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Würzburg
Facebook-Held auf der A6: Der Polizist, der Gaffer bloßstellte
Mit seinem ungewöhlichen Vorgehen gegen Gaffer nach einem tödlichen Unfall wurde Polizist Stefan Pfeiffer im Mai zum Social-Media-Helden. Wie denkt er heute über den Einsatz?
'Schämen sollten Sie sich.' Im Mai stellte Stefan Pfeiffer, Leiter der Verkehrspolizei Feucht, nach einem Unfall auf der A6 Schaulustige mit deutlichen Worten zur Rede.
Foto: NEWS5 / Grundmann | "Schämen sollten Sie sich." Im Mai stellte Stefan Pfeiffer, Leiter der Verkehrspolizei Feucht, nach einem Unfall auf der A6 Schaulustige mit deutlichen Worten zur Rede.
Anna-Lena Behnke
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:07 Uhr

Es war eine der ungewöhnlichsten Polizei-Aktionen des Jahres. Nach einem Auffahrunfall auf der A6 bei Roth in Mittelfranken war es wegen etlicher Schaulustiger auf der Gegenfahrbahn zu einem Stau gekommen. Mit Smartphones und Tablets filmten Autofahrer ungeniert den Unfallort. Stefan Pfeiffer, Leiter der Verkehrspolizei Feucht, platzte der Kragen: "Sie wollen tote Menschen sehen? Fotos machen? Schämen sollten Sie sich." Mit solchen deutlichen Worten ging er auf die Gaffer zu. Der Videomitschnitt ging viral, Pfeiffer wurde zum Social-Media-Helden. Im Interview erklärt der Polizist, was er rückblickend über seinen Einsatz denkt.

Frage: Wie denken Sie heute – mit ein bisschen Abstand – über die Aktion?

Stefan Pfeiffer: