Prélude- und Wandelkonzerte, Oper und einiges mehr. Karten über die Homepage www.kissingersommer.de, telefonisch unter (0971) 80 48-444 und an der Abendkasse.