Unternehmen wie Facebook, YouTube oder Twitter gehen mittlerweile engagierter als noch vor einem Jahr gegen Hasskriminalität auf ihren Plattformen vor. Justizminister Heiko Maas (SPD) reicht das nicht, er fordert mehr Konsequenz beim Löschen von Beiträgen, die gegen Gesetze verstoßen. Mittelfristig seien auch rechtliche Auflagen denkbar. „Die Politik reagiert so zahm, mir geht das alles viel zu langsam“, sagt derweil der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun, der Facebook unter anderem wegen Gewaltdarstellungen und Volksverhetzung angezeigt hat.
Die Internet-Unternehmen hatten Maas bei der Gründung einer „Task Force“ im Dezember zugesagt, die ihnen gemeldeten und nach deutschem Recht strafbaren Posts innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Die Organisation „jugendschutz.net“ zog jetzt im Auftrag der Bundesregierung Bilanz: Bei einem Test im August wurden den Anbietern über 620 Fälle von Hetze gegen Flüchtlinge, Holocaust-Leugnung oder Bildern von abgeschlagenen Köpfen gemeldet. Am Ende waren bei YouTube 98, bei Facebook 91 und bei Twitter 82 Prozent der Beiträge gelöscht oder gesperrt, gut die Hälfte in der 24-Stunden-Frist.
Von den gemeldeten Inhalten werden maxial 46 Prozent gelöscht
„Eine gute Entwicklung“, sagt Maas. Offenbar seien die Unternehmen in der Lage, gesetzestreu zu handeln. Das Ergebnis hat allerdings einen Haken: Die meisten Posts nahmen Facebook und Co. erst dann vom Netz, nachdem sich „jugendschutz.net“ als sogenannter „privilegierter Nutzer“ über ein spezielles Formular gemeldet hatte. Zuvor, als sich die Jugendschützer mit dem Melde-Button für „Otto Normalnutzer“ beschwerten, fielen die Reaktionen deutlich verhaltener aus. Maas: „Von den strafbaren Inhalten, die Nutzer melden, löscht Twitter demnach gerade mal ein, YouTube zehn und Facebook 46 Prozent. Das ist zu wenig.“
„Da fühlt man sich veräppelt.“ Staatssekretär Gerd Billen, der Justizstaatssekretär, fand bei einer Diskussionsveranstaltung vor 150 Experten deutlichere Worte. Die Vertreter von YouTube und Facebook entschuldigten sich, Richard Allan, Manager bei Facebook Europa, bekannte, man habe Fehler gemacht. Er erklärte den guten Willen, sich an die deutschen Gesetze zu halten, beschrieb aber auch Schwierigkeiten. Sprachliche Hetze sei eben nicht so leicht zu identifizieren wie Pornografie. Auf Forderungen, Facebook solle selbst Zahlen zu inkriminierten Inhalten veröffentlichen und seine Entscheidungskriterien transparent machen, ging Allan nicht ein.
Prinzip Freiwilligkeit soll weiter verfolgt werden
Er propagierte vor allem die sogenannte „Counter Speech“: Nach dem Prinzip Rede und Gegenrede soll sich das Netz selbst regulieren. Ob das reicht, von Hass geprägte „digitale Parallelgesellschaften“ zu verhindern, wie sie der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zwick ausgemacht hat? Minister Maas will jedenfalls zunächst den „Weg der Selbstverpflichtung“ weitergehen.
Sollten die Löschquoten allerdings bis zum Frühjahr nicht steigen, behalte er sich gesetzliche Auflagen vor. Denkbar sei, dass Facebook und Co. dann regelmäßig detaillierte Berichte vorlegen müssen, wie sie der Kriminalität im Netz begegnen. Wer mit sozialen Netzwerken Geld verdiene, habe auch eine gesellschaftliche Verantwortung, dass seine Dienste nicht zur Verbreitung von „strafbarem Hass, Rassismus, Antisemitismus oder islamistischen Terrorfantasien missbraucht werden“.
Anwalt Jun, in Berlin als Zuhörer dabei, setzt derweil auf die Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft. „Ein Urteil mit einer Bewährungsauflage, die Facebook-Manager verpflichtet, mehr als bisher gegen die Hetze zu tun, hilft sicher mehr als warme Worte.“ Bestärkt fühlt sich Jun durch den bayerischen Justizminister. Winfried Bausback (CSU) will sich mit Hinweis auf die Unabhängigkeit der Justiz zwar nicht zur Anzeige von Jun äußern. Aber auch er fordert „rechtliche Hebel“ gegen Unternehmen wie Facebook. Nur Gespräche zu führen wie Maas reiche nicht aus.