Mit Stars kennt sich Dietmar Müller-Elmau aus. Im Konzertsaal seines Fünf-Sterne-Superior-Schlosshotels im Werdenfelser Land empfängt der umtriebige 60-Jährige schließlich seit Jahren berühmte Musiker, Philosophen oder Literaten. Loriot hat in Schloss Elmau seine berühmten Sketche vorbereitet. „Zeit“-Chefredakteur Giovanni die Lorenzo war gerade für eine Lesung da. In den nächsten Wochen kommen unter anderem der streitbare Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger, der Jazz-Musiker Nils Landgren oder der Schauspieler und Musiker Jan Josef Liefers nach Elmau. „Nur die Besten“, wie der Schlossherr in entwaffnender Unbescheidenheit behauptet.
Bei so viel Selbstbewusstsein kann es nicht verwundern, dass den dynamischen Hotelier auch die sehr speziellen Gäste nicht aus der Fassung bringen, die er Anfang Juni erwartet: Zum G7-Gipfel werden die Regierungschefs und Präsidenten der größten Industriestaaten bei Müller-Elmau zu Gast sein. „Ich hatte immer im Hinterkopf, dass hier ein Gipfel stattfinden könnte“, sagt er. Der „Genius Loci“ in unvergleichlicher Natur – „das Tal ist weit, hier unten ist es geborgen“ – was könnte besser geeignet sein, um wichtige Entscheidungen zu treffen, findet der Hotelier. Und selbst Sonderwünsche müssten die Staatsgäste nicht einmal vorher anmelden: „Wir können jeden Wunsch erfüllen.“
Die angemessene Beherbergung ist ebenfalls kein Problem: Vor gut einer Woche eröffnete Müller-Elmau nur einen Steinwurf vom eigentlichen Hotel entfernt einen 40-Millionen-Euro-Neubau. Einen „Retreat“ wie er das nennt, einen Rückzugsort mit 47 Suiten. „Das ist alles ganz schlicht, kein Protz“, behauptet Müller-Elmau. Die Räume seien auch „nicht für Präsidenten gemacht, sondern für Familien“.
Dass er extra für den Gipfel acht gleiche Suiten geplant habe, um keinen der Staatschefs inklusive des inzwischen ausgeladenen russischen Präsidenten Wladimir Putin zu benachteiligen, sei allerdings eine Medienente, stellt Müller-Elmau klar. Es gebe nur sechs gleiche Suiten, dazu nochmal fünf anders geschnittene, aber alle zwischen 120 und 200 Quadratmeter groß. „Es gibt keinen schlechten Platz bei uns, jeder Raum hat seinen Reiz.“
Wo genau etwa US-Präsident Barack Obama in der Gipfelnacht sein Haupt betten wird, sei dagegen noch offen. Klar ist allerdings schon, was ein Normalsterblicher anlegen muss, der nach dem Gipfel Obamas „Presidential Suite“ buchen will: ab 900 Euro aufwärts. Pro Nacht versteht sich.
Nicht ganz so begeistert von dem Idyll in den Alpen ist Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Zumindest mit Blick auf die polizeiliche Absicherung des Gipfels. „Wir haben uns den Ort nicht ausgesucht“, brummt Herrmann bei einem Pressetermin im Elmauer Schloss. „Doch jetzt müssen wir uns um die Sicherheit kümmern.“
Der Schutz des Gipfels, den Herrmann mit zu verantworten hat, ist zweifellos die größte Herausforderung, der sich die bayerische Polizei seit langem stellen muss: Rund 15 000 Polizisten werden im Einsatz sein, davon laut Polizeigewerkschaft etwa 500 aus Unterfranken. Ein 80-köpfiger Planungsstab arbeitet seit gut einem Jahr akribisch an allen Eventualitäten (siehe nebenstehender Text).
„Wir sind sehr gut vorbereitet“, beteuert Herrmann. Über zehntausend Betten in der Region sind für die Beamten bereits gebucht. Auch die Verpflegung (Herrmann: „Meine Devise lautet seit jeher: Ohne Mampf keinen Kampf“) sei nach jüngsten Schlagzeilen über Elf-Euro-Wucherpreise regionaler Metzger für ein Leberkäs-Brötchen inzwischen einvernehmlich geklärt, beteuert Herrmann.
