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NÜRNBERG
LKA-Prozess: Knast oder Freispruch für sechs Polizisten?
LKA-Prozess: Knast oder Freispruch für sechs Polizisten?
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:53 Uhr

Nach neun Monaten des LKA-Prozesses wurde es am Mittwoch auf der Zielgeraden noch einmal pathetisch: Ein Verteidiger zitierte William Shakespeare (den Hamlet-Monolog), ein zweiter den fränkischen Kabarettisten Urban Priol: „So viel Alkohol kann ich gar nicht trinken, um auf so absurde Gedanken zu kommen“, sagt er mit Blick auf die Anklage der zwei Staatsanwälte.

Freispruch gefordert

Die halten sechs LKA-Beamten für schuldig, Straftaten des Spitzels im Einsatz bei der Rockergruppe „Bandidos“ unterstützt zu haben. Sie forderten Haftstrafen bis zu zweieinhalb Jahren. Das sei „an Haltlosigkeit nicht zu überbieten“, schimpfte ein Verteidiger: „Mein Mandant ist – wie alle Angeklagten – freizusprechen.“

Eine Glaubensfrage

Beim Priol-Zitat muss sich selbst der Vorsitzende Ulrich Flechtner ein Schmunzeln mühsam verkneifen – der während des Prozesses sonst wenig Anlaß zum Lächeln hatte.

Im Kern geht es nach vier Jahren Ermittlung und bald 40 Verhandlungstagen am Freitag im Urteil um eine Glaubensfrage: Entweder die Nürnberger Richter glauben dem Hauptkommissar Norbert K. auf der Anklagebank und seinen fünf Kollegen, dass ihr Spitzel Mario W. sie getäuscht hat. Oder das Gericht glaubt dem Kriminellen, dass K. mit Kollegen und Vorgesetzten die Justiz über einen V-Mann-Einsatz täuschte, der außer Kontrolle geriet.

Menschlich oder kriminell

Das eine wäre menschlich, das andere kriminell. Es könnte sechs Polizisten Karriere, Pension und Freiheit kosten. Am Mittwoch brach auch Norbert K., der Hauptangeklagte, sein Schweigen. Der Spitzel behauptete, er habe K. über den Diebstahl dänischer Bagger 2011 immer genau informiert – bei dem ausgerechnet der V-Mann des bayerischen Landeskriminalamtes eine Hauptrolle als Fahrer gespielt hatte. Der Hauptkommissar betonte jetzt: Kein Wort davon sei wahr.

Hinweise vorenthalten

Angaben des V-Mannes seien häufig ungenau und falsch gewesen. Wichtige Hinweise auf die Verwicklung des Spitzels in den Bagger-Diebstahl seien ihm von der Polizei und dem Staatsanwaltschaft in Amberg vorenthalten worden, als der Spitzel mit den geklauten Baggern dort erwischt wurde. Zuvor habe er den V-Mann wiederholt darauf hingewiesen, dass der keine Straftaten begehen dürfe. „Ich habe mich an keinerlei Straftaten beteiligt“, sagte der Beamte, der aus dem Raum Kitzingen stammt.

Keine frisierten Akten

Akten seien auch nicht hinterher frisiert worden, um illegale Praktiken vor dem Landgericht Würzburg im Prozess gegen den Spitzel zu vertuschen. Völlig legal seien unterschiedlich detaillierte Akten über Geheiminformationen des V-Mannes geführt worden – um den Kreis der Beteiligten zu seinem Schutz klein zu halten. „Ich hoffe, dass ich am Freitag mit dem Urteil einen Schlussstrich ziehen und meine polizeiliche Tätigkeit fortsetzen kann.“

V-Mann fühlt sich betrogen

Spitzel Mario W. fühlt sich vom LKA betrogen, weil es ihn im Winter 2011 – aus seiner Sicht – ins Messer der Justiz laufen ließ, statt ihn weiter vor Strafverfolgung zu schützen. Hier lohnt ein genauerer Blick: W. besorgte Drogen in Tschechien für den Rocker-Präsidenten, was der heute bestreitet. W. besorgte aber auch „Gift“ für seine eigene arbeitslose Tochter. Die vertickte es im Raum Kitzingen für ihren Lebensunterhalt – was keinerlei Zusammenhang mit der Rockerszene hatte.

