Kennen Sie das: Sie steigen die zwei Stockwerke zum Büro hoch und sind völlig außer Puste? Wenn Sie über 50 sind, ist das normal, sagt Michael Schwab, Chefgeriater im Würzburger Bürgerspital. Und weil der Mediziner nicht nur fasziniert vom Thema Alter ist, sondern auch ein passionierter Läufer, weiß er, was hilft, nämlich Bewegung.
Für die Wirkung von Gehen und Laufen gebe es kein Alterslimit, sagt Schwab. Der nachweislich lebensverlängernde Effekt gelte gerade für Späteinsteiger. Wissenschaftlich seien das Frauen über 35 und Männer über 50.
Es begann mit dem Residenzlauf
Als Läufer ist Lothar Wolz (Jahrgang 1940) aus Estenfeld (Lkr. Würzburg) eindeutig ein Späteinsteiger. Er begann die Ausdauersportart nämlich erst mit 50. Und auch seine Frau Helga Wolz (Jahrgang 1944) startete erst im reiferen Alter durch, in den 1990er Jahren beim Residenzlauf in Würzburg. Allerdings sind die beiden in sportlicher Hinsicht keine Spätberufenen. Er war schon vor der Lebensmitte Tischtennisspieler und ging klettern, sie übte Gymnastik und walkte, gemeinsam betrieben sie sportliches Tanzen.
Es geht auch um Leistung
Und es geht ihnen auch nicht nur um Ausdauersport. Die beiden trainieren auf Leistung. Helga walkt zwei- bis dreimal wöchentlich, Lothar läuft fünfmal. Helga Wolz absolviert jährlich mindestens zwei Walking-Wettkämpfe. Lothar Wolz sammelt Marathon-Zieleinläufe unter der Drei-Stunden-Marke. Und beide sammeln sie dabei Glücksmomente, wie 2015 in Paris. „Wir haben unsere Goldene Hochzeit 2015 beim Marathon in Paris gefeiert. Zu zweit in Laufshirts auf dem abendlichen Arc de Triomphe“, erzählt Lothar Wolz. Ein emotionaler Höhepunkt für ihn war auch das Marathonjubiläum 2010 in Athen, 2500 Jahre nach dem historischen Lauf bei der Schlacht von Marathon. „Bei Kilometer fünf rannte eine Frau ins Läuferfeld und gab mir einen Olivenzweig – Adrenalin pur“, erzählt Lothar Wolz. Er bewahre den Zweig wie eine Reliquie auf.
Aus gesundheitlicher Sicht sei für Späteinsteiger der Marathon natürlich nicht das Ziel, sagt Mediziner Schwab. Auch wenn es solche Sportler wie Lothar Wolz gebe. Schwab weiß sogar von einem Mann der früher in Rente ging, weil er gesundheitlich am Ende war, mit fast 80 das Laufen entdeckte und mit 82 den Berlin-Marathon erfolgreich absolvierte Aber Marathon sei Leistung am Limit. Da müssten Grundvoraussetzungen erfüllt sein.
Der Körper entscheidet
Das sei zunächst einmal Lauferfahrung mit Spaß an der Sache und dann konsequente Vorbereitung über ein Jahr nach Plan. Am Wettkampftag dürfe nicht der Ehrgeiz die Oberhand gewinnen, sondern der Körper müsse entscheiden: „Wer krank ist geht nicht an den Start“, so Schwab. Im Wettkampf habe dann zwar der Kopf das Kommando, aber der Körper ziehe im Zweifelsfall die Notbremse. „Doping ist nur was für Dumme“, mahnt der Mediziner „Leistungssteigernde Medikamente oder Schmerzmedikamente, um trotz Schmerzen zu laufen, sind Tabu.“
Ganz allgemein zeige die Forschung, dass Laufen bis ins höchste Lebensalter mit der Gesundheit und der weiteren Lebenserwartung in Zusammenhang stehe. Geduld braucht es offenbar, um den Nutzen des Sports zu erkennen. Aber nach sechs bis zehn Wochen sei er eindeutig spürbar, messbar und wissenschaftlich nachweisbar. „Für dauerhaften gesundheitlichen Gewinn und zur Vorbeugung der Altersbeschwerden sollte die Dosis stimmen“, gibt Schwab allerdings zu bedenken. Fünfmal in der Woche eine halbe Stunde zügig gehen oder dreimal joggen, reduziere das Sterberisiko um 30 Prozent im Vergleich zu untrainierten Gleichaltrigen, die doppelte Dosis um 50 Prozent.
