Man muss pathetische Worte finden über ein Konzert von Konstantin Wecker, um dem legendären Liedermacher, Dichter und Friedensaktivisten gerecht zu werden. Vielleicht mit einem geklauten Hemingway-Titel: Der alte Mann und das “Mehr!” So sagen und fühlen es jene Fans, die seit Jahrzehnten treu alle Höhen und Tiefen des Letzten der großen deutschen Liedermacher mitfeiern und mitleiden – und nicht genug bekommen können von (scheinbar aus der Mode gekommenen) wortgewaltigen Appellen für Frieden und Freiheit.
Mit 70 klingt Wecker ein bisschen weiser, aber keineswegs leiser als früher – immer noch mit dieser Gänsehaut-Stimme und mit diesem gewinnenden Lächeln, nicht zuletzt über sich selbst: Ein Idealist, der viele Illusionen verloren hat, aber immer noch eine Hymne (nicht nur) auf die Geschwister Scholl und für den Widerstand gegen Rechtsextreme ansingt: „Es geht ums Kämpfen, nicht ums Siegen!“
Leise und eindringliche Poetik
Wecker beginnt sein Konzert in Würzburg mit dem „Willy“, jener Hymne auf einen totgeschlagenen Idealisten, die ihn vor einem halben Jahrhundert mit einem Schlag berühmt gemacht hat. Es folgt aber kein „best of …“. Der Kraftprotz, der einst mit manchen „sado-poetischen Gesängen“ sogar Richter gegen sich aufbrachte, will an diesem Abend in Würzburg mit leiser, eindringlicher Poetik überzeugen.
Wecker als moralische Instanz mit Herz für kleine Leute
Das kommt seinem vorwiegend ebenfalls reifer gewordenen Publikum desillusionierter Idealisten entgegen, für die Weckers Leben nicht frei von Fehlern war (was er selbst selbstverständlich zugibt), der aber im Zweifel links, antiautoritär und friedensbewegt ist - noch immer eine populäre moralische Instanz, wie der Schriftsteller Heinrich Böll oder der Kabarettist Dieter Hildebrandt.
Einer aus dem Publikum beschreibt es so: „Hierher kommen Gläubige, die sich bei seinen Konzerten immer wieder trotz aller Zweifel die Gewissheit abholen, noch auf dem richtigen Weg zu sein: nicht die da oben sind die Guten sondern wir kleinen Menschlein hier unten.“
Und Wecker gibt sie Ihnen, diese Orientierung für Frieden,Freiheit und freie Liebe, mit kraftvollen Liedern, fein beobachteten Erzählungen und liebenswert altmodisch wirkenden Gedichten - ein Anachronismus in der Welt von Twitter und WhatsApp.
"Wir brauchen eine Revolution der Zärtlichkeit"
Mit dem „Willy“ setzt er gleich Zeichen für die müde gekämpften 68er im Publikum, die nun erneut mit rechtem Gedankengut konfrontiert sind. Er packt den Traum von einer Welt ohne Waffen und Grenzen in wunderbare Worte und Melodien, unterstützt mit kraftvollen Tönen von seinem musikalischen Partner Jo Barnikel am Klavier und der wunderbaren Cellistin Fanny Kammerlander.
Vom Scheitern und vom Aufstehen erzählt er, schwärmt vom Vatersein und den letzten Momenten mit dem eigenen Vater – intimen Momenten, in denen er das Publikum zu Tränen rührt. Ungebrochen ist sein Pathos, wenn er appelliert: „Wir brauchen eine Revolution der Zärtlichkeit. Die Harten, Unerbittlichen, Herrschenden können wir nie mit ihren eigenen Waffen schlagen. Angst macht ihnen nur Poesie, nicht Gewalt.“ Schöner kann man es nicht singen, nicht sagen. Man kann in einer kalt geworden Welt nur süchtig lauschen und verlangen: „Mehr!“