Röntgenstrahlen werden nicht nur in der Medizin eingesetzt, auch in Kunst und Kultur sind sie ein wichtiges Handwerkszeug. Sie helfen, die Arbeit von Künstlerinnen und Künstlern zu analysieren und Kunstfälschern auf die Schliche zu kommen. Auch zum Schutz von Museumsgästen und -mitarbeitenden tragen sie bei.
„Bereits 1896 – kurz, nachdem Wilhelm Conrad Röntgen die später nach ihm benannten Strahlen entdeckt hatte – untersuchte man mit ihrer Hilfe Skulpturen, Gemälde und auch Mumien“, erläutert der Kunstsachverständige Dr. Martin Pracher. Als Lehrbeauftragter an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg bildet er Studierende im Fachbereich Museologie und im interdisziplinären Masterstudiengang „Sammlungen – Provenienz – Kulturelles Erbe“ in technischer Kunstgeschichte aus. Auch heute haben die Röntgenstrahlen in der Arbeit von Museen, Restauratoren, Kuratoren und Forscher einen festen Platz. Als Analysewerkzeuge bieten sie die Möglichkeit, verborgene Informationen der Kunstwerke sichtbar zu machen. So wie in der Medizin werden Röntgenstrahlen dabei sehr differenziert angewendet.
Schonend dem Innenleben auf die Spur kommen
Um das Innenleben und den Aufbau von Kunstgegenständen darzustellen, kommt meist die Radiografie zum Einsatz. „Das kann man sich wie eine Röntgenaufnahme in der Medizin vorstellen“, erläutert Dr. Pracher. „Ein großer Vorteil von Röntgenuntersuchungen ist, dass Bilder und Skulpturen zerstörungsfrei untersucht werden können.“ In Gemälden werden mithilfe der Radiografie beispielsweise Pigmente wie Bleiweiß in der Malschicht dargestellt. Dadurch lassen sich künstlerische Änderungen nachvollziehen. Von außen nicht sichtbare Hohlräume in Heiligenfiguren können beispielsweise Reliquien enthalten. Auch lassen sich Konstruktion und Stabilität einer Skulptur sichtbar machen. Bei der Frage, ob Kunstgegenstände bereits schon einmal restauriert oder bearbeitet worden sind, trägt die Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen zur Klärung bei.
Mit dem Tierarzt ins Museum
Diese Methode bringt jedoch einige Herausforderungen mit sich: Röntgengeräte sind teuer, der Umgang mit ihnen eine Sache für Spezialisten. Und viele Skulpturen und Gemälde sind zu schwer, zu wertvoll oder zu empfindlich, um zum Röntgen transportierten werden zu können.
Daher erhalten Museen manchmal Hausbesuche – von Tierärzten. Deren mobile Röntgengeräte, die auch zur Untersuchung größerer Nutztiere herangezogen werden, können die Skulpturen und Gemälde vor Ort durchleuchten. Diese Aufnahmen helfen den Kunstsachverständigen anschließend bei der Untersuchung der Objekte.
Sicher dank Röntgenstrahlen
Weniger aufwendig gestaltet sich die Analysemethode der Röntgenfluoreszenz-Untersuchung (RFA). Mit ihrer Hilfe werden chemische Elemente analysiert, die sich auf Oberflächen von Gegenständen befinden. „Man richtet die Strahlungsquelle, zum Beispiel in Form einer kleinen Pistole, auf die Oberfläche“, erläutert Dr. Pracher die Vorgehensweise. „Die Strahlung regt dort die Atome an. Beim Rückfall in ihren normalen Energiezustand entsteht eine charakteristische Fluoreszenzstrahlung.“ Einige Museen besitzen mittlerweile solche Analysegeräte. Ihr Gebrauch sowie die Interpretation der ermittelten Daten erfordert hohes Fachwissen.
Diese Methode dient nicht nur dazu, festzustellen, welche Farbpigmente ein Künstler an einer bestimmten Stelle eines Bildes aufgetragen hat. „Oft wissen wir nicht, wie ein Gegenstand im Laufe der Zeit behandelt wurde. Eine alte Holzfigur kann mit einem Schädlingsbekämpfungsmittel versehen worden sein, das aufgrund gefährlicher Nebenwirkungen heute nicht mehr verwendet werden darf“, erklärt Dr. Pracher. „Um die Sicherheit von Personal und auch Besucherinnen und Besuchern eines Museums zu gewährleisten, können solche problematischen Stoffe mittels RFA rasch ausfindig gemacht werden.“
Ein Blick über die Schulter der Künstler
Auch zur Echtheitsprüfung kann diese Methode beitragen. „Finden wir in einem Gemälde Elemente von Titanweiß, können wir davon ausgehen, dass es erst ab Ende der 1930er Jahre gemalt wurde“, führt der Kunstsachverständige aus. Auf diese Weise konnte der Meisterfälscher Wolfgang Beltracchi 2011 überführt werden: Eine seiner Fälschungen, angeblich ein Originalgemälde aus dem Jahr 1914, enthielt just diese Farbe, die in dieser Form erst 1938 synthetisiert wurde. „Vielfältige multispektrale Untersuchungsmethoden mittels Infrarot-, UV- und auch Röntgenstrahlen helfen uns auf mehrere Arten bei der Analyse von Kunstwerken“, erklärt Martin Pracher. „Und auch wenn wir dadurch nicht in die Köpfe der Künstlerinnen und Künstler sehen können, so erhaschen wir doch immerhin einen kleinen Blick über ihre Schultern!“
Röntgenjahr 2020
Im „Röntgenjahr“ 2020 präsentiert Ihnen die Universität Würzburg gemeinsam mit der Stadt Würzburg jeden Monat ein interessantes Anwendungsgebiet, bei dem Röntgenstrahlen eine wichtige Rolle spielen.
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