Schutz erwartet

Schutz vom LKA erwartete sich W. dennoch, als Drogenfahnder gegen beide ermittelten. Er besorgte Rockern Mädchen aus Tschechien, schmuggelte geklaute Münzen, wie er 2012 im Interview mit dieser Redaktion erzählte. Das LKA habe ihn immer wieder rausgehauen – sogar, als sein vom Staat bezahlter Leihwagen zu viele Kilometer drauf hatte. Da habe man auf Behörden-Kosten in einer Hinterhof-Werkstatt einfach den Tacho zurück gedreht.

Mario W. will sogar von einem Rechtsextremen Waffen angeboten bekommen haben, wie er uns 2012 exklusiv im Würzburger Gefängnis erzählte. Aber das LKA habe den Mann mit den zwei Pistolen beim Treffen auf einer Raststätte einfach laufen lassen.

Das LKA schwieg damals auf Fragen dieser Redaktion dazu – und überließ dem zigfach vorbestraften Kriminellen so die Deutungshoheit über die bekannt werdenden Fakten. Erst viel später traute man sich dann doch: „Glauben Sie ernsthaft, wir hätten uns so einen Fang damals entgehen lassen?“, fragte kopfschüttelnd ein Vertreter des LKA. „2011 – kurz nach Bekanntwerden der NSU-Mordserie – hätten wir das mit Handkuss genommen, wenn wir es gewusst hätten.“

Nicht alles stimmte

Im zweistündigen Interview mit dieser Redaktion hatte W. 2012 auch von einer verschwundenen Prostituierten und einem beseitigten Anwalt im Umfeld der „Bandidos“ erzählt. Peinlich, dass beide 2016 quicklebendig wieder auftauchten – so blieb der Eindruck: Mario W. weiß viel, aber er erzählt noch mehr.

Doch seine Angaben führten zu jahrelangen Ermittlungen und sägten heftig am Ruf des LKA. Am Ende blieb in der Nürnberger Anklage der dilettantische Baggerdiebstahl der „Bandidos“ in Dänemark und der zurückgedrehte Tacho.

Interviews statt Gericht

Bei den Plädoyers blieb der Platz des Nebenklägers Mario W. im Gericht leer. Er gab Interviews über sein Leben als missbrauchter V-Mann. Manchen Journalisten reichte das und zwei Tage Prozessbeobachtung, um sich kurz vorm Urteil eine Bewertung zuzutrauen, die man als Vorverurteilung bezeichnen könnte.

Das Urteil soll am Freitag fallen.

 
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    Im diesem Fall lohnt es sich tatsächlich, neben der MP auch noch die ein oder andere gewichtige Zeitungen zu lesen und zumindest ab und zu mal den verschiedenen Ausführungen im Gerichtssaal zu lauschen.
    Wer weiß und das gilt nicht nur für Bayern, wie schwierig es ist als Staatsanwaltschaft gegen hochrangige LKA Beamte zu ermitteln, weiß auch, dass da enorme Hürden zu überwinden sind, damit es überhaupt zu einer Anklage kommt.
    Wenn es jetzt, trotz der intensiven Arbeit der Staatsanwaltschaft zu keiner Verurteilung kommt würde mich das wundern.
    Auch in den LKA Beamten steckt eine nicht unerhebliche kriminelle Energie. warum hätten sie sonst vor Gericht falsch aussagen sollen? Warum Akten fälschen etc?
    Ich lass mich morgen überraschen. Ja, eine Haftstrafe trifft die Beamten besonders hart. Entfernung aus dem Dienst u. mehr.
    Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass solche LKA Beamte fehl am Platz sind, wenn es darum geht schwierige Fälle aufzuklären.
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  • M. D.
    Ja, Herr Schweidler, wem glaubt das Gericht wohl: dem „Hauptkommissar“ oder „dem zigfach vorbestraften Kriminellen“....

