Alles begann mit dem „Briefkasten an der Datenautobahn“. So umschrieb das Schweinfurter Tagblatt am 15. September 1995 die Tatsache, dass die Redaktion nun über eine E-Mail-Adresse verfüge. Eine für alle, wohlgemerkt. Bis jeder Mitarbeiter der Mediengruppe Main-Post per Mail erreichbar sein würde, sollten noch weitere vier Jahre ins Land gehen.
Erste Versuche, auch Artikel und Bilder online zu publizieren, folgten zur Kommunalwahl im März 1996, als bereits am Sonntagabend die Ergebnisse der Kommunalwahl bekanntgegeben wurden. Damals noch unter der Adresse www.citynet.de.
Weltweit verfügbar
Ein halbes Jahr später, genau vor 20 Jahren, war es dann soweit. Auf der Seite 1 der Main-Post war zu lesen: „Seit der vergangenen Nacht ist diese Zeitung weltweit im Internet verfügbar.“ Den Zusatz „weltweit“ machte man damals noch, um die Bedeutung des Internet zu unterstreichen. Dass „im Internet“ verfügbar gleichbedeutend war mit „weltweit“ war vielen noch nicht geläufig. Main-Post „Newsline“ nannten die Macher ihren Internetauftritt, wohl auch um der Bleisatz-Tradition der gedruckten Zeitung einen moderneren Anstrich zu geben.
Im Leitartikel auf der Seite zwei prophezeite der damalige Projektleiter Martin Vogler, welche Veränderungen mit dem Internet einhergingen. Zur Beruhigung der Leserschaft verkündete er, dass der persönliche Kontakt wohl auch weiterhin offline stattfinden würde. Bis zu den sozialen Netzwerken um Facebook und Twitter würden ja auch noch neun Jahre vergehen.
Rückblick: Das Internet 1996
mainpost.de: Geboren im Silicon Valley
Geboren wurde die Idee für mainpost.de bereits zwei Jahre zuvor auf einer Reise des damaligen Main-Post Geschäftsführers, Dr. Reiner Esser (heute Geschäftsführer des Wochenblattes „Die Zeit“) und des ehemaligen Chefredakteurs und heutigen Main-Post-Geschäftsführers David Brandstätter. „Wir besuchten 1994 die San Jose Mercury News im Silicon Valley“, erzählt Brandstätter, „und erkannten sehr schnell, welches ungeheure Potenzial in dem neuen Medium steckt.“ Bereits damals habe man über eine elektronische Folie nachgedacht, auf der die Zeitung digital abgebildet werden könne. „1994 hätte niemand geglaubt, dass eine solche Datenmenge drahtlos übertragen werden kann. Aber wenn Sie sich die Main-Post-Ausgaben heute auf den Smartphones und Tablet-PCs anschauen, dann sind die Visionen Wirklichkeit geworden.“
Konnte das Internet das Image der Zeitung beschädigen?
Bis dahin stand aber ein ziemlich ereignisreicher Weg vor den digitalen Medien. „Bevor es überhaupt richtig losging, stritten wir lange darüber, unter welcher Marke das Angebot laufen würde.“ Das Internet litt unter einem gewissen Schmuddel-Image. „Manche Kollegen hatten die Sorge, dass wir das gute Ansehen der Main-Post mit dem Internetauftritt beschädigten“, betont Brandstätter. Viele andere Verlage hätten deswegen ihre Internet-Auftritte unter eigenen Namen an den Start gebracht. „Wir entschieden uns, die Webseite unter mainpost.de laufen zu lassen und auf unsere regionale Stärke zu setzen. Fast alle Verlage sind diesem Beispiel in den vergangenen Jahren gefolgt“, schmunzelt der damalige Chefredakteur.
Rückblick: Die Musik 1996
Und mit der Akzeptanz des neuen Mediums bei den Redakteuren war es auch nicht besonders bestellt. „Es war technisch kompliziert und erforderte einen gewissen Pioniergeist. Für uns Grund genug, neben der Redaktion eine eigene Online-Truppe ins Leben zu rufen, die maipost.de entwickeln und betreuen sollte.“
Berühmter Pionier
Einer der Pioniere war der damals 25-jährige Jura-Student Chan-jo Jun. Während Guido Westerwelle für die Wehrpflicht für Frauen stritt, Theo Waigel seinen Haushaltsentwurf vorlegte und in der Europäischen Union über Vertuschungen beim BSE-Skandal diskutiert wurde, gehörte Chan-jo Jun, heute Fachanwalt für IT-Recht in Würzburg, zur ersten Internetredaktion bei mainpost.de.
„Wahrscheinlich traute man mir zu, ‚www‘ zu buchstabieren“, stapelt Jun tief, der damals als freier Mitarbeiter bei der Main-Post sein Studium finanzierte und sich unterdessen auch gerne mal mit Facebook anlegt, damit das größte Netzwerk der Welt etwas gegen Hasskommentare unternimmt. Tatsächlich war er früh Mitglied der Gefökom, der Gesellschaft zur Förderung kommunikativer Medien, die sich seit 20 Jahren bereits für den Ausbau der Online-Netze in Mainfranken engagiert.
Damals war die Gefökom eine Gruppe technikbegeisterter junger Menschen, die sich für das neue Kommunikationsmedium interessierte und durchaus als Online-Pioniere bezeichnet werden können. „Freaks waren wir aber nicht“, schmunzelt Jun. Gemeinsam mit den Kollegen der Online-Projektgruppe musste er sich zunächst jede Menge technische Kompetenz „draufschaffen“. Überhaupt dominierte zu Beginn von mainpost.de vor allem der Umgang mit dem Computer und der Programmiersprache, dem Html.
