Die schwarz-orange Staatsregierung stellt den auf Drängen der Freien Wähler im Koalitionsvertag festgeschriebenen Verzicht auf drei neue Flutpolder an der Donau nach nur wenigen Wochen schon wieder infrage: "Wir werden am Polder-Konzept in Bayern festhalten", sagte der Freie-Wähler-Umweltminister Thorsten Glauber nach einer Kabinettssitzung in München. Über die drei im Koalitionsvertrag gekippten Standorte werde - wie auch über die möglichen schwäbischen Polder-Standorten in Leipheim, Helmeringen und Neugeschüttwörth - erst "nach Vorliegen der Ergebnisse vertiefter Untersuchungen" endgültig entschieden, teilte die Staatskanzlei mit.
Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger war in den letzten Wochen in der Polder-Frage unter Druck geraten, weil die im Koalitionsvertrag gestrichenen Standorte in zwei Landkreisen liegen, in denen die Freien Wähler den Landrat stellen. Den Vorwurf der "Spezlwirtschaft" hatte Aiwanger jedoch stets entschieden zurückgewiesen. Als Gründe für den Polder-Verzicht hatte er dagegen auf hohe Kosten und ungeklärte Grundwasser-Probleme verwiesen, sowie die Wirksamkeit der großen Hochwasser-Auffangbecken grundsätzlich infrage gestellt.
Gutachten: Polder können Flut um zehn Prozent kappen
Zumindest im letzten Punkt widersprach nun auch Aiwangers Parteifreund Glauber dem Freie-Wähler-Chef: Ein kürzlich fertig gestelltes Polder-Gutachten zeige, so Glauber, dass ein Polder-Konzept etwa an der Donau bei Extrem-Hochwasser die Scheitelhöhe der Flutwelle um rund zehn Prozent kappen kann - bei vier Meter Flut also um rund vierzig Zentimeter. Ein erweitertes Staustufen-Management, dass Aiwanger als eine Alternative zu neuen Poldern genannt hatte, bringe dagegen maximal zwei Prozent - also bei vier Metern etwa acht Zentimeter. Das Polder-Gutachten soll am Dienstag auf der Internet-Seite des Landesamtes für Umwelt veröffentlicht werden.
"Wir wollen jeden Zentimeter erreichen, um die Bürger bestmöglich zu schützen", erklärte Glauber. Vor dem Bau neuer Poldern müsse aber zuerst die Auswirkung auf das Grundwasser "vertieft untersucht" werden. Anwohner der möglichen Polder-Standorte befürchten, dass bei einer Polder-Flutung ansteigendes Grundwasser ihre Häuser überschwemmen könnte. Diese wissenschaftliche Überprüfung werde laut Glauber bis zu eineinhalb Jahre dauern. Vor allem diese Grundwasser-Untersuchung erklärte Aiwanger nun zu einem Erfolg seiner Politik: "Die Debatte über den Hochwasserschutz bewegt sich jetzt in die richtige Richtung", teilte er am Montag mit.
Mehr Geld für dezentralen Hochwasserschutz?
Überall in Bayern beschleunigen möchte die neue Staatsregierung zudem die Herstellung des so genannten "Grundschutzes" der Bevölkerung vor einem statistisch nur alle hundert Jahre auftretendem Hochwasser - etwa durch neue Staumauern oder die Renaturierung von Flussufern. Effektiver Hochwasserschutz sei auch ohne Polder möglich, glaubt Glauber. In Kooperation mit den betroffenen Kommunen soll deshalb möglichst schnell Baurecht für neue, dezentrale Projekte geschaffen werden. Auch zusätzliche Mittel des Freistaats stellte Glauber dafür in Aussicht.