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WÜRZBURG/GOSSMANNSDORF
Unwetter im Raum Würzburg: Anwohner retteten sich aus Fenster
Am Sonntagabend haben schwere Regenfälle im Raum Würzburg Schäden angerichtet. Bäume wurden umgerissen, Keller liefen voll.
Winterhausen       -  Aufräumarbeiten: Am Tag nach dem Unwetter in Winterhausen (Lkr. Würzburg).
Foto: Roland Schmitt-Raiser | Aufräumarbeiten: Am Tag nach dem Unwetter in Winterhausen (Lkr. Würzburg).
Ludwig Sanhüter
,  Christine Jeske
 und  Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:50 Uhr

Erdrutsche, verschlammte Straßen, voll gelaufene Keller, verzweifelte Anwohner: Das Unwetter am Sonntagabend hat vor allem im südlichen Landkreis Würzburg eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Es spielten sich zum Teil dramatische Szenen ab.

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Das Unwetter hatte die Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettungsdienst, Hilfsdiensten und der Polizei intensiv beschäftigt. In der Einsatzzentrale gingen rund 85 Notrufe aufgrund von Bränden, umgefallenen Bäumen, beschädigten Autos, vollgelaufenen Kellern und überschwemmten Straßen ein. Laut Polizeibericht wurde niemand verletzt.

Video: Berthold Diem

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Wohl am schlimmsten betroffen war Ochsenfurt mit seinen Stadtteilen. In dem 1000 Einwohner zählenden Goßmannsdorf wurde der Schafbach zum reißenden Fluss. Er fließt mitten durch den Altort und ist normalerweise ein knöcheltiefes Rinnsal.

Die Fluten stiegen bis an den Rand der Begrenzungsmauern an, wodurch der Bach an manchen Stellen plötzlich bis zu vier Meter tief war. Da der Bach aus den Feldern des Ochsenfurter Gaus nach Goßmannsdorf fließt, riss er auch Unmengen an Schlamm sowie Baumstämme mit.

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"So ein Unwetter hab ich hier noch nie erlebt", sagte in der Nacht ein Goßmannsdorfer. Besonders hart getroffen wurden die Anwohner, die in den historischen Häusern direkt am Schafbach wohnen. So wie Maik Groß und Nadine Neufert: Sie mussten am Sonntagabend aus dem Fenster ihrer Mietwohnung im Erdgeschoss klettern, um sich in Sicherheit zu bringen.

Autos wurden von den Fluten weggeschwemmt

"Ich hab alles verloren", sagte Maik Groß am Montag. Fast alle Räume seiner Wohnung sind verschlammt, im Keller stand am Montagmorgen das Wasser knietief. Eine schwarze Schicht schwimmt obenauf: Groß hatte in dem Raum auch Kohle zum Heizen gelagert. Eine Versicherung für all die Schäden habe er nicht, so Groß.

Damit nicht genug: Das Auto des Familienvaters wurde von den Wassermassen gut 20 Meter weit mitgerissen und knallte schließlich gegen den Pfeiler einer Unterführung, wo es erheblich beschädigt liegenblieb. Kein Wunder, dass Groß am Montag mit den Nerven fertig war. Doch er zeigte sich auch pragmatisch: "Es muss weitergehen. Wir sitzen hier alle in einem Boot."

In der Tat war am Montag im Ort Hilfsbereitschaft zu beobachten: Nachbarn halfen sich gegenseitig beim Beseitigen des Schlamms, schweres Gerät zum Beseitigen der braunen und mit Müll zersetzten Masse wurde organisiert.

Ebenfalls hart erwischt hat es Erhard Schneider. Er wohnt in der Durchgangsstraße ebenfalls direkt am Bach. In seinen umgebauten Bauernhof schoss das Wasser durchs Hoftor. Alle Keller sind nun voll, auch ein erst neu eingerichtetes Fitnessstudio mit wertvollen Geräten ist zerstört, die Heizanlage ebenfalls. "Das ist der Wahnsinn", kommentiert Schneider die Lage.

"Ich habe aufgehört zu pumpen"

"Ich hab nachts um 2 Uhr aufgehört zu pumpen, weil vom Nachbarhaus ständig Wasser rüberkam", schilderte ein anderer Anwohner die Situation in der Nacht in Goßmannsdorf. Die Feuerwehr war im Dauereinsatz, zweimal war am Abend die Sirene zu hören. Teilweise fiel im Innenort der Strom aus. Auch viele Kleingärten wurden verwüstet - vor allem in Folge des Hagels und der Sturmböen am Sonntagabend.

Einige Goßmannsdorfer berichten davon, dass die Kanalisation im Altort schlagartig überlastet war. Das Wasser sei aus den Kanalöffnungen mehrere Meter hoch hinausgeschossen, so ein Augenzeuge.

Auch im benachbarten Winterhausen liefen Keller voll. Einige Gassen des historischen Altortes waren noch am Montagmorgen knöcheltief mit Schlamm bedeckt.

Zwischen Winterhausen und Goßmannsdorf ging in Folge des Unwetters ein Erdrutsch nieder. Zwei Autos fuhren sich laut Polizei im Schlamm fest. Die Gerölllawine legte sich auch über die nahe Bahnstrecke Würzburg-Treuchtlingen. Sie wurde zeitweise gesperrt.

Die Bahn organisierte in der Nacht am Würzburger Hauptbahnhof Taxis und Busse, um Reisende an ihr Ziel bringen zu lassen. Zwischen Ochsenfurt und Oberdachstetten wurde ein Pendelverkehr im Stundentakt aufgenommen.

In Ochsenfurt räumten Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) nach eigenen Angaben zum Teil mit bloßen Händen Schutt zur Seite. In einer Straße nahe der Altstadt seien mehrere Autos von den Fluten aufeinandergeschoben worden.

Wie die Polizei mitteilte, wurde in der Ochsenfurter Innenstadt ein Baum gegen ein geparktes Auto geschleudert. Im Stadtteil Hohestadt stürzten mehrere Bäume um.

Brenzlig ging es am Sonntag auch auf der Bundesstraße 19 bei Giebelstadt (Lkr. Würzburg) zu. Dort blieb ein Autofahrer im überschwemmten Bankett stecken. Die alarmierten Polizisten konnten sich dem Wagen im hüfthohen Wasser nur zu Fuß nähern. Doch die Sache ging glimpflich aus: Der Fahrer hatte sich rechtzeitig in Sicherheit bringen können.

Die meisten Notrufen gingen zwischen 21 und etwa 1.45 Uhr ein. Zunächst war vorrangig der südliche Landkreis betroffen: entwurzelte Bäume stürzten auf Straßen und Autos. Am späteren Abend mehrten auch auch die Notrufe aus dem Raum Aschaffenburg, Schweinfurt, Main-Spessart und Miltenberg.

Blitzeinschlag zerstört Wohnhaus in Kolitzheim (Lkr. Schweinfurt)

Ein Sprecher der Einsatzzentrale berichtete von Blitzeinschlägen: In Kolitzheimer Ortsteil Gernach im Landkreis Schweinfurt brannte der Dachstuhl eines Einfamilienhauses. Die umliegenden Feuerwehren waren bereits kurz vor Mitternacht mit den Löscharbeiten beschäftigt.

Zwei Bewohner konnten sich laut Polizeibericht rechtzeitig nach draußen retten. Der Sachschaden wird auf 200000 Euro geschätzt. Als Brandursache wird momentan von einem Blitzschlag ausgegangen.

Ebenfalls vermutlich aufgrund eines Blitzschlags brannte gegen 23.12 Uhr im Gemündener Ortsteil Langenprozelten (Lkr. Main-Spessart) der Dachstuhl eines Wohnhauses. In Bürgstadt (Lkr. Miltenberg) musste ein Wohnmobilplatz am Main vorsorglich geräumt werden. Im benachbarten Eichenbühl war ein Campingplatz betroffen. Aufgrund des steigenden Pegels mussten die Camper das Gelände verlassen.

Keller liefen voll, Schlammlawinen ergossen sich über die Straßen. „Die Feuerwehr hat alle Hände voll zu tun“, so ein Sprecher der Polizei. Menschen seien nicht verletzt worden.

Der Pegel des Mains bei Würzburg ist in der Zeit zwischen 20 Uhr und 23.30 Uhr um etwa einen halben Meter angestiegen.

Am späten Abend berichteten mehrere Facebook-Nutzer aus Unterfranken von unwetterartigen Regen- bzw. Hagelfällen. Ein Nutzer schrieb, die Straße nach Fuchsstadt (Lkr. Würzburg) sei ein Fluss. Ein anderer berichtete von Hagelkörnern fast so groß wie Tischtennisbälle. Die Straße bei Klingholz nahe Giebelstadt sei völlig gesperrt, so ein Augenzeuge.

 







Unwetter richten auch in anderen Teilen Süddeutschlands Schäden an.
 
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  • Lebenhan1965
    will zurück zur konventionellen Energieerzeugung und leugnet den durch uns Menschen verursachten Klimawandel.
    Leute lest deren Parteiprogramm und überlegt euch, wie eure Welt in einigen Jahrzehnten aussehen soll.
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  • eisbaer61
    zum Teil dramatische Szenen, jetzt kommen die Unwetter auch zu uns, so wie wir die Mutter Erde ausbeuten - Kriege-Atom-Chemie- aggressive Landwirtschaft wohin man guckt- Völkerwanderungen-Abholzung der Wälder und und und...STOP - Entschleunigung ist angesagt. Aber wer soll das richten? WIR.
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