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WÜRZBURG
Basisdemokratie in Würzburg
Zugegeben: Dass bei einem Kongress ein Redner krank ist, kann immer passieren. Aber es passt ins Bild, dass ausgerechnet beim ersten medienpolitischen Kongress der Piratenpartei Deutschland gleich zwei der vier Redner nicht da waren – einer war krank, der andere hatte private Gründe.
Piraten unter sich: Maximilian Winkler (links), politischer Geschäftsführer der Piraten Unterfranken, und Bruno Kramm, der bayerische Spitzenkandidat. S. Schmitt
Foto: Foto: | Piraten unter sich: Maximilian Winkler (links), politischer Geschäftsführer der Piraten Unterfranken, und Bruno Kramm, der bayerische Spitzenkandidat. S. Schmitt
Von unserem Redaktionsmitglied Sara Sophie Schmitt
 |  aktualisiert: 25.03.2013 10:49 Uhr
Immerhin, rund 30 Mitglieder der Piratenpartei aus ganz Deutschland haben sich am Samstag im Würzburger Congress Centrum versammelt mit dem Ziel, gemeinsame, medienpolitische Positionen für die Bundestagswahl festzulegen, um darüber auf dem nächsten Bundesparteitag abstimmen zu können. Zentrales Thema dabei war die bisherige Gebühreneinzugszentrale (GEZ) beziehungsweise die neue Regelung der Rundfunkgebühren durch eine Haushaltsabgabe sowie die Änderungen, die sich daraus ergeben.

Gibt es da nicht wichtigere Themen? Die immer weiter auseinandergehende soziale Schere zum Beispiel, die Eurokrise oder die Bildungspolitik? Auch dazu hätten die Piraten inzwischen klare Positionen festgelegt. Doch das Thema Rundfunkgebühr sei eines, zu dem noch keine andere Partei ein Programm festgelegt habe, sagt Maximilian Winkler, Geschäftsführer der Piratenpartei Unterfranken.

„Ein echter Klopper“, so bezeichnet Jens Seipenbusch, ehemaliger Bundesvorsitzender der Partei, die neue Regelung der Rundfunkgebühr. „Das ist wirklich gefährlich, was da stattfindet“, sagt auch der bayerische Spitzenkandidat der Piratenpartei Bruno Kramm. Sie erregt dabei vor allem eines: Dass sich durch die neue Art der Erfassung ihrer Ansicht nach ein zweites Melderegister ergibt. Eine so große Sammlung Daten dieser Art sei auf Dauer nicht zu schützen, sagt Seipenbusch.

Und schon sind die Piraten mittendrin in einem ihrer Lieblingsthemen: Datenschutz. Natürlich sind dann auch die weiteren Kernthemen nicht weit: Bürgerbeteiligung und Transparenz zum Beispiel. So wird auf dem Kongress auch die Intransparenz dieser Datenerhebung und die fehlende Mitbestimmung der Bürger heftig kritisiert. Die Piraten bleiben auch bei der Diskussion über die neue Rundfunkgebühr ihren Themen und ihrer „Dagegen-Haltung“ treu. Sie sind sich zwar grundsätzlich einig: Eine Haushaltsabgabe sei nicht falsch – sie solle nur fair, transparent und demokratisch genutzt werden. Das bisherige Modell sehen sie aber als „großen Mist“, wie es Seipenbusch auf den Punkt bringt.

Aber es scheint, die Piraten wollen nicht immer nur dagegen sein. „Wir wollen keine Fundamentalopposition, wir wollen konstruktiv sein“, so Seipenbusch. Deswegen werden auf dem medienpolitischen Kongress auch Vorschläge diskutiert. Ganz basisdemokratisch so lange, bis jeder, der etwas zu sagen hat, seine Meinung losgeworden ist. Und ganz wie es sich für eine Netzpartei gehört, darf natürlich auch im Netz mitdiskutiert werden. Dabei kommen sie vom Hundertstel in Tausendstel. Sätze wie „Ich guck schon lange und viel Fernsehen“ oder „Was ist mit den Leuten, die nachts arbeiten müssen“ fallen. Irgendwann geht es nicht mehr um die Rundfunkgebühr, sondern darum, dass viele Fernsehsender Inhalte wiederholen. In einem Schulaussatz würde unter solchen Beiträgen stehen: Thema verfehlt!

Nicht bei der Piratenpartei. „Wir sind die Partei der Partizipation“ sagt Spitzenkandidat Kramm. Wenn jeder seine Meinung sagen dürfe, komme da auch manchmal Blödsinn bei raus. Doch auf diese Weise würden gemeinsam tragfähige Vorschläge erarbeitet. Das ist auch der Plan für diesen medienpolitischen Kongress – gemeinsame Positionen erarbeiten. Die einzelnen Vorschläge der Landesverbände zu bündeln. „Wir wollen nicht nur das regionale Klein-Klein, sondern eine einheitliche Position“, sagt Kramm. Doch basisdemokratische Arbeit braucht Zeit. Viel Zeit. Das im Programm vorgeschriebene Zeitfenster für die Diskussion ist schon längst überschritten, als der letzte Pirat seine Meinung kundtut.

Dann gibt es eine Pause. Endlich, scheint man in den Gesichtern der Kongressteilnehmer ablesen zu können. Ein sechsköpfiges Team um Bruno Kramm macht weiter. Sie fassen noch schnell die wichtigsten Positionen der Diskussion zusammen. Am Ende des Tages haben die Piraten einige Ansätze und Forderungen festgelegt, die zukünftig in Anträge aufgenommen werden sollen. Nichts Konkretes also. Keine gemeinsamen, medienpolitischen Positionen für die Bundestagswahlen. Und auch das passt irgendwie ins Bild.
 

Die Vorschläge der Piraten

Auf folgende Positionen bei der Rundfunkgebühr hat sich die Piratenpartei geeinigt.

Datenschutz: Eine Rundfunkgebühr soll, wie die Kirchensteuer, über die Finanzämter eingezogen werden. So wäre keine zusätzliche Datenerfassung notwendig.

Finanzierung: Die Finanzierung soll transparent, preisgünstig und steuerähnlich geschehen. Ein Beitrag von weniger als zehn Euro pro steuerpflichtigem Arbeitnehmer könnte eine Richtlinie sein.

Organisationsform (Kontrollorgane): Kontrollorgane müssen partei-, markt- und staatsfern gestaltet werden. Die Mitglieder sollen gewählt werden.

Programminhalt: Eine Trennung zwischen Produktion und Sendung ist anzustreben.

Fernseh- und Rundfunkräte: Die Mitglieder könnten wählbar werden, beispielsweise parallel zur Landtagswahl. So würde der Einfluss der Politik eingeschränkt.

Internet: Es soll möglich sein, Inhalte unbegrenzt abzurufen. Da die Inhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemeinsam finanziert werden, müssen sie Gemeingut-Charakter haben. Text: sas
 

  • Mehr zum Thema: Der bayerische Spitzenkandidat Bruno Kramm äußert sich im Interview zur Lage der Piraten und verrät,weshalb es die Partei trotz derzeit niedriger Umfragewerte in den Bundestag einziehen wird.
 
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