Die Liebe zu einem älteren Landsmann kam der 16-jährigen Mezgin in ihrer neuen Heimat Unterfranken teuer zu stehen: Zuerst bezog das syrische Flüchtlingsmädchen aus Aleppo Prügel vom Vater, dann sollte sie heiraten, weil sie nicht mehr Jungfrau war. Am Ende wurde sie ermordet. Immer deutlicher wird ein abgrundtiefes Drama im Fall der Aschaffenburger Schülerin Mezgin Nassan aus Syrien sichtbar.
Skelett der Vermissten lag monatelang unentdeckt im Wald
Spaziergänger hatten am 9. Dezember - nicht weit vom Wohnort des seit 19 Monaten verschwundenen Mädchens - im Wald ein Skelett gefunden. Ermittlungen der Kripo Aschaffenburg und der Rechtsmedizin in Würzburg ergaben: Es waren die sterblichen Überreste der 16-jährigen Schülerin Mezgin Nassan. Die war Anfang Mai 2017 vermisst gemeldet worden. Mehrfach war auch im Main mit Tauchern nach der 16-Jährigen gesucht worden – ohne Ergebnis. Über Einzelheiten der Obduktion schweigen die Ermittler, aber nach dem Leichenfund ermittelt die Kripo jetzt wegen Mordes.
Eine Schlüsselrolle spielt in dem Fall ihr Vater Hashem Nassan. Mit ihm und einem Stiefbruder war Mezgin 2015 aus dem Bürgerkriegsland hierher geflohen, um Schutz zu finden. Der 44-Jährige ist untergetaucht, wird wegen des Verdacht des Mordes an seiner Tochter mit internationalem Haftbefehl gesucht – auch wegen eines weiteren versuchten Tötungsdeliktes vier Wochen später an ihrem syrischen Freund. Mit den Ermittlungen vertraute Insider deuteten dieser Redaktion bereits vor Tagen an: Fahnder vermuteten den Vater in der Türkei.
Video des tanzenden Vaters in Istanbul
Dies bestätigt Mezgins Mutter Hevin im Flüchtlingsheim in Goldbach bei Aschaffenburg jetzt gegenüber „Bild“. Sie behauptet: Er verstecke sich in Istanbul: „Er schickte mir ein Video. Es zeigt, wie er dort tanzt“. Ihr Mann, der auch ihr gegenüber handgreiflich geworden sein soll, ist inzwischen von ihr geschieden. Dennoch glaubt sie nicht, dass er seine 16-jährige Tochter umgebracht hat: „Er hat sie manchmal geschlagen, aber er würde unsere Tochter nie töten“, sagt Hevin.
Mit dem neuen Freund seiner Tochter, dem 23-jährigen Landsmann Shekho R., war der Vater offenbar gar nicht einverstanden. Laut der Mutter soll Mezgins Stiefbruder ihm gedroht haben: Er enthülle dem Vater die Beziehung, wenn ihm der Freund kein Schweigegeld zahle. Stattdessen soll er Prügel bezogen haben. Auf Anfrage sagt Polizeisprecher Michael Zimmer dazu: Über relevante Einzelheiten des Falles werde man sich aus ermittlungstaktischen Gründen derzeit nicht äußern.
Dann erfuhr der Vater aber offenbar doch von der Beziehung. Das Mädchen sollte Shekho heiraten. Doch die Mutter sagt: Die beiden bekamen Krach, Mezgin habe die Verlobung abgesagt - nur einen Tag, bevor sie am 4. Mai 2017 nach Schulschluss gegen 11 Uhr verschwand. Mit ihr verschwand ihr auffälliger Rucksack, nach dem die Ermittlungskommission (Eko) „Rucksack“ zur Klärung des Mordes benannt ist.
Vater wollte den Freund seiner Tochter erstechen
Möglicherweise wollte sich der Vater vier Wochen später Freund Shekho „kaufen“. Gut eine Stunde nach Mitternacht trafen sich die beiden – offenkundig nicht nur zum Reden - in der Nacht zum Freitag 2. Juni 2017 am Aschaffenburger Floßhafen, wie Polizeisprecher Michael Zimmer bestätigt. Der Vater stach zu, traf den jüngeren Mann in den Hals und floh.
Der 23-Jährige wurde von Anwohnern gefunden und vom Rettungsdienst in eine Klinik gebracht. „Die nach der Tat unverzüglich eingeleiteten Fahndungsmaßnahmen blieben bis jetzt ohne Ergebnis“, sagt der Polizeisprecher. Seine Kollegen fahnden mit Hochdruck nach dem Verdächtigen. „Inwiefern die Tat etwas mit dem damaligen Verschwinden der 16-Jährigen zu tun haben, ist weiterhin Gegenstand der Ermittlungen der zehnköpfigen Ermittlungskommission.“