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WÜRZBURG
Warum das Urheberrecht alle betrifft
Urheberrecht       -  Symbolbild
Foto: dpa | Symbolbild
Von unserem Redaktionsmitglied Catharina Hettiger
 |  aktualisiert: 19.10.2020 09:35 Uhr

Es war keine leichte Kost, die die Piratenpartei Deutschland ihren Mitgliedern und Interessierten in Würzburg bot: drei Stunden geballte Information zum Urheber- und Leistungsschutzrecht. Und doch hatten über drei Dutzend Zuhörer den Weg ins Congress Centrum gefunden, um sich zu eben diesen Themen auf den neuesten Stand bringen zu lassen.

„Urheberrecht ist unendlich trocken“ – auch Bruno Kramm ist bewusst, dass der Gegenstand seines Vortrags vielen zu abstrakt, zu komplex erscheinen könnte. Der 44-Jährige, der als Bundesbeauftragter der Piratenpartei Deutschland für das Thema Urheberrecht unterwegs ist, wirkt trotzdem bestens motiviert. Er möchte an diesem Abend Wissen zu einem Thema vermitteln, das er sowohl aus Politiker- als auch aus Urhebersicht kennt: Kramm ist nicht nur Pirat, sondern auch Musiker und Produzent und betreibt seit 20 Jahren eine eigene Plattenfirma.

Das Publikum besteht zum größten Teil aus unterfränkischen Piraten; die Veranstaltung ist auch als Fortbildung für die Basis gedacht. Die Parteimitglieder dürften, wenn sie zum Thema Urheberrecht befragt würden, nicht aus Unwissenheit „Hämmer rausbringen“, so Kramm. Schließlich wollen die Piraten das Urheberrecht für das Internetzeitalter reformieren – und wer von der Öffentlichkeit ernst genommen werden möchte, braucht fundiertes Wissen.

In dem Zusammenhang würde Kramm gern „mit einigen Mythen aufräumen“: Es gehe seiner Partei nicht darum, das Urheberrecht abzuschaffen, betont er. Auch Plattenfirmen und andere Verwerter sollten nicht abgeschafft werden – geschweige denn, dass man Künstler dazu aufriefe, ihre Werke umsonst ins Netz zu stellen.

„Das Urheberrecht ist ein sehr piratiges Thema“, sagt Kramm. „Jahrzehntelang hat es in Schubladen geschlummert; niemand musste sich darum kümmern.“ Die technische Entwicklung, vor allem die digitale Revolution und das Internet aber brächten Veränderungen mit sich, die zu einem Marktversagen alter Geschäftsmodelle führten und es nötig machten, die bestehenden Gesetze anzupassen. Die Liste der Themen, die der 44-Jährige in seinem Vortrag streift, ist lang: vom heftig umstrittenen und schließlich gescheiterten Anti-Piraterie-Abkommen ACTA („mit unseren Demos haben wir ACTA gekippt“) über Kritik an Verwertungsgesellschaften wie der GEMA bis hin zur Bedeutung des „Filesharing“ (engl. für „Dateien teilen“) und der Kritik an den damit verbundenen gängigen Abmahnungen von Nutzern.

Was Kramms Vortrag klarmacht: Viele Entscheidungen rund ums Urheberrecht betreffen den Alltag eines jeden, laufen aber im Hintergrund ab, sodass sie von einem Großteil der Öffentlichkeit gar nicht wahrgenommen werden. So dürften zum Beispiel nur wenige von der seit Juli in Kraft getretenen Tarifreform der ZPÜ (Zentralstelle für private Überspielrechte) für Speicherkarten und USB-Sticks etwas mitbekommen haben. Für Speichermedien wie CD-Rohlinge, Digitalkameras, Smartphones – und eben auch Speicherkarten und USB-Sticks, die man als Verbraucher in Deutschland erwirbt, ist eine Urheberrechtsabgabe fällig, die von der ZPÜ erhoben und auf den Kaufpreis angerechnet wird.

