
Die Rückrufaktion der Großmetzgerei Sieber weitet sich zu einem Lebensmittelskandal aus: Das Unternehmen aus dem oberbayerischen Geretsried muss nach eigenen Angaben Hunderte Tonnen Wurst und Fleisch vernichten, nachdem das zuständige Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen am Freitag einen Auslieferungsstopp und einen Rückruf aus Supermärkten, Kantinen und Großküchen angeordnet hatte. Die bayerische Lebensmittelüberwachung hatte zuvor in fünf Produkten der Metzgerei Listerien entdeckt.
Geschäftsführer kündigt Klage an
Der Fund könnte auch rechtliche Folgen für die Metzgerei haben. Die Staatsanwaltschaft München II prüft, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, sagte Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich auf Anfrage. Bei einer Pressekonferenz kündigte der Geschäftsführer von Sieber, Dietmar Schach, unterdessen ebenfalls juristische Schritte an: Sein Unternehmen wolle gegen den Produktionsstopp klagen. Die Aktion sei seiner Meinung nach politisch motiviert und habe mit den Versäumnissen in der Bayern-Ei-Affäre zu tun, sagte er. Den täglichen Schaden für sein Unternehmen bezifferte er mit 100 000 Euro. Das Verbraucherschutzministerium wehrte sich prompt. „Die zuständigen Behörden handeln konsequent zum Schutz der Verbraucher“, heißt es in einer Mitteilung.
Ein Sprecher des Verbraucherschutzministeriums erklärte, der Rückruf werde amtlich überwacht. „Außerdem wurden weitere Proben genommen, die noch ausgewertet werden.“
Die Opposition kritisiert derweil die Lebensmittelkontrollen im Freistaat. Florian von Brunn, Verbraucherschutz-Experte der SPD, sagte in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk, dass die amtlichen Kontrolleure überfordert seien. Er forderte, eine Experteneinheit des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit einzurichten.
Wissenschaftler des Robert-Koch-Instituts gehen davon aus, dass ein seit 2012 aufgetretener Listeriose-Ausbruch „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ in Zusammenhang mit einem Produkt der Metzgerei – dem „Original Bayerischen Wammerl“ – steht. Die Ermittlungen dauerten aber noch an. Das Produkt wurde in zahlreichen Discountern und Supermärkten auch in Franken verkauft.
70 bis 80 Menschen sind nach Angaben des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit seit 2012 in Süddeutschland an dieser speziellen Form der Listeriose erkrankt, 22 davon in Bayern. Vier Menschen sind demnach direkt an den Folgen dieser Listeriose gestorben. Vier weitere Patienten starben ebenfalls, allerdings nicht „hauptursächlich“ durch eine Infektion mit Listerien. Alle Toten waren älter als 50 Jahre.

Sieber-Geschäftsführer Dietmar Schach entschuldigte sich bei den Verbrauchern. Wie die Keime in das Unternehmen getragen wurden, sei weiter unklar, betonte er. Schach wollte sich nicht dazu äußern, ob die Firma eine Insolvenz noch abwenden könne. Insgesamt 120 Mitarbeiter könnten ihre Arbeit verlieren.