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Schweinfurt/Bad Neustadt
Vor Gericht: Faustschlag gegen Polizisten hat gravierende Folgen
Sauferei mit Ruhestörung: Ein Beamter wird schwer verletzt und Zwillingsbrüder kassieren Haftstrafen – mit und ohne Bewährung.
Die Außenanlage der Wirtschaftsschule in Bad Neustadt.
Foto: Thomas Pfeuffer | Die Außenanlage der Wirtschaftsschule in Bad Neustadt.
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 09.02.2024 21:43 Uhr

Mitte Dezember 2021 auf dem Parkplatz der Wirtschaftsschule in Bad Neustadt/Saale. Ein Rudel junger Leute zecht, harte Getränke wie Wodka sind angesagt. Doch es wird auch laut dabei, und gegen Mitternacht beschwert sich ein Anwohner wegen Ruhestörung. Eine Polizeistreife trifft ein, will für Ruhe sorgen – und schon bläst sich einer aus der rund 20 Mann starken Gruppe auf, schreit vor den Beamten herum und will seine Personalien nicht feststellen lassen.

Als er einen schnellen Schritt auf die Polizistin zumacht, packt ihn ihr Kollege und drückt ihn auf die Motorhaube des Einsatzwagens. Dieser wehrt sich – und schon umringen die Kumpels die Beamten. Die ersten Unverschämtheiten folgen: "Hure", "Ich hau dich um." Und: Der Provokateur behauptet noch, er sei grundlos geschlagen worden. Dann folgt das, was die beiden Verteidiger als "hochdynamisches Geschehen" beschreiben, auf das jeder eine andere Sicht und Erinnerung habe.

Hilfe unter Zechkumpanen

Jedenfalls will einer der beiden 23-jährigen Zwillingsbrüder dem angeblich unschuldig geschlagenen Zechkumpanen zu Hilfe eilen. Als dieser selbst in die Hände der nunmehr verstärkten Polizeikräfte gerät, will ihm sein Bruder, als Dachdecker tätig, helfen und schlägt dabei einem der Beamten "mit voller Wucht gegen die linke Gesichtshälfte". Dieser Schlag hat böse Folgen: dreifacher Kieferbruch, der viereinhalb Stunden operiert, mit vier Schrauben und fünf Platten korrigiert werden muss. Noch heute hat der Beamte deshalb gesundheitliche Probleme, wie er als Zeuge schildert, mit Beschwerden für den Rest seines Lebens müsse er rechnen.

Der Dachdecker, der den Beamten durch nur einen Faustschlag ins Gesicht schwerstens verletzt hat, flüchtet zunächst und stellt sich erst am 4. Januar in einer Polizeiwache. Seither sitzt er in Schweinfurt in Untersuchungshaft. Das einzig Gute an dem Verfahren vor dem Schöffengericht Schweinfurt: kein einziger Punkt der Anklage wird bestritten, auch nicht die Beleidigungen, der Widerstand und die Körperverletzungen gegen Polizisten durch den anderen Zwillingsbruder. Auch der dreiste Diebstahl eines "Wache"-Schildes im Polizeirevier von Bad Neustadt wird eingeräumt, sowie ein Hitlergruß eines der Angeklagten – ausgeführt im Rudel mit anderen – der auf dem Handy eines der beiden Brüder gefunden wird.

Knapp drei Jahre Haft

Das ermöglicht, dass auf eine Reihe von Zeugen verzichtet werden und bereits nach gut drei Stunden das Urteil verkündet werden kann. Der Dachdecker bringt sechs Vorstrafen mit und stand zur Tatzeit unter offener Bewährung. Er kassiert zwei Jahre und zehn Monate Haft für die vorsätzliche Körperverletzung, Angriff und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung sowie Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Er bleibt weiter in Haft. Sein Zwillingsbruder wird wegen des tätlichen Angriffs auf Polizisten, Körperverletzung, Gefangenenbefreiung und Diebstahls zu einem Jahr und neun Monaten verurteilt – ausgesetzt für drei Jahre auf Bewährung. Hinzu kommt eine Geldauflage von 1500 Euro.

Damit liegt das Gericht erheblich über den Anträgen der Verteidigung wie auch der Staatsanwaltschaft, die zwei Jahre und vier Monate für den Dachdecker und zehn Monate auf Bewährung für dessen Bruder beantragt hatte. Gegen das Urteil sind Rechtsmittel möglich: Berufung zum Landgericht Schweinfurt oder Revision zum Bundesgerichtshof.

