Nonsens sei ja kein reiner Schwachsinn, es sei verweigerter Sinn. Das sagt Otto Waalkes und outet sich damit als Komiker, der sehr genau weiß, was er tut. In unserer E-Mail-Befragung offenbart er seine Sucht nach dem Gefallen und die Skepsis gegenüber Rechthabern und bierernsten Moralisten.
Herr Waalkes, zum Siebzigsten verleiht Ihnen Ihre Heimatstadt Emden die Ehrenbürgerwürde. Die schönste Auszeichnung bis jetzt?
Otto Waalkes: Absolut! Die letzte Auszeichnung ist doch immer die schönste. Und als Ehrenbürger habe ich das Recht, mich bei jedem Emder jederzeit zum Tee einzuladen. Und ich habe die Wahl des ersten Keks! Hoffe ich zumindest.
In Ihrer „Ottobiografie“ beschreiben Sie Ihren Weg aus dem Werftarbeiter-Stadtviertel Transvaal in den Olymp des deutschen Showgeschäfts. Immer wieder taucht dabei das Wort „Glück“ auf. Hat Ihr Erfolg tatsächlich vor allem mit glücklichen Zufällen zu tun?
Waalkes: Erfolg hat immer mit Glück zu tun. Ich kenne eine Menge Leute, die sich redlich darum bemühen, ohne viel Erfolg zu haben. Misserfolg hat eben auch mit Pech zu tun.
In Ihren Erinnerungen an die 60er Jahre sind die meisten langhaarigen Wesen männlich und spielen Gitarre. Es scheint, Sex war nicht so wichtig, Rock ?n? Roll schon. Wie gehen Sie heute als 70-Jähriger mit diesen Themen um?
Waalkes: Das Thema Haare spielt keine so große Rolle mehr – schon in eigenem Interesse.
„Das Überschreiten von Barrieren reizt viele Leute zuverlässig zum Lachen“, heißt es in Ihrem Buch. Ist die immer stärker zur Norm werdende „Political Correctness“ für einen Komiker also eher Segen als Fluch?
Waalkes: Eine interessante Frage. Regelrechte Rechthaber und bierernste Moralisten sind natürlich immer eine Herausforderung für einen Komiker und insofern ein Segen. Wenn?s allerdings zu viele davon gibt und die sich in sozialen Medien immer noch vertausendfachen – das kann dann zum Fluch werden.
Sie schreiben, Sie brauchen Zuschauer, egal, ob es nun drei oder 3000 sind. Sind Sie süchtig nach dem Lachen des Publikums?
Waalkes: Süchtig bin ich auf?s Gefallen, das heißt, auf eine positive Reaktion. Und weil die sich in meinem Fall nun mal durch Lachen ausdrückt, kann ich gar nicht genug davon kriegen. Das geht wohl jedem Komiker ähnlich – er hat keine andere Referenz.
Eine Ihrer Wortschöpfungen hat es bis in den Duden geschafft: der Schniedelwutz. Sehen Sie sich eigentlich inzwischen als lebendes Kulturgut?
Waalkes: Deswegen? Nein, aber wenn auf meinem Grabstein stünde: Hier ruht der Schöpfer des Schniedelwutz, das wäre mir auch recht.
Heute werden Sie von den Kindern der Kinder Ihrer ersten Fans bejubelt. Ist Ihre Art von Humor zeitlos witzig?
Waalkes: Zeitlos ist meine Komik nicht. Doch ein paar Generationen würde ich gerne noch erheitern, so wie Wilhelm Busch, dessen Bildergeschichten mich immer noch zum Schmunzeln bringen – von der Bewunderung mal abgesehen.
Wie funktioniert der Otto-Humor?
Waalkes: Nonsens ist ja kein reiner Schwachsinn, es ist verweigerter Sinn. Der Betrachter wird in ein scheinbar stabiles Sinngebäude gelockt – und dann lassen wir ihn voll gegen die Wand laufen. Es kostet schon gewisse Mühe, der Wirklichkeit jeden Sinn auszutreiben.
Sie haben mal gesagt, Sie seien geboren, um zu blödeln.
Waalkes: Stimmt. Zum Komiker wird man geboren. Das muss man als lebenslänglichen Schicksalsschlag akzeptieren.