Ernster sind ohnehin die Einsatzfragen. Beim letzten deutschen Gipfel 2007 im Ostseebad Heiligendamm „konnte man jede Person auf fünf Kilometer am Strand sehen“, sagt Herrmann. In den dicht bewaldeten Bergen rund um Elmau sei dies völlig anders. Die österreichische Grenze ist zudem nur einen Steinwurf entfernt – und wohl kaum komplett zu sichern.
Der Innenminister setzt deshalb neben eigener Stärke auf europäische Kooperation: „Wir sind mit Österreich und Italien im Gespräch, Kontrollen schon am Brenner zu machen“, sagt er. Auch an den bayerischen Grenzübergängen soll es während des Gipfels wieder Kontrollen geben – was nicht ganz unproblematisch ist, weil es sich um das letzte Wochenende der bayerischen Pfingstferien handelt.
Zudem hätten die jüngsten Ausschreitungen zur EZB-Eröffnung in Frankfurt zwar gezeigt, dass gewaltbereite Gruppen gut vernetzt und gut organisiert sind. „Es ist aber nicht jedermanns Sache, über die Berge zu steigen“, hofft Herrmann. Denn: „Nicht alle Chaoten sind körperlich fit.“ Und falls doch, sei die Polizei auch auf gewalttätige Szenarien wie kürzlich in Frankfurt bestens vorbereitet, beruhigt der Minister: „Dass so etwas passieren kann, ist leider nichts Neues.“
Von großer Unruhe in der Bevölkerung wegen der drohenden G7-Demonstrationen ist in der Region ohnehin wenig zu spüren: „Wir haben großes Vertrauen in unsere bayerische Polizei“, bestätigt der Garmischer Landrat Toni Sperr (Freie Wähler). Die Region hoffe vor allem darauf, sich „vor der Weltpresse und einem Weltpublikum als guter Gastgeber zu präsentieren“. Richtig ist allerdings wohl auch, dass die „mehrheitlich positive Stimmung“, die auch Minister Herrmann vor Ort wahrnimmt, durch eine Reihe von Wohltaten befördert wurde, die der Freistaat in dem 130-Millionen-Euro Budget für den Gipfel unterbrachte: Zwei neue Bahnsteige etwa in Mittenwald und in Klais – obwohl die Bahnstrecke dort während des Gipfels gesperrt ist. Frisch geteerte Straßen. Oder neue Feuerwehrautos in Mittenwald, Krün und Garmisch-Partenkirchen.
Ärger gibt es derzeit vor allem wegen der von Gipfelgegnern gewünschten Camps, in denen ein Großteil der Demonstranten unterkommen soll. „Wir haben nichts gegen friedliche Demonstranten“, holt Landrat Sperr zu diesem brisanten Thema weit aus. In Camps könnten allerdings auch Gewaltbereite leicht Unterschlupf finden. Und überhaupt: Im Frühsommer seien gar keine Wiesen verfügbar: „Wir brauchen alle Flächen für die Futtergrundlage.“ „Wir haben keine freien Plätze, die nicht von der Polizei gebraucht werden“, bestätigt auch die Garmischer Bürgermeisterin Sigrid Meierhofer (SPD).