Bisher betrug die Abgabe zehn Cent pro Stick oder Karte, nun sind die Gebührensätze drastisch gestiegen: Für eine Speicherkarte mit mehr als vier Gigabyte etwa ist eine Abgabe von 1,95 Euro fällig – und das ohne jegliche Begründung seitens der ZPÜ, wie das Online-Nachrichtenportal heise.de berichtet. Insgesamt belaufen sich die ZPÜ-Abgaben für verschiedene Geräte in einem Vier-Personen-Haushalt laut Branchenverband Bitkom auf durchschnittlich 387 Euro im Jahr – das sind acht Euro pro Kopf im Monat.

Aufklärung der Bevölkerung zum Thema Urheberrecht scheint nötig – Kramm appelliert dabei an die Parteimitglieder, beim Erklären von Sachverhalten „nicht hochnäsig“ zu sein. „Lasst uns weniger technokratisch argumentieren.“

Auch beim zweiten Thema des Abends, dem Leistungsschutzrecht für Presseverlage, besteht bei vielen Zuhörern Aufklärungsbedarf. Michael Renner, stellvertretender Chefredakteur der „Flaschenpost“ (Onlinemagazin der Piratenpartei), bezeichnet es in seinem Vortrag als „Internet-GEZ“ für Verlage. Eine Änderung des Urheberrechts soll Nachrichtenhäppchen im Netz, sogenannte Snippets, zur Einnahmequelle für Presseverleger machen. Die Befürworter sehen Verlage durch große „Nachrichtensammler“ wie Google News geschädigt und verlangen einen Teil deren Einnahmen als Ausgleich. Kritiker aber sehen dadurch die Informationsfreiheit bedroht, so Renner. Am Freitag hat das Bundesjustizministerium einen neuen Entwurf für das Leistungsschutzrecht vorgelegt; wann das Gesetz im Kabinett verabschiedet werden soll, steht noch nicht fest.

Forderungen der Piraten zum Urheberrecht

Die Piratenpartei fordert eine Reform des deutschen Urheberrechts. Hier einige Kernpunkte.

Schutzfristen für urheberrechtlich geschützte Werke soll es nach dem Willen der Piraten bis maximal zehn Jahre nach dem Tod eines Urhebers geben. Im Augenblick gelten Schutzfristen von 70 Jahren. Dies führe dazu, dass etwa 90 Prozent aller kulturellen Schöpfungen (wie Bücher, Filme, Musikstücke, Bilder) nicht kommerziell verfügbar seien, so Bruno Kramm, Urheberrechtsexperte der Piraten. Der Grund: Vier bis acht Jahre nach seiner Veröffentlichung habe ein Werk seinen Höhepunkt erreicht – danach lohnten weitere Veröffentlichungen meist nicht, weshalb vieles vom Markt verschwinde.

Legalisierung von Filesharing: Als Filesharing bezeichnet man das direkte Weitergeben von Dateien zwischen Internetnutzern über ein Filesharing-Netzwerk. Dort werden Dateien von Nutzern sowohl heruntergeladen als auch gleichzeitig an andere Netzwerkteilnehmer hochgeladen. Viele in Tauschbörsen angebotene Musikdateien und Filme sind urheberrechtlich geschützt, was das Kopieren und Weitergeben strafbar macht. Die Piraten dagegen sehen Filesharing angesichts der heutigen Angebotsflut als wichtige Auswahlhilfe beim Kauf von Produkten.

Beschränkung von Abmahnungen: Die Piraten kritisieren kostenpflichtige Abmahnungen von Privatpersonen wegen Urheberrechtsverletzungen, da hiervon vor allem Anwälte und Rechteverwerter profitierten. Vor einer Abmahnung sollte der Nutzer bei einfachen Verletzungen einen nicht kostenpflichtigen Hinweis erhalten, so die Forderung der Piraten. Abschaffung des „fliegenden Gerichtsstands“, nachdem bei Urheberrechtsverletzungen das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk diese begangen wurden. Bei Internetdelikten kann das überall sein – weswegen sich der Kläger sein Gericht aussuchen darf.

 
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