    Von Stimmungsmache und der „Vorveruteilung“, die Sie hier im Artikel „manchen Journalisten“ (?) vorwerfen, ist die MAINPOST als Leuchtturm der unabhängigen und investigativen Recherche ja zum Glück weit, weit entfernt - wie immer!

    Boah.....
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    egal ob hochbetagt oder hochbezahlt
    der mann der CSU frau aus wiesenbronn
    wird sicherlich nicht verurteilt
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  • G. G.
    Man muss kein Experte sein, um zu erkennen, dass der Einsatz und die Führung von V-Leuten ein Tanz auf dem Drahtseil ist. Einerseits sollen sich diese in die kriminelle Szene einschleusen, anderseits sollen sie selbst keine Straftaten begehen. Wie soll das funktionieren? So naiv kann doch kein Staatsanwalt sein - oder doch? Ein Staatsanwalt ist immer nur so gut, wie die Ergebnisse und Vorlagen der Ermittler. Tut sich die Staatsanwaltschaft hier einen Gefallen? Ich glaube nicht. Sicherlich sind sämtliche V-Mann-Führer der Polizei bzw. des LKA jetzt total verunsichert. Ich jedenfalls würde die Übertragung einer solchen Aufgabe unter diesen Bedingungen ablehnen. Wenn sich alle penibel an Recht und Gesetz halten müssen, frage ich mich, wie V-Leute, Geheim- und Nachrichtendienste erfolgreich (im Sinne höherer Ziele = die Hintermänner zu erwischen und nicht nur die kleinen Fische) arbeiten sollen? Es ist und bleibt eine Gratwanderung zwischen Recht und (vertretbarem) Unrecht.
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  • M. D.
    Die Verwerfungen im Zusammenhang mit „V-Leuten“ sind nicht neu und auch nicht diese Versuche der Bagatellisierung.

    Wohin es führt, wenn sich der Staat aus vermeintlich „ übergeordneten“ Motiven über Recht, Gesetz und auch Moral hinwegsetzt, zeigen die Vorgänge um den sog. „Thüringer Heimatschutz“.
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  • T. B.
    Die wenigsten Kommentatoren können mit dieser "Welt" etwas anfangen. Verdeckte Ermittlungen im Bereich der organisierten Kriminalität sind juristisch stets ein Drahtseilakt. Ohne V-Leute und die entsprechenden Informationen bleiben die Ermittlungen oft im Sande stecken oder verzögern sich erheblich. Der verdeckte Ermittler bewegt sich ständig in einer Grauzone zwischen Erlaubten und Verbotenem, der Übergang ist da oft sehr fließend. Wer in diesem Fall die Wahrheit sagt oder nicht maße ich mir nicht an zu beurteilen; im Gegensatz zu den linken und grünen Schreiberlingen, die zwar keinerlei Akteneinsicht haben, sich aber wie immer schon im Vorfeld ihre vorgefertigte Meinung zurecht gelegt haben.
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  • M. D.
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  • T. B.
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  • T. B.
    Hallo lieber User, das bringt die Diskussion leider nicht voran und wird zu persönlich. Wir sperren daher ab diesem Zeitpunkt weitere Diskussionen, die mit dem Thema nichts zu tun haben.
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    Lieber User, bitte unterlassen Sie es, die Frau eines Angeklagten zu erwähnen. Sie ist nicht angeklagt und ihr wurde mit dem Fall bislang keine Beteiligung nachgewiesen.
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    Nicht hochbetagte, sondern hochbezahlte Anwälte
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    Lieber User, zum wiederholten Mal müssen wir Sie darauf hinweisen, dass Sie es unterlassen sollen, die Frau eines Angeklagten in den Fall einzubeziehen.
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