Chan-jo Jun lässt nicht locker. In seinem Kampf gegen Hass und Hetze im Internet nimmt der Würzburger Fachanwalt für IT-Recht jetzt den Dienstleister Arvato ins Visier. Mitarbeiter der Bertelsmann-Tochter entscheiden im Auftrag von Facebook, inwieweit Beiträge gelöscht werden, die Nutzer als volksverhetzend, gewaltverherrlichend oder verleumdend melden.
Nach Überzeugung Juns unternimmt Facebook zu wenig gegen solche Kommentare – und macht sich damit strafbar. Aufgrund einer Anzeige des Anwalts ermittelt die Staatsanwaltschaft München derzeit unter anderem gegen Facebook-Gründer Mark Zuckerberg wegen Beihilfe zur Volksverhetzung. Jun will nicht ausschließen, auch gegen Arvato-Manager juristisch vorzugehen.
Ausführlicher Brief
Zunächst aber hat er ihnen einen ausführlichen Brief geschrieben. Darin heißt es unter anderem, Mitarbeiter von Arvato wirkten an einer „systematischen und massenhaften Rechtsverletzung“ durch Facebook mit. Jun listet zahlreiche Beispiele auf, wo der Plattform Verstöße gegen deutsches Recht gemeldet, die Beiträge aber nicht gelöscht wurden – mit der Begründung, sie verstießen nicht gegen „Community-Standards“.
Darunter sind Mordaufrufe gegen Bundeskanzlerin und Bundespräsident („an den nächsten Baum“), Hetze gegen Minderheiten („Töten und ausrotten“, „sollte man alle vergasen“), aber auch Gewaltdarstellungen wie Bilder von abgeschlagenen Köpfen. Wie mehrfach berichtet, hat der Anwalt seit einem Jahr rund 450 Beiträge an Facebook gemeldet, die aus seiner Sicht strafrechtlich relevant sind, von denen aber nicht einmal die Hälfte innerhalb weniger Tage entfernt wurde.
Keine Antwort
Facebook hat sich zu den Kriterien seiner Löschpraxis bislang nur vage geäußert. Arvato tut dies gar nicht. Gegenüber dieser Redaktion bestätigt ein Unternehmenssprecher lediglich den Eingang des Anwaltsschreibens aus Würzburg. Auf konkrete Fragen zum Umgang mit Hass-Beiträgen gibt es keine Antwort.
Gleichwohl hofft Jun, dass die Bertelsmann-Tochter Arvato Einfluss auf den Facebook-Konzern nimmt. Er wolle deswegen auch an Liz Mohn, die mächtige Frau im Bertelsmann-Konzern, schreiben. Die Mitwirkung an der Verbreitung von Hass könne nicht in ihrem Interesse sein, glaubt der Anwalt. Zumal Mohn als enge Vertraute von Bundeskanzlerin Angela Merkel gilt.
Merkels CDU hat derweil auf dem Parteitag in Essen beschlossen: „Persönlichkeitsverletzende oder strafbare Kommentare müssen auf Verlangen von den Anbietern der Kommunikationsplattformen gelöscht und strafrechtlich verfolgt werden können.“ Das Netz dürfe nicht dazu beitragen, „dass Menschen im Schutz der Anonymität Straftaten begehen können“, sagen die Christdemokraten.
Politik bewegt sich
Auch bei der CSU setze sich die Einsicht durch, dass mehr getan werden muss, um dem Hass im Internet zu begegnen, sagt Jun. Kürzlich war er auf Einladung von Staatssekretärin Dorothee Bär Referent beim Netzkongress der Partei in München.
Konkret schlägt der Anwalt vor, Plattformen wie Facebook gesetzlich zu verpflichten, einen Verantwortlichen mit deutscher Adresse zu benennen, der – „vergleichbar mit dem verantwortlichen Redakteur einer Zeitung“ – zur Rechenschaft gezogen werden kann, wenn ein Nutzer seine Rechte geltend machen möchte. Jun: „Da wäre schon viel geholfen.“
Live im Fernsehen
Allein darauf zu setzen, dass die sozialen Medien freiwillig gegen den Hass im Internet vorgehen, wie es Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bislang favorisiert, reiche nicht aus, so Jun. Voraussichtlich kann er das dem Minister schon am Donnerstag selbst sagen. Das ARD/ZDF-Morgenmagazin will den Anwalt zu einem Studiogespräch mit Maas live aus Würzburg zuschalten.