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MÜNCHEN
Hochwasserschutz: Aiwangers Spezlwirtschaft?
Henry Stern       -  Obermeier/ Henry Stern
Henry Stern
 |  aktualisiert: 02.04.2019 13:13 Uhr

Nutzt Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger die neue Regierungsbeteiligung, um engen Partei-Spezln einen politischen Gefallen zu tun? Im Koalitionsvertrag mit der CSU hat der künftige Vize-Regierungschef jedenfalls durchgesetzt, dass drei Flutpolder an der Donau, die bei künftigen Hochwasser-Katastrophen das Schlimmste verhindern sollten, nun nicht mehr gebaut werden.

Das Pikante daran: Einer dieser gestrichenen Polder, Bertoldsheim, liegt im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Dort war bis vor kurzem Roland Weigert von den Freien Wählern Landrat – der Mann, der ab kommenden Montag wohl Aiwangers Staatssekretär im Wirtschaftsministerium ist. Die beiden anderen gestrichenen Polder – Eltheim und Wörthhof – liegen im Landkreis Regensburg. Dort ist Aiwangers Lebensgefährtin Tanja Schweiger für die Freien Wähler Landrätin.

Es riecht nach politischem Gefallen

Das riecht nach politischem Gefallen – denn allein an der Donau sieht das 2013 nach dem verheerenden Pfingsthochwasser auf den Weg gebrachte Hochwasser-Schutzkonzept 16 mögliche Polderstandorte vor. Eine Erklärung, warum nun ausgerechnet diese drei Projekte wegfallen, findet sich im Koalitionsvertrag aber nicht.

Ihm persönliche Motive zu unterstellen, „ist ein fieses Argument“, verteidigt sich Aiwanger auf Nachfrage dieser Redaktion. Die Auswahl der Standorte, die in der Tat auf Drängen der Freien Wähler in das Regierungspapier gekommen sei, „ist sachlich gut begründbar“, findet er. So liege Bertoldsheim neben dem bereits im Bau befindlichen Polder Riedensheim und sei deshalb überflüssig. Und bei den beiden Regensburger Poldern „sind belastbare Aussagen da, dass mit dem Polder das Grundwasser so hoch steigt, dass es in viele Keller laufen würde“, erklärt Aiwanger.

Aiwanger: Passau säuft deshalb nicht ab

Das von der CSU betriebene Groß-Polder-Konzept sei ohnehin viel zu teuer, „weil so ein Polder ja nur alle hundert Jahre mal geflutet wird“. Und auch den Nutzen stellt Aiwanger in Frage: „Passau säuft nicht ab, nur weil wir vor Straubing keinen Polder machen“, sagt der Freie-Wähler-Chef.

Weiter unten an der Donau sieht man das völlig anders: Drei Landräte und zwei Oberbürgermeister aus Niederbayern haben deshalb am Freitag in einem Schreiben an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gegen die Polder-Streichung protestiert. Es sei „ein Schlag ins Kontor“, aus politischen Gründen von heute auf morgen auf mehr als ein Drittel des nötigen Rückhalte-Volumens zu verzichten, heißt es dort.

Viele kleine Rückhalte, die Aiwanger als Ersatz fordert, könnten zudem nur bei lokale Sturzfluten wirken, warnen Experten: „Für einen umfassenden Schutz, zum Beispiel vor 100-jährlichem Hochwasser in Siedlungen, reichen sie alleine nicht aus“, heißt es etwa im bayerischen „Aktionsprogramm 2020plus“. Bei einer Jahrhundertflut helfe „nur eine große Badewanne, bei der man den Stöpsel zieht“. Einzelne Polder könnten nicht ohne Ersatz gestrichen werden: Es brauche entlang großer Flüsse „eine ganze Perlenkette“ davon, um Städte am Unterlauf vor Überflutung zu schützen.

Geordnetes Verfahren ausgehebelt

Und Aiwangers Grundwasser-Argument? Massive Bedenken gegen negative Folgen einer kontrollierten Flutung gibt es nicht nur im Landkreis Regensburg, sondern auch an den möglichen schwäbischen Polder-Standorten Leipheim, Helmeringen und Neugeschüttwörth. „Uns ist aber vom Staat immer gesagt worden, es gibt ein geordnetes Verfahren, das alle Bedenken aufnimmt und für alle Standorte gleich ist“, sagt Norman Brix von der Bürgerinitiative „Kein Flutpolder Leipheim“.

In der Tat hat das Umweltministerium Standortanalysen in Auftrag gegeben, die eine fachlich-fundierte Grundlage für die weitere Planung geben sollten. „Die Ergebnisse dieser Gutachten liegen aber noch nicht vor“, erklärt das Ministerium auf Nachfrage.

Ein geordnetes staatliches Verfahren wird also durch politische Willkür ohne jede fachliche Grundlage ausgehebelt? Der Leipheimer Polder-Gegner Brix ist jedenfalls stinksauer: „Man stellt sich schon die Frage, ob man vom Staat noch gerecht behandelt wird.“

 
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