Die Freude der Kindheit
Aus ihrer Erfahrung raten Helga und Lothar Wolz Menschen, die spät mit dem Sport beginnen: „Langsam, Schritt für Schritt aus dem Gehen, Walken zum Laufen übergehen, damit sich der Bewegungsapparat darauf einstellen kann. Bei jedem Wetter von der Haustüre weg und raus!“ Die fränkische Hügellandschaft sei ideal für das Herz- und Kreislaufsystem. Durch Konditionsgymnastik und Krafttraining stärken Helga und Lothar Wolz ihre Muskeln. Wichtig sei außerdem das Dehnen: „Das hält den Bewegungsapparat elastisch und beugt Verletzungen vor.“
Aber auch, wer sich zum regelmäßigen Training nicht aufraffen kann, darf aufatmen. „Jeder Schritt zählt“, sagt nämlich Schwab. Frische Luft wirke dabei wie ein Turbolader. Und überhaupt rät er, den Begriff „Sport“ nicht so sehr zu strapazieren. Gerade in höherem Alter, aber auch bei manch Jüngerem wirke er ohnehin eher abschreckend. „Aus gesundheitlicher Sicht geht es ja auch nicht um Medaillen sondern das Wiederentdecken der Freude an der Bewegung, die in jedem Menschen in der Kindheit gesteckt hat.“
Das Wetter ist unwichtig
Diese Freude erleben auch Helga und Lothar Wolz. Sie genießen den Wechsel der Jahreszeiten – ob bei Kälte oder Hitze – beim Laufen viel intensiver, sagen sie. Sie schauten aufmerksamer und sähen mehr, als wenn sie mit dem Rad oder gar mit dem Auto unterwegs seien. Obwohl sie Wettkämpfe laufen, ist der Sport für das Paar vor allem Vergnügen. „Einfach genießen und dabei den Kopf frei bekommen“, sagt Lothar Wolz.
Den Genuss hat er übrigens bei jedem Wetter. Im Februar war er als Laiendarsteller mit dem Mainfranken Theater im Allgäu. „Wir hatten damals früh um 5.45 Uhr Schnee und minus 13 Grad. Was ich sonst zu dieser Morgenzeit nie schaffe, gelang: Raus und 55 Minuten entlang der Iller laufen. Noch nie hat ein Frühstück besser geschmeckt!“, sagt Wolz. Und auch an hohe Temperaturen wie die gegenwärtige Sommerhitze gewöhnt Lothar Wolz seinen Organismus mit langsamem Tempo. „Die Wasserflasche ist natürlich dabei!“
Laufen in der zweiten Lebenshälfte
Ausdauer ab dem Alter von 40 Jahren ist trainingsabhängig, sagt Michael Schwab, Chefarzt der Geriatrie im Würzburger Bürgerspital. Ohne Training nehme sie um acht bis zehn Prozent pro zehn Jahre ab. Ein trainierter 60-Jähriger sei so fit wie ein untrainierter 40-Jähriger. Wer 1000 Kilokalorien pro Woche wegläuft, verringere die Sterblichkeit um 30 Prozent. Fünf mal die Woche 30 Minuten zügig Gehen oder drei mal 30 Minuten Joggen reichten dafür. Mit der doppelten Dosis erreiche man den Optimalwert von 2000 Kilokalorien und erziele einen deutlichen Gesundheitsgewinn. Da der Körper des Menschen auf Gehen und Laufen ausgerichtet sei, führe Bewegungsmangel zu Erkrankungen. Bereits langsames Spazierengehen an frischer Luft steigere die Hirndurchblutung um 13,5 Prozent. Je flotter man unterwegs sei, desto stärker seit der Effekt. Beim langsamen Joggen erreiche man 24,7 Prozent.
Die Vorgehensweise
Wer im Alter ab 50 Jahren neu einsteige, sollte zunächst zum Hausarzt gehen, denn bei manchen Krankheiten gebe es Besonderheiten, sagt der Arzt. Etwa bei Arthroseproblemen sollte man unter fachkundiger Anleitung beginnen. Allgemein rät Mediziner Schwab: Sofort mit dem Laufen anzufangen. Die Dosis in kleinen Schritten steigern und zwar immer nur entweder Tempo oder Dauer. Dort laufen, wo es Spaß macht, allein oder mit wem es Spaß macht. Dran bleiben, bis der innere Schweinehund gebannt ist. In der Regel sei man nach etwa sechs Wochen mit Spaß dabei und nach sechs bis zwölf Monaten nicht mehr rückfallgefährdet. Wenn Probleme auftreten nicht entmutigen, sondern vom Hausarzt klären lassen und die Dosis anpassen.