Rückblick: ESC 1996
„Als Journalisten im klassischen Sinne arbeiteten wir gar nicht mehr.“ Eigentlich sei er Dienstleiter der Redaktion gewesen. Am Nachmittag wurden ausgewählte Artikel online gestellt und am Abend „kamen viele jüngere Kollegen vorbei und ließen sich das Internet erklären.“
Konkurrenz zur Main-Post
Etwa zur gleichen Zeit entwickelte eine Gruppe junger Studenten den Internetauftritt der Stadt Würzburg. Einer von ihnen, Gerhard Schneider, damals Informatikstudent und heute Geschäftsführer der Würzburger Fidion GmbH, erzählt: „Mit wuerzburg.de wollten wir in Konkurrenz zur Main-Post treten und das bessere Online-Angebot schaffen.“ Als Chan-jo Jun Schneider um Unterstützung bat, willigte dieser dennoch ein. Eine folgenreiche Begegnung.
Gerhard Schneider, genannt „fido“, war damals schon als Online-Pionier bekannt. Bereits in den frühen 90er-Jahren unterhielt er eine der größten Amiga-Mailboxen, über die gechattet und Datenausgetauscht werden konnte. „Ich war fasziniert von dem neuen Medium und glaubte damals bereits an das große Potenzial“, erzählt er. Mit einer Einschränkung allerdings: „Dass jeder Online-Nutzer mal so unkompliziert selbst Inhalte veröffentlichen kann, damit hätte ich damals nicht gerechnet.“, spielt Schneider auf die heute so erfolgreichen sozialen Medien wie Twitter und Facebook an.
Auch Schneider war in der Gefökom aktiv. „Das Engagement der Gefökom war sicher Grund dafür, dass Würzburg in Sachen Internet in den 90er-Jahren eine Vorreiterrolle einnahm“, betont der Informatiker. Der Verein und mit ihm Fido Schneider waren Mitte der 90er-Jahre zentraler Anlaufpunkt in Würzburg, für alle, die ins noch sehr junge Internet wollten. „Die großen Provider Telekom oder AOL kamen erst sehr viel später auf den Markt.“
Die Verbindung zur Main-Post wurde für Schneider sehr bald sehr eng. Aus dem Online-Angebot entwickelte sich eine eigene Firma, die Main Media GmbH, mit ihm als Geschäftsführer. „Damals machten wir alles, mainpost.de, main.de, wir verkauften Online-Zugänge, kümmerten uns um die Vermarktung der Angebote, erstellten Firmen-Webseiten und programmierten.“ Zuviel für das junge Unternehmen. „Wir verzettelten uns irgendwann und haben dann die einzelnen Bereiche voneinander getrennt“, berichtet Schneider.
Rückblick: NZZ erklärt 1996 das Internet
Redaktion und Vermarktung übernahm wieder die Main-Post. Schneider konzentrierte sich darauf, die technische Plattform für Zeitungsverlage im Internet zu programmieren und entwickelte ein sogenanntes Contentmanagementsystem, mit dem große Internetangebote gesteuert werden.
„Das war damals die absolut richtige Entscheidung“ beton Schneider heute. Das Redaktionssystem, auf dem anfangs nur mainpost.de lief, wird heute bei vielen Online-Angeboten verschiedener Tageszeitungen eingesetzt.
Erfolgreichstes Angebot Unterfrankens
Und heute? Mainpost.de gehört mit rund 2,3 Millionen Besuchen und etwa 25 Millionen Seitenaufrufen zu den erfolgreichsten regionalen Angeboten in Deutschland. „Mainpost.de und die Digitalisierung unserer Informationen bieten uns heute vor allem viele Chancen“, betont David Brandstätter. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir unsere wertvollen und teuer erstellten Inhalte – wir geben dafür immerhin rund 17 Millionen Euro im Jahr aus – noch besser verkaufen können. Darüber hinaus schaffen unsere digitalen Angebote gemeinsam mit der gedruckten Auflage eine Reichweite, die die Main-Post nie zuvor in ihrer Geschichte hatte. Und schließlich erlauben uns die Smartphones und iPads regionale Nischenprodukte anzubieten, die wir gedruckt nur sehr schwierig realisieren könnten.“
„Heute müssen Medienangebot die individuellen Informationsbedürfnisse der Menschen befriedigen“, erläutert Peter Tischler, Gesamtleiter Digital, der seit 2002 die Online-Angebote der Main-Post verantwortet. Wer mit dem Smartphone seine Nachrichten liest, will nicht mehr bis abends warten, bis er aktuelle Meldungen erhält.“ Zudem wollen die Menschen nicht lange nach relevanten Informationen suchen“, so Tischler, „wir müssen in der Lage sein, ihnen auf den ersten Blick alles für sie Wichtige zu liefern.“ Wobei, und das ist sicher ein fundamentaler Unterschied zur vordigitalen Zeit, es nicht mehr die Journalisten sein müssen, die entscheiden, was relevant ist. In den sozialen Netzwerken sind das oft die Freunde oder das eigene Interessenprofil. „Wir arbeiten deswegen daran, jedem Besucher von mainpost.de nur die Nachrichten anzubieten, die ihn auch wirklich interessieren“, betont Tischler.