Martin Eisenmann ist eigens aus der Rhön nach Nürnberg gefahren. Der Vorsitzende des 19 Mitglieder starken ("wir wachsen") SPD-Ortsvereins in Oberweißenbrunn (Lkr. Rhön-Grabfeld) hat das Flugblatt mit den Köpfen der 15 Kandidaten, die sich um den Vorsitz seiner Partei bewerben und zum Casting vor der Basis antreten, in der Hand. "Ich bin gespannt", sagt er.
Mit Eisenmann sind über 700 Genossen zur achten von 23 Regionalkonferenzen gekommen. Die Kleine Meistersingerhalle platzt aus allen Nähten. Im Foyer hat man extra eine zusätzliche Leinwand und Stühle aufgebaut. "Die SPD, sie lebt", dieser Satz ist häufig zu hören an diesem Abend. Die zuletzt so arg gebeutelte Partei feiert sich selbst. "Einfach cool", findet Eva-Maria Weimann das Format, "das hat uns vorher keiner zugetraut". Die 32-jährige Juso-Frau aus Dettelbach (Lkr. Kitzingen) ist seit Januar Mitglied im SPD-Landesvorstand.
Das Konzept passt – dank Klaus Tovar
Mann des Abends ist Klaus Tovar. Wer gedacht hatte, so ein Vorstellungsmarathon mit 15 Bewerbern und einem engagierten Publikum, der muss doch mehr oder weniger im Chaos enden, den belehrt der Leiter der SPD-Parteischule in Berlin eines Besseren. Freundlich, aber bestimmt führt Tovar durchs eng getaktete Programm, die Stoppuhr für die Redezeiten stets im Blick. Da traut sich kein Kandidat verbal auszuscheren und auch die Fragesteller von der Basis üben sich unter Tovars strengem Blick in Disziplin. Nach zweieinhalb Stunden ist pünktlich Schluss.
Beim Beschwören der SPD-Geschichte, beim Lob der Basis, da sind sich die sieben Duos und der bayerische Einzelkandidat Karl-Heinz Brunner ("ihr kennt mich aus der Heute-Show") einig. Inhaltliche Unterschiede sind aber doch klar auszumachen: Die Paare vom linken Flügel – Nina Scheer/Karl Lauterbach, Hilde Mattheis/Dierk Hirschel oder Sakia Esken/Norbert Walter-Borjans –rechnen unter Beifall ab mit der Vergangenheit, vor allem mit Hartz IV ("wir haben Menschen, die lange gearbeitet haben, eine Treppe heruntergeschubst"), mit der GroKo ("wir müssen da raus"). Die SPD sei ein "Depp", weil sie es sich mit den Gewerkschaften verdorben habe, raunt Verdi-Mann Hirschel in Anspielung an die alte Nürnberger Fußball-Weisheit "Der Club ist ein Depp". Und auch Ralf Stegner, der mit Gesine Schwan das Senior-Duo bildet, ist diesmal gar nicht gut gelaunt. "Die CDU braucht es nicht nochmal", tritt der Partei-Vize den Regierenden ans Schienenbein.
Nach vorn gerichtet hingegen der Auftritt von Christina Kampmann und Michael Roth. "Wir sind bereit. Wir wollen diese wunderbare SPD wieder zur Heimat der Weltverbesserer und Mutmacher machen", rufen sie den Zuhörern zu. Balsam für die Seele der Genossen. Für einen höheren Spitzensteuersatz, für Vermögens- und höhere Erbschaftssteuer sind alle Kandidaten, bei den beiden Youngsters fallen zum ersten Mal auch Stichworte wie "Digitalisierung" und Geschlechtergerechtigkeit. Und sie plädieren am Lautesten für das "Friedensprojekt Europa". Kampmann und Roth bekommen – gefühlt – den meisten Beifall an diesem Abend. Ein wenig dürfen sich die beiden – Selbstbeschreibung: "Christina und Michael: das klingt wie ein Schlager-Duo" – als Sieger der Herzen fühlen.
Olaf Scholz wird nie Sieger der Herzen werden. Und er weiß das. Ruhig und sachlich bilanziert der Finanzminister, was die SPD in Berlin zuletzt in Sachen Sozialstaat und Verteilungsgerechtigkeit erreicht hat. Dass der Soli für die ganz Reichen erhalten bleibt, das würdigen auch die, für die der Finanzminister ein Teil der SPD-Probleme ist. "Ich finde es gut, dass wir regieren", sagt Scholz. Das schafft Klarheit. Unterschätzen darf man das bekannteste Gesicht auf dem Kandidaten-Karussell und seine Partnerin Klara Geywitz bei aller Sehnsucht nach SPD pur an der Basis nicht.
"Mehr auf die Kommunalpolitik hören"
Als bodenständige, erfahrene Macher präsentieren sich auch Petra Köpping und Boris Pistorius. "Wir müssen mehr auf die Kommunalpolitik hören", so ein Satz verfängt bei den vielen engagierten Vertretern aus den Ortsvereinen in Franken. Schließlich werden im März hierzulande Bürgermeister, Landräte und Gemeindeparlamente gewählt.
Ein linkes Duo - oder am Ende doch Olaf Scholz