„Wir sind zuerst einmal unserer Bevölkerung verantwortlich“, findet zudem der Mittenwalder Rathaus-Chef Adolf Hornsteiner (CSU). Auch hätten sich die Gipfelgegner nicht an Absprachen gehalten: So sei etwa zunächst zugesagt worden, keinen Demo-Zug in Richtung Elmau organisieren zu wollen – was jetzt nicht mehr gelte. Er sei deshalb für seine Gemeinde zu dem Ergebnis gekommen, keine Flächen für Camps zur Verfügung zu stellen, sagt Hornsteiner: „Und es gibt hier in der Region für jeden, der friedlich demonstrieren will, genügend Übernachtungskapazitäten.“
Ein Satz, der Benni Ruß vom Aktionsbündnis „Stopp-G7-Elmau“ auf die Palme bringt: „Das Recht auf Meinungsfreiheit darf doch nicht vom Geldbeutel abhängen“, findet er. Und auch von gebrochenen Zusagen könne absolut keine Rede sein: „Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir einen Sternmarsch nach Elmau wollen.“ Am 7. Juni, dem ersten Gipfeltag, soll dieser Zug von Garmisch und Mittenwald in Richtung Gipfelschloss führen. Der Protest müsse für die Staatschefs hörbar sein, fordert Ruß: „Doch die Sicherheitszone wird nach und nach ausgeweitet, ohne zu sagen, warum.“ Am Tag zuvor ist zudem eine Großdemo in Garmisch mit rund 5000 Teilnehmern geplant. Auch Sitzblockaden auf den Zufahrtsstraßen soll es geben.
Und was die Gewalt betrifft: „Wir rufen genauso wenig zu Gewalt auf, wie Blockupy in Frankfurt zu Gewalt aufgerufen hat“, sagt Ruß. Da man aber nicht kontrollieren könne, wer nach Garmisch kommt, „können wir Gewalt auch nicht ausschließen“. Ein zentrales Camp könne aber sehr wohl deeskalierend wirken – dies habe auch der Gipfel in Heiligendamm gezeigt, glaubt Ruß. Doch die Gemeinden wollten gar keinen Kompromiss: mit den Protestierern: So sei etwa eine Autoschau auf dem Parkplatz der Hausbergbahn in Garmisch „offenbar wichtiger“.
„Man meint in den Rathäusern, wenn man keine Flächen zur Verfügung stellt, dann kommt auch keiner“, glaubt die Garmischer Grüne Tessy Lödermann. Dies sei aber ein Trugschluss, der zu einem gefährlichen Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizei und gewaltbereiten Demonstranten führen könnte. „Ich habe jetzt mehr Angst um unseren Landkreis“, sagt Lödermann, die keinen Zweifel an ihrer Ablehnung jeglicher Gewalt lassen möchte. In ihrer ersten Einschätzung sieht sich die frühere Landtagsabgeordnete allerdings bestätigt: Elmau sei ohne Zweifel ein idyllischer Ort. „Aber es ist der falsche Platz für einen G7-Gipfel.“
G7-Gipfeltreffen
Auf Schloss Elmau findet am 7. und 8. Juni der G7-Gipfel statt. Teilnehmen werden neben Bundeskanzlerin Angela Merkel der französische Präsident François Hollande, der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi, der japanische Premier Shinzo Abe, der kanadische Premierminister Stephen Harper und US-Präsident Barack Obama. Der britische Premier David Cameron muss sich Anfang Mai noch einer Parlamentswahl stellen. Der Gipfel ist das 41. Treffen dieser Art. Gegründet wurde die Gruppe 1975 als Gruppe der Sechs (G6) im Rahmen eines Kamingespräches in Frankreich – als Reaktion auf gemeinsame Probleme durch die Ölkrise in den größten westlichen Industrienationen. Bereits ein Jahr später machte Kanada den Kreis zur G7. Von 1998 bis 2014 war auch Russland Mitglied des elitären G8-Kreises. Wegen der Krim-Krise wurde Russland am 25. März 2014 ausgeschlossen und der Gipfel in Sotschi abgesagt. Stattdessen fand ein improvisiertes G7-Treffen in Brüssel statt. Deutschland ist zum sechsten Mal Gipfel-Gastgeber – nach 1978 und 1985 in Bonn, 1992 in München, 1999 in Köln und 2007 in Heiligendamm. Der letzte bayerische Gipfel 1992 in München blieb unter anderem deshalb in Erinnerung, weil in der Münchner Innenstadt rund tausend Polizisten Gipfelgegner mehrere Stunden lang einkesselten. 480 Personen wurden festgenommen. Der damalige bayerische Ministerpräsident Max Streibl (CSU) kommentierte diesen „Münchner Kessel“ mit den Worten: „Wenn einer glaubt, sich mit Bayern anlegen zu müssen, dann muss er wissen, dass hartes Hinlangen bayerische Art ist.“ Text: rys