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WÜRZBURG
Wie Unwetter so manchem Bauern die Ernte verhagelt
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:48 Uhr

Michael Stolzenberger hat es gehörig die gute Laune verhagelt. Und nicht nur die, sondern auch seine ganze Erdbeerernte. Anfang der Woche bohrten sich spitze Hagelkörner – fast so groß wie die Erdbeeren selbst – in die süßen Früchtchen seines Biohofes.„Die Erdbeerfrüchte sind sehr empfindlich. Wenn sie angeschlagen sind, beginnen sie sofort zu faulen“, sagt der Landwirt. Doch damit nicht genug. Auch seine Kürbisse, Möhren, rote Beete und Sellerie haben Treffer abgekriegt. Er ist nicht der einzige Betroffene.


Hagelkörner so groß wie Golfbälle

Hagel       -  Hagelschäden auf einem Zuckerrübenfeld in Langensteinach.
Foto: Ewald Geißendörfer | Hagelschäden auf einem Zuckerrübenfeld in Langensteinach.

Eine Gewitterfront fegte am Montag mit sintflutartigem Regen und Hagel über Franken hinweg. Besonders

hart traf es den südlichen Landkreis Würzburg zwischen Riedenheim und Röttingen, aber auch Lohr und Karlstadt. Im mittelfränkischen Uffenheim kamen golfballgroße Hagelkörner herunter. Der ehemalige Landwirt Ewald Geißendörfer dokumentierte dort am Dienstag zerstörte Mais-, Zuckerrüben-, und Sojafelder. Besonders schlimm sehen die Felder im Uffenheimer Ortsteil Langensteinach aus.

Auch die Region Schweinfurt litt am vergangenen Wochenende unter Starkregen. Die schweren Unwetter hatten hunderte von Feuerwehreinsätzen ausgelöst.

Hagel       -  Hagelschäden auf einem Maisfeld in Langensteinach.
Foto: Ewald Geißendörfer | Hagelschäden auf einem Maisfeld in Langensteinach.

Biobauer Stolzenberger rechnet mit bis zu 70 Prozent Verlust bei seiner Erdbeerernte. Da die Erdbeeren

heuer früher dran sind, hat er etwa 30 Prozent bereits vor dem Hagel geerntet. Doch im Gegensatz zu anderen Bauern, deren Erdbeeren – im Tunnel angebaut – noch schneller reifen und daher die ersten auf dem Markt sind, werden seine Erdbeeren im Freilandanbau später geerntet. Doch das verlorene Geld ist nicht das Schlimmste. Denn der Landwirt ist gegen Hagel versichert. Viel schwerer wiegt, dass er seine Kunden nicht beliefern kann. „Sie holen sich jetzt ihre Erdbeeren woanders“.

Wie Versicherungen den Schaden schätzen

In dem Moment, in dem er am Telefon über die Ernteschäden spricht, laufen Schätzer der Versicherung „Vereinigte Hagel“ über seine Erdbeerfelder. Sie zählen etwa alle 50 Meter an einer Stelle exemplarisch 20 Pflanzen aus. „Sind von insgesamt 120 ausgezählten Früchten 110 angeschlagen und zehn noch verwertbar, wird daraus eine Quote errechnet, wie hoch der Landwirt entschädigt wird“, erklärt Jürgen Sack. Er ist einer der Außendienstler der Versicherung. Nebenbei ist er auch selbst Landwirt. Seine eigenen Biorüben in Messelhausen, einem Ortsteil von Lauda-Königshofen (Main-Tauber-Kreis), wurden bereits Ende Mai von Hagelschlag erwischt.

Die Ernteverluste am Acker werden von den Schätzern je nach Schaden und angebauter Pflanze unterschiedlich ausgezählt. Manche Pflanzen werden daraufhin begutachtet, wie viele Blätter sie verloren haben oder wie viel des Fruchtkörpers kaputt ist. Bei den empfindlichen Erdbeeren ist das Ergebnis eindeutig: Ein Treffer genügt zum Verfaulen.

Hagel       -  Hagelschäden auf einem Weizenfeld in Langensteinach.
Foto: Ewald Geißendörfer | Hagelschäden auf einem Weizenfeld in Langensteinach.

