
Eigentlich war es ein ganz normaler Einsatz für Polizeikommissar Florian Johannes: Nächtliche Ruhestörung, eine Gruppe junger Leute betrinkt sich Mitte Dezember 2021 auf dem Parkplatz der Wirtschaftsschule in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld). Johannes soll mit mehreren Kollegen für Ruhe sorgen.
Doch einige aus der Gruppe provozieren, erzählt der junge Polizist. Einer will seinen Ausweis nicht zeigen und schleudert ihn einer Kollegin schließlich ins Gesicht. Es kommt zu einem Gedränge, Beleidigungen prasseln auf die Beamten ein. Dann plötzlich völlig unvermittelt – ein Faustschlag gegen Florian Johannes, mitten ins Gesicht.
"Ich habe sofort gemerkt, dass der Kiefer kaputt ist"
"Das war ein absoluter Volltreffer, ich habe sofort gemerkt, dass der Kiefer kaputt ist", erinnert sich der 34-jährige Polizeibeamte. Er versucht, den Angreifer festzunehmen. Doch ein anderer Mann aus der Gruppe greift Johannes von hinten an. Der Schläger kann fliehen.
Wenige Wochen später sollte sich der Angreifer selbst der Polizei stellen. Und Johannes? Der Polizist wird am nächsten Tag vier Stunden operiert, bekommt fünf Platten in den Kiefer. An Weihnachten ist der junge Familienvater zwar wieder zuhause, kann aber nur Püriertes essen. Er ist sechs Wochen lang krankgeschrieben, danach wird er fast ein halbes Jahr lang im Innendienst eingesetzt.
Angegriffener Polizist: Narbe im Gesicht und dauerhafte Geschmacksprobleme
Eine Narbe im Gesicht schmerzt noch heute beim Reden, berichtet der Rhöner. Ein Nervenschaden sorgt zudem für Geschmacksprobleme: "Kann sein, dass ich dauerhaft damit leben muss", erklärt Johannes.
An diesem Mittwoch berichtete der unterfränkische Polizeikommissar seine Geschichte im Münchner Innenministerium bei einer Pressekonferenz mit Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Georg Eisenreich (beide CSU). Denn ein Einzelfall ist die folgenreiche Attacke in Bad Neustadt nicht: 4379 Angriffe auf Polizisten mit körperlicher Gewalt registrierte die bayerische Polizeistatistik 2021, davon fünf versuchte Tötungsdelikte. Das ist zwar ein Rückgang um fast acht Prozent zu 2020 – aber immer noch mehr Fälle als etwa 2017. Exakt 2629 Polizisten wurden 2021 im Dienst verletzt, 19 davon schwer.
Innenminister Herrmann sieht jedenfalls keinen Grund für Entwarnung: "Wir haben nach wie vor ein besorgniserregendes Gewaltpotenzial." Nimmt man auch Beleidigungen und Beschimpfungen dazu, wurden mehr als 19.000 Polizistinnen und Polizisten im vergangenen Jahr Opfer psychischer oder physischer Gewalt – Attacken, die die Beamten "im dienstlichen und privaten Alltag oft stark belasten", sagt Herrmann.
Gewalt gegen Polizisten: In Bamberg fast dreimal so viele Fälle wie in Würzburg
Im Bayern-Vergleich hat Unterfranken bezogen auf die Einwohnerzahl die wenigsten Angriffe auf Polizeibeamte. Auch in Würzburg gab es zuletzt deutlich weniger Fälle als etwa in den ähnlich großen Städten Regensburg und Ingolstadt. Spitzenreiter sind hier Augsburg und Bamberg: Dort gab es bezogen auf die Einwohnerzahl fast dreimal so viel Gewalt gegen Polizisten wie in Würzburg.
"Für uns ist aber jeder Angriff auf einen Polizisten einer zu viel", sagt Justizminister Eisenreich. Ziel der Justiz sei deshalb, dass die Strafe möglichst schnell auf die Tat folgt – auch um abschreckend zu wirken. Seit 2017 gilt zudem ein verschärftes Strafrecht für Angriffe nicht nur auf die Polizei, sondern etwa auch auf Rettungskräfte.
Angreifer inzwischen in Schweinfurt verurteilt
Auch der Angriff in Bad Neustadt auf Polizeikommissar Johannes landete inzwischen vor Gericht: Der Haupttäter wurde kürzlich in Schweinfurt zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Der zweite Beteiligte erhielt ein Jahr und neun Monate auf Bewährung.
"Strafandrohungen" haben noch nie Straftaten verhindert. Gewalt gegen Polizeibeamte und die zunehmende Kluft zwischen Bürgern und den Repräsentanten des Staates ist gerade die FOLGE dieses autoritären Geposes von CSU-Herrschaften, die sich zwar als "Rechtsstaat" inszenieren - aber tatsächlich in breiten Bereichen jegliche Legitimation verloren haben.
Eine Regional-Partei, die die Grenzen des Rechtsstaates immer mehr verschieben will (PAG) für Milliardendesaster wie die Maut, Selbstbedienungsmentalität und Seilschaften steht, kann kaum noch glaubhaft hinter einer Polizei stehen, wenn diese ihr Gewaltmonopol wahrnehmen will.
Die Doppelstandards, die strukturellen Missstände und Fehlleistungen lassen sich durch betroffene Gesichter von CSU-Ministern nicht mehr kaschieren. Gewalt gegen Polizeibeamte ist nur ein Symptom.
Wer sich auf den Rechtsstaat berufen will, sollte ihn erst einmal vorleben.