Welchem Grundsatz sind Sie während Ihrer langen Karriere immer treu geblieben?
Waalkes: Nur einem: Ich bin stets mir selbst treu geblieben und habe nur das getan, was mir selbst Spaß macht. Ich bin einfach zu bequem, um mich groß zu verstellen. Ich glaube auch nicht, dass mir das über so lange Zeit gelungen wäre.
Ihren ersten Ottifanten haben Sie in der Schule gezeichnet. Das bedeutet: Die lustigen Tierchen haben jetzt auch das Rentenalter erreicht. Wie und wo setzen sich Ottifanten nach einem erfüllten Leben zur Ruhe?
Waalkes: Es gibt ja diese legendären Ottifantenfriedhöfe, irgendwo draußen im Wattenmeer. Das ist allerdings jetzt zum Weltkulturerbe ernannt worden, mal sehen, ob meine letzten Ottifanten dort noch unterkommen.
Neulich haben Sie sich als Kandidat für das „Dschungelcamp“ ins Spiel gebracht. Und das war durchaus ernst gemeint, oder? Was reizt Sie an diesem TV-Format?
Waalkes: Fragen Sie das im Ernst? Also, bitte: Ich glaube, dass ein solches Spektakel späteren Kulturpessimisten mehr über unsere Zivilisation offenbaren wird als preisgekrönte Spielfilme oder hochkomplizierte Kreuzworträtsel. Aber natürlich weiß ich auch, dass ich solch seriösen Herausforderungen nicht gewachsen wäre.
Was nervt Sie an der heutigen Zeit?
Waalkes: Wenig. Ich lebe gerne in der Gegenwart – zumal man ja eh keine Alternative hat. Außer zu sterben.
Wie lange werden Sie noch auf der Bühne stehen?
Waalkes: Keine Ahnung. Ich bin weder Mediziner noch Hellseher. Aber solange ich fit bin, geht die Reise weiter. Und solange Sie sich noch darauf freuen, natürlich.
Manche mäkeln, Sie würden Ihre Shows zum Teil mit uraltem Material aus Ihren ersten Programmen bestreiten. Kränkt es Sie, wenn sie als Witze-Recycler bezeichnet werden?
Waalkes: Mit neuen Witzen erfolgreich zu sein, ist einfach. Die Kunst besteht darin, die Leute mit den alten Sachen immer wieder zum Lachen zu bringen. Der Vortrag ist entscheidend. Außerdem: Recycling ist doch in. Wo sollen die Witze hin? Die verschmutzen doch sonst die ganze Umwelt. Oder gibt?s bei Ihnen Altwitztonnen?
Am Ende des Buches zeigen Sie sich überrascht, dass Journalisten von Ihnen nichts Neues erfahren möchten, sondern immer nur dieselben Fragen stellten. Auf zehn Seiten beschreiben Sie, welche Fragen Ihnen von Interviewern häufig gestellt werden. Was war in den vergangenen Wochen die Frage, die Sie am häufigsten beantworten mussten?
Waalkes: Sehr oft wurde gefragt, wie ich bei meinem Pensum noch Zeit gefunden hätte, meine Ottobiografie zu schreiben. Und ich konnte nur ehrlich antworten: Das weiß ich auch nicht.
Zur Person
Otto Gerhard Waalkes, geboren am 22. Juli 1948 im ostfriesischen Emden, ist seit gut 50 Jahren einer der beliebtesten Komiker Deutschlands. Die ersten Schallplatten seiner Bühnenauftritte in den 70er Jahren stürmten die deutschen Charts, später kamen TV-Erfolge und Kino-Kassenschlager hinzu. Mit seinem Bühnenprogramm füllt er bis heute die großen Hallen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Otto ist außerdem Comiczeichner, Musiker, Schauspieler, Regisseur und Synchronsprecher („Ice Age“).
Jetzt hat er beim Heyne-Verlag „Kleinhirn an alle“ herausgebracht, eine „Ottobiografie nach einer wahren Geschichte“ (416 Seiten, gebunden, 22 Euro, auch als Hörbuch von Randomhouse Audio). Er war zweimal verheiratet und hat einen heute 30-jährigen Sohn. Otto Waalkes lebt im Hamburger Stadtteil Blankenese.