zurück
München/Bad Neustadt
Gewalt gegen Polizisten in Bayern: Der Faustschlag in Bad Neustadt als drastisches Beispiel
Ein junger Polizeikommissar aus der Rhön erleidet im Einsatz einen Kieferbruch: Beileibe kein Einzelfall, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann beklagt.
Beklagen Gewalt gegen Polizisten (v.l.): Innenminister Joachim Herrmann, Justizminister Georg Eisenreich (beide CSU) und der im Dezember 2021 angegriffene Bad Neustädter Polizist Florian Johannes.
Foto: Tobias Hase, dpa | Beklagen Gewalt gegen Polizisten (v.l.): Innenminister Joachim Herrmann, Justizminister Georg Eisenreich (beide CSU) und der im Dezember 2021 angegriffene Bad Neustädter Polizist Florian Johannes.
Henry Stern       -  Obermeier/ Henry Stern
Henry Stern
 |  aktualisiert: 09.02.2024 21:43 Uhr

Eigentlich war es ein ganz normaler Einsatz für Polizeikommissar Florian Johannes: Nächtliche Ruhestörung, eine Gruppe junger Leute betrinkt sich Mitte Dezember 2021 auf dem Parkplatz der Wirtschaftsschule in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld). Johannes soll mit mehreren Kollegen für Ruhe sorgen.

Doch einige aus der Gruppe provozieren, erzählt der junge Polizist. Einer will seinen Ausweis nicht zeigen und schleudert ihn einer Kollegin schließlich ins Gesicht. Es kommt zu einem Gedränge, Beleidigungen prasseln auf die Beamten ein. Dann plötzlich völlig unvermittelt – ein Faustschlag gegen Florian Johannes, mitten ins Gesicht.

"Ich habe sofort gemerkt, dass der Kiefer kaputt ist"

"Das war ein absoluter Volltreffer, ich habe sofort gemerkt, dass der Kiefer kaputt ist", erinnert sich der 34-jährige Polizeibeamte. Er versucht, den Angreifer festzunehmen. Doch ein anderer Mann aus der Gruppe greift Johannes von hinten an. Der Schläger kann fliehen.

Wenige Wochen später sollte sich der Angreifer selbst der Polizei stellen. Und Johannes? Der Polizist wird am nächsten Tag vier Stunden operiert, bekommt fünf Platten in den Kiefer. An Weihnachten ist der junge Familienvater zwar wieder zuhause, kann aber nur Püriertes essen. Er ist sechs Wochen lang krankgeschrieben, danach wird er fast ein halbes Jahr lang im Innendienst eingesetzt.

Angegriffener Polizist: Narbe im Gesicht und dauerhafte Geschmacksprobleme

Eine Narbe im Gesicht schmerzt noch heute beim Reden, berichtet der Rhöner. Ein Nervenschaden sorgt zudem für Geschmacksprobleme: "Kann sein, dass ich dauerhaft damit leben muss", erklärt Johannes.

"Wir haben nach wie vor ein besorgniserregendes Gewaltpotenzial."
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zur Gewalt gegen Polizisten

An diesem Mittwoch berichtete der unterfränkische Polizeikommissar seine Geschichte im Münchner Innenministerium bei einer Pressekonferenz mit Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Georg Eisenreich (beide CSU). Denn ein Einzelfall ist die folgenreiche Attacke in Bad Neustadt nicht: 4379 Angriffe auf Polizisten mit körperlicher Gewalt registrierte die bayerische Polizeistatistik 2021, davon fünf versuchte Tötungsdelikte. Das ist zwar ein Rückgang um fast acht Prozent zu 2020 – aber immer noch mehr Fälle als etwa 2017. Exakt 2629 Polizisten wurden 2021 im Dienst verletzt, 19 davon schwer.

Innenminister Herrmann sieht jedenfalls keinen Grund für Entwarnung: "Wir haben nach wie vor ein besorgniserregendes Gewaltpotenzial." Nimmt man auch Beleidigungen und Beschimpfungen dazu, wurden mehr als 19.000 Polizistinnen und Polizisten im vergangenen Jahr Opfer psychischer oder physischer Gewalt – Attacken, die die Beamten "im dienstlichen und privaten Alltag oft stark belasten", sagt Herrmann.

Gewalt gegen Polizisten: In Bamberg fast dreimal so viele Fälle wie in Würzburg

Im Bayern-Vergleich hat Unterfranken bezogen auf die Einwohnerzahl die wenigsten Angriffe auf Polizeibeamte. Auch in Würzburg gab es zuletzt deutlich weniger Fälle als etwa in den ähnlich großen Städten Regensburg und Ingolstadt. Spitzenreiter sind hier Augsburg und Bamberg: Dort gab es bezogen auf die Einwohnerzahl fast dreimal so viel Gewalt gegen Polizisten wie in Würzburg.

"Für uns ist aber jeder Angriff auf einen Polizisten einer zu viel", sagt Justizminister Eisenreich. Ziel der Justiz sei deshalb, dass die Strafe möglichst schnell auf die Tat folgt – auch um abschreckend zu wirken. Seit 2017 gilt zudem ein verschärftes Strafrecht für Angriffe nicht nur auf die Polizei, sondern etwa auch auf Rettungskräfte.

Angreifer inzwischen in Schweinfurt verurteilt

Auch der Angriff in Bad Neustadt auf Polizeikommissar Johannes landete inzwischen vor Gericht:  Der Haupttäter wurde kürzlich in Schweinfurt zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Der zweite Beteiligte erhielt ein Jahr und neun Monate auf Bewährung.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Neustadt
Henry Stern
CSU
Gewalt gegen Polizisten
Innenminister
Joachim Herrmann
Joachim Herrmann (CSU)
Polizei
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte
Polizeikommissare
Tötungsdelikte und Straftaten gegen das Leben
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • H. B.
    Vielleicht sollte man mal schauen, wie sich die Bevölkerung in den Städten mit hoher Gewaltbereitschaft zusammensetzt. Die Zahlen dazu kann man leicht im Netz recherchieren. Mehr sag ich dazu nicht , sonst wird’s wieder gelöscht……
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. B.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. B.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. D.
    Die CSU ist entweder völlig beratungsresistent oder sie blickt es wirklich nicht!

    "Strafandrohungen" haben noch nie Straftaten verhindert. Gewalt gegen Polizeibeamte und die zunehmende Kluft zwischen Bürgern und den Repräsentanten des Staates ist gerade die FOLGE dieses autoritären Geposes von CSU-Herrschaften, die sich zwar als "Rechtsstaat" inszenieren - aber tatsächlich in breiten Bereichen jegliche Legitimation verloren haben.

    Eine Regional-Partei, die die Grenzen des Rechtsstaates immer mehr verschieben will (PAG) für Milliardendesaster wie die Maut, Selbstbedienungsmentalität und Seilschaften steht, kann kaum noch glaubhaft hinter einer Polizei stehen, wenn diese ihr Gewaltmonopol wahrnehmen will.

    Die Doppelstandards, die strukturellen Missstände und Fehlleistungen lassen sich durch betroffene Gesichter von CSU-Ministern nicht mehr kaschieren. Gewalt gegen Polizeibeamte ist nur ein Symptom.

    Wer sich auf den Rechtsstaat berufen will, sollte ihn erst einmal vorleben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten