Warum müssen es ausgerechnet Nürnberger Lebkuchen sein? Das Backen von Lebkuchen war doch früher keine reine Nürnberger Domäne und wurde schon in mittelalterlichen Klöstern überall im Land gepflegt. Und ist auch heute noch andernorts verbreitet. Matthias Murko, Leiter des Museums für Industriekultur in Nürnberg, kann indes schon erklären, warum gerade der Nürnberger Lebkuchen schon immer eine Besonderheit darstellte. Und warum er sich bis auf den heutigen Tag seinen exklusiven Ruf bewahren konnte.
Als Kreuzungspunkt der wichtigsten europäischen Fernhandelswege war in der Stadt in Mittelfranken schon vor über 600 Jahren die Importgrundlage für exotische Gewürze wie Zimt, Kardamom, Ingwer sowie Feigen oder Nüsse geschaffen. Hinzu kam der extreme Honigreichtum der Region, sagt Matthias Murko. Insbesondere der Nürnberger Reichswald lieferte den süßen Rohstoff reichlich. Der Lebkuchen aus Nürnberg wurde dank dieses Inhaltsreichtums und ausgefeilter Rezepturen immer beliebter.
Prinzipiell konnte jedermann in Nürnberg seine eigenen Lebkuchen herstellen. Gab es keinen Backofen, wurde der rohe Teig zum Bäcker gebracht und dort fertiggestellt. Erst gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges bildete sich mit den Lebküchnern ein eigenständiges Handwerk heraus, das immer darauf bedacht war, dass die geheimen Rezepturen für die Lebkuchen auch ein Geheimnis blieben.
Große Mengen dank Dampfmaschinen
Ende des 17. Jahrhunderts betätigten sich verstärkt auch die Bäcker, nicht nur die Lebküchner, als Lebkuchenbäcker. Wobei natürlich jeder sein eigenes Rezept hatte, auf das er schwor. Mit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert erleichterte der Einsatz der Dampfmaschine auch die Lebkuchenproduktion. Der Teig musste dank des maschinellen Einsatzes nicht mehr von Hand mit schweren Holzlöffeln angerührt werden, die Produktionszahlen stiegen entsprechend. Und selbst mit der Verpackung der Lebkuchen konnte Geld verdient werden. Ursprünglich nur in Papier eingepackt, setzten sich mehr und mehr Blechdosen zur Aufbewahrung des süßen Gebäcks durch. „Da entstand eine richtig eigenständige Blechindustrie in Nürnberg“, erzählt Matthias Murko und zeigt in einer kleinen Ausstel-lung seines Museums eine Auswahl von Blechdosen mit Nürnberger Stadtmotiven.
Begriff gesetzlich geschützt
Die Einzigartigkeit der Nürnberger Lebkuchen hat sich trotz aller Industrialisierung bis auf den heutigen Tag erhalten. Damit das so bleibt, haben sich die Nürnberger den Begriff des Nürnberger Lebkuchens auch gesetzlich schützen lassen. Heißt: Es dürfen ausschließlich solche Lebkuchen als „Nürnberger Lebkuchen“ angeboten werden, die auf dem Gebiet der Stadt hergestellt wurden.
Was das Geschäft mit Lebkuchen generell betrifft: Fast zwei Drittel aller deutschen Lebkuchen stammen aus dem Freistaat. Nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Statistik haben die 13 bayerischen Betriebe mit 20 oder mehr Beschäftigten im vergangenen Jahr insgesamt 47 091 Tonnen Leb- oder Honigkuchen produziert. Was so viel heißt wie: 64,2 Prozent aller in Deutschland produzierten Lebkuchen sind in Bayern hergestellt worden. Lebkuchen bleiben damit mit einem Anteil von 65,5 Prozent die in Bayern meistproduzierten Dauerbackwaren. Und drei der industriellen Lebkuchenbetriebe mit mehr als 20 Beschäftigten sind in Nürnberg beheimatet
Aber das klingt für die saftige Süßigkeit fast schon zu trocken. Matthias Murko stellt die Einzigartigkeit dieser Nürnberger Spezialität seit dem Jahr 2001 in seinem Museum für Industriekultur in der Adventszeit mit einer kleinen Ausstellung und Backvorführungen besonders heraus. Er konnte für dieses besondere Museumsangebot mit Josef Buchner einen wahren Meister seines Fachs gewinnen. Der gelernte Bäckermeister arbeitete über 30 Jahre in der Lebkuchenherstellung der Firma Schmidt.
Im Foyer des Museums wirft er zu vorgegebenen Zeiten seinen Backofen an und lässt sich bei der Produktion der beliebten Elisenlebkuchen gern über die Schulter schauen. Da wird der angerührte Teig auf Oblaten gelöffelt, fein verstrichen, mit Mandeln verziert, um hernach in der breiten Öffnung des Backofens zu verschwinden. Etwa 15 Minuten bei 180 Grad – und fertig ist der original Nürnberger Elisenlebkuchen. Noch handwarm schmeckt das gute Stück einfach genial.
Aber nicht unbedingt für Josef Buchner. Der bekennt, dass er nach Jahrzehnten in der Lebkuckenbäckerei inzwischen nicht mehr so sehr auf Süßes steht. „Eine Nürnberger Stadtwurst ist mir da schon lieber.“ Insbesondere bei Kindern dürfte das eher auf Unverständnis stoßen. Für die Besucher gehört der dampfende honigsüße Elisenlebkuchen freilich immer noch zur Adventszeit dazu.
Das Museum Industriekultur
Führung und Vorführung: Wer mehr über die Geschichte des Nürnberger Traditionsgebäcks erfahren möchte und wissen will, wie der Lebkuchen gebacken wird, dem sei ein Besuch im Museum Industriekultur, Äußere Sulzbacher Straße 62, in Nürnberg empfohlen. Im Dezember präsentiert eine kleine Ausstellung dort historische Teigmaschinen und Lebkuchendosen. An den Adventssonntagen 10. und 17. Dezember finden dort jeweils von 13 bis 17 Uhr Backvorführungen statt. Und um 15 Uhr gibt es Führungen zur Entstehung des Nürnberger Lebkuchens unter dem Titel „Honig, Nuss und Mandelkern“.
Geöffnet hat das Museum Dienstag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr. Am zweiten Weihnachtsfeiertag und an Silvester ist von 10 bis 18 Uhr geöffnet, an Neujahr von 13 bis 18 Uhr.
Eintritt: 6 Euro, ermäßigt 1,50 Euro, plus 3 Euro für die speziellen Lebkuchenführungen. Für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre sind die Führungen frei.
Infos: museen.nuernberg.de