Hagel gibt es jedes Jahr. Doch eines ist heuer anders, so Obstbauberater Thomas Riehl vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Kitzingen: So viele Hagelereignisse innerhalb von nur drei Wochen und dann auch noch so früh. Normalerweise hagele es vereinzelt im schwül-warmem Hochsommer im Juli oder August. Deshalb sei die Erdbeerernte in der Regel nicht betroffen. Und noch etwas anderes findet der Obstbauberater beängstigend: dass die Wetterextreme auch hier in Franken zunehmen. „Die ganze Obstproduktion bewegt sich in den vergangenen 20 Jahren in Richtung Witterungsschutz, weil die Extreme zunehmen. Die größten Gefahren sind Spätfröste, Sonnenbrand, Hagel und Starkregen. Das betrifft alle Obstsorten, von den Zwetschgen bis zu den Äpfeln.“

So viel kostet der Schutz der Früchte

Sieben bis acht große Apfelbauern in Unterfranken spannen Hagelnetze, bestehend aus großen Holzkonstruktionen bespannt mit Kunststoffnetzen schützend über ihre Äpfel. Kosten: 15 bis 20 000 Euro pro Hektar. „Die Netze schützen auch vor Sonnenbrand an den Früchten, den die Bauern vor 20 Jahren noch gar nicht kannten“, so Riehl. Klettert die Temperatur auf über 30 Grad im Schatten, sinkt die Fruchthaut ein und verbrennt.

Das andere Extrem sind anhaltender Starkregen oder Spätfrost. Über manchen Feldern sollen deshalb Foliendächer über den Kirschen verhindern, dass die runden Früchte bei Starkregen platzen. Windräder wirbeln bei einigen Apfelbauern in Frostnächten Warmluft aus den oberen Luftschichten nach unten in den Blütenbereich der Bäume. Ein Windrad, das fünf bis sechs Hektar schützt, kostet etwa 30 000 Euro.

Doch für die Erdbeerfelder des Biobauern Stolzenberger lohnen sich die Hagelnetze nicht. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als den Ernteschaden gelassen hinzunehmen: „Die Natur gibt uns sehr viel, sie kann uns aber auch viel nehmen. In jedem Fall behält sie die Oberhand.“

Klimamodelle für Unterfrankens Bauern, Winzer und Förster

Hitze und Trockenheit, häufigere Gewitter und starke Wolkenbrüche sind nur einige der Auswirkungen des Klimawandels, sind sich Wissenschaftler der Universität Würzburg sicher. Die Wetterextreme stellen Land- und Forstwirte, Wein-, Gemüse und Obstbauern in Unterfranken vor die Frage, wie sie ihren Betrieb langfristig am besten ausrichten.

Eignen sich künftig manche Weinbergsparzellen nur noch für Rebsorten, die mit extremer Trockenheit zurechtkommen? Müssen Bauern in Bewässerungsanlagen investieren? Wo legen sie am besten ihre Obstplantagen an? Wird der Anbau bestimmter Pflanzen oder Bäume auf manchen Flächen irgendwann nicht mehr möglich sein?

Antworten auf diese Fragen erwarten 16 unterfränkische Unternehmen, die sich in einem Kooperationsprojekt namens BigDate@Geo mit der Universität Würzburg (JMU) zusammengetan haben. Informatikprofessor Andreas Hotho, Geografieprofessor Roland Baumhauer und Klimaspezialist Heiko Paeth wollen mit ihren Mitarbeitern Klima- und Umweltdaten verständlich für die unterfränkische Land- und Forstwirtschaft aufbereiten.

Mit den aktuell verfügbaren Klimadaten lasse sich Unterfranken nur unzureichend abbilden, so Paeth. Da sei es schon schwierig, Steigerwald, Rhön und Spessart vernünftig zu erkennen. Gängig seien Flächenraster mit 100 Kilometer Auflösung. Ferner bestehen die Klimamodelle aus riesigen Datensätzen auf Servern weltweit – vom handelsüblichen PC zuhause also kaum zu nutzen. Die Wissenschaftler wollen die Ergebnisse des Klimamodells so aufbereiten, dass sie den fränkischen Bauern, Winzern und Förstern bei ihren Entscheidungen in der Gegenwart und Zukunft helfen. „Hier geht es nicht um eine Wettervorhersage, sondern um eine langfristige Klimaprojektion für die Land- und Forstwirtschaft, ausgerichtet auf Unterfranken mit einem Kilometer Auflösung“, so der Professor. 

Die Europäische Union fördert das auf vier Jahre ausgelegte Projekt mit 1,9 Millionen Euro. Die gleiche Summe steuert die JMU bei. Ziel ist eine öffentliche kostenfreie Internetseite mit Karten, Zeitreihen, Diagrammen.

Hagelkörner vernichteten Anfang der Woche die Erdbeerernte von Biobauer Michael Stolzenberger in Bütthard-Oesfeld.
Foto: Michael Stolzenberger | Hagelkörner vernichteten Anfang der Woche die Erdbeerernte von Biobauer Michael Stolzenberger in Bütthard-Oesfeld.
Hagel       -  Hagelschäden auf einem Soja-Feld in Langensteinach.
Foto: Ewald Geißendörfer | Hagelschäden auf einem Soja-Feld in Langensteinach.
 
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