 
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  • R. B.
    "Sein Zwillingsbruder wird wegen des tätlichen Angriffs auf Polizisten, Körperverletzung, Gefangenenbefreiung und Diebstahls zu einem Jahr und neun Monaten verurteilt – ausgesetzt für drei Jahre auf Bewährung". Dieses Urteil zeigt erneut, wie der "Rechtsstaat" hinter seinen Ordnungshütern steht, vermutlich für viele junge Menschen ein Grund, nicht in den Polizeidienst einzutreten. Eine Studie des BKA zeigt einen deutlichen Anstieg von Gewalt gegen Polizeibeamte. Ein derartiges Urteil ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Polieibeamten. Aber wen wundert es, wenn eine altgediente SED-Genossin und Linksextremistin als Hüterin der Verfassung eingesetzt wird. Dass so etwas überhaupt möglich ist, sagt viel über den Zustand dieses Landes - mehr, als Demokraten lieb sein kann. Der Fall Borchardt ist deshalb mehr als eine landespolitische Petitesse im hohen Norden. Er ist ein Lehrstück über die Bundesrepublik im Jahr 30 nach dem Mauerfall.
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  • G. R.
    Was hat die Borchardt mit diesem Urteil zu tun?
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  • R. B.
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  • R. B.
    Lesen bildet!
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  • D. E.
    Offensichtlich nicht.

    Verhandelt wurde vor einem Schöffengericht; das Urteil mithin unter maßgeblicher Mitwirkung von "Laien" gesprochen, Vorsitz BerufsrichterIn, die in Bayern verbeamtet sind und ihren Diensteid auf die Landesverfassung geleistet haben.

    Wie die alle jetzt von der SED so beeinflusst und dann an die entsprechenden Positionen bugsiert werden konnten, um ein polizeiverachtendes Urteil zu fällen, entzieht sich jeder Vorstellungskraft. Gibt aber natürlich eine Bomben-Verschwörungstheorie...
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  • R. B.
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  • H. E.
    Wenn solche Leute an der Spitze der Verantwortung stehen ist das kein Wunder. Genau dies hat Albatros gemeint. Ich hätte die Strafe extrem erhöht um das Zehnfache. Der Polizist leider ja bedauerlicherweise auch für immer unter den Folgeschäden. Nur knallharte Bestrafung wirkt .
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  • S. K.
    so richtig Ahnung haben Sie von der Gesetzeslage und Rechtsprechung (v.a Strafzumessung) aber nicht oder? Gut das Richter nicht nach dem Bauchgefühl einiger Bürger entscheiden...
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  • R. B.
    Herr Ratzeburger, wenn eine ehemalige SED und spätere Linksextremistin als Hüterin der Verfassung eingesetzt wird, dann hat dies sehr wohl eine einflussnehmende Wirkung auf die Rechtsprechung. Ich bin selbst mit zwei Richtern befreundet und deren politische Neigung spiegelt sich nicht selten in deren Urteilen wider. Vielleicht haben Sie jetzt verstanden was ich zum Ausdruck bringen wollte.
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  • P. K.
    Und dass sich bei Ihren Richterfreunden die politische Einstellung in den Urteilen widerspiegelt, stört nicht?
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  • S. K.
    Albatros: mein Post bezog sich auf die "10-fach" Forderung von Hubi62...wobei ich in keiner Weise die Straftat verteidigen möchte. Richter sind allerdings unabhängig, oder sollten dies sein. Andernfalls könnte ggf. der Verdacht der Rechtsbeugung nahe liegen.
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  • H. E.
    Vielleicht werden Sie ja mal Opfer einer Straftat. Dann können Sie selbst erleben, wie es ist ein Leben lang mit den Folgen kämpfen zu müssen. Sie leben wirklich fern jeder Realität. Unsere Gesetzgeber und einige Richter mit Ihrem Kuschelkurs für die Täter ist beschämend. Denkt denn niemand an die Opfer ? Na ja so lange es Menschen mit Ihrer Einstellung gibt, wird sich auch nichts ändern. Harte Strafen und Abschreckung sind wichtig und richtig. Hoffentlich hat die Mehrheit der Bürger/innen nicht Ihre Einstellung.
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  • S. K.
    Hubi62: ich lebe in der Realität und bin durchaus für konsequente Bestrafung und gegen "Kuschelkurse". Vorliegend hätte man durchaus eine Haftstrafe ohne Bewährung verhängen können. Bewährung ist aber zunächst der Regelfall wenn keine Vorstrafen bestehen etc. Es ging mir allerdings lediglich um Ihre Forderung, nach welcher sich nach meiner Berechnung dann 17,5 Jahre Haft ergeben würden...das wäre hier ja wohl unangemessen, meinen Sie nicht?
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