Viele Nichtschwimmer saßen im vergangenen Jahr wortwörtlich auf dem Trockenen, denn aufgrund der Corona-Pandemie konnten kaum Schwimmkurse stattfinden. Die Bayerische Regierung wollte einen Ausgleich schaffen - mit Seepferdchen-Gutscheinen im Wert von 50 Euro für Schulanfänger und Kinder im letzten Kindergartenjahr. Doch bei der Umsetzung gibt es nun offenbar Probleme. Kritik an der Aktion kommt etwa von unterfränkischen Kursveranstaltenden und Vereinen.
"Die Aktion geht aus unserer Sicht völlig am Bedarf vorbei", sagt Chris Wiegand, Geschäftsführerin der Turngemeinde (TG) Kitzingen. Sie ist auch für die Organisation des Anfängerschwimmens verantwortlich. Für sie hätte das Geld eher für neue Schwimmflächen und Lehrpersonal zur Verfügung stehen müssen. In ihrem Verein seien momentan alle Kursplätze belegt. "Was also bringt ein Gutschein für etwas, das es aktuell kaum gibt?"
Mit der Aktion sei das eigentlich Problem verfehlt
Daneben sieht Wiegand die Erstklässler des vergangenen Schuljahrs benachteiligt. Denn das seien schließlich die Kinder, die nicht schwimmen lernen konnten und jetzt in der Schule Schwimmunterricht hätten. Bei der TG Kitzingen könnten die Gutscheine nicht eingelöst werden. "Unter anderem, weil wir keine typischen Seepferdchen-Kurse anbieten, sondern eine Grundausbildung über einen längeren Zeitraum", sagt Wiegand. Sie ist überzeugt: Mit dem Gutschein lerne kein Kind schneller schwimmen.
Auch beim Sportbund Deutsche Jugendkraft (DJK) Würzburg wird über die Seepferdchen-Gutscheine diskutiert. Bernhard Reble von der Schwimmabteilung übt Kritik an der Staatsregierung: "Wenn man diese Aktion plant, sind die betroffenen Vereine vorher ins Boot zu holen." Das sei nicht der Fall gewesen.
Darüber hinaus sei die Finanzierung auf Seiten der Vereine noch unklar. "Fakt ist, dass der Verein das Geld erst einmal vorstrecken müsste", sagt Reble. So entstünden zusätzliche Kosten und den Ehrenamtlichen werde noch mehr Bürokratie aufgehalst. Im Augenblick könne der Gutschein beim DJK deswegen nicht eingelöst werden. Der Verein warte auf die Klärung aller Details. "Wir haben den Eltern empfohlen, die Gutscheine aufzuheben", sagt Reble. Seiner Ansicht nach seien die Schwimmkurse aber sowieso nicht zu teuer – wer sie sich dennoch nicht leisten könne, werde anderweitig unterstützt.
Sportbund empfiehlt, Gutscheine aufzuheben
Die Schwimmschule Flipper in Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) nehme die Gutscheine nur unter Vorbehalt an, erklärt Technikleiter Stefan Gallitz. "Die Grundidee ist natürlich sehr gut – die Umsetzung ist aber schwierig", meint er. So müsste die Abrechnung der Gutscheine quartalsmäßig bei den zuständigen Behörden für eine Auszahlung eingereicht werden. Hier erwartet Gallitz Nachbesserung von der Staatsregierung.
Auch in Marktheidenfeld sei das Hauptproblem bei den Schwimmkursen der Personalmangel. Die Wartelisten für Kursteilnehmende sei lang. Außerdem würden von Kursleiterinnen und Kursleitern Qualifikationen auf Wettkampfniveau erwartet, sagt Gallitz. Das schließe einige geeignete Trainerinnen und Trainer aus.
Ministerium will bei den Auszahlungen nachbessern
Auf Anfrage dieser Redaktion nimmt das zuständige bayerische Innenministerium Stellung zur Kritik. Pressesprecherin Jasmin Sikler bestätigt die quartalsweise Auszahlung an die Anbieter und dass diese dadurch in Vorkasse gehen müssten. "Derzeit wird überlegt, künftig kürzere Abrechnungszeiträume anzubieten", fügt sie an. Auch auf den Vorwurf, dass Vereine und Verbände nicht in die Planung mit eingebunden worden seien, geht Sikler ein: Im Vorfeld habe eine Abstimmung mit der Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), der Wasserwacht und dem Schwimmverband in Bayern stattgefunden.
Die Aktion solle zunächst die durch die Pandemie entstandenen Probleme lindern und Vereine animieren, ihr Kursprogramm auszuweiten. Der Freistaat unterstütze die Kommunen darüber hinaus mit verschiedenen Förderprogrammen - etwa für schulisch genutzte Hallenbäder oder mit dem "Sonderprogramm Schwimmbadförderung", erklärt Sikler. Angesprochen auf den Personalmangel bei Schwimmvereinen entgegnet die Pressesprecherin, dass Schwimmbäder und deren Unterhalt kommunale Aufgabe seien.
In Bad Kissingen und Schweinfurt können die Gutscheine eingelöst werden
In Schweinfurt begrüße man die Aktion der Regierung, sagt Stadtwerke-Sprecher Dirk Wapki. Die Stadtwerke böten Schwimmkurse im Silvana Sport- und Freizeitbad an. Darüber hinaus gebe es jedoch zahlreiche weitere Kursanbieter. Somit könne nicht für anderen Vereine gesprochen werden. Im Silvana könnten Eltern die Gutscheine jedoch einlösen.
Auch die DLRG Bad Kissingen nehme die Gutscheine an, sagt der Vorsitzende Markus Brandl. Aber auch er sieht die Aktion kritisch. Durch die Gutscheine würde der Druck auf Vereine erhöht, da diese nur ein Jahr gültig seien. Brandl findet klare Worte: "Die Politik hätte das Geld besser in den Erhalt und die Sanierung von Schwimmbädern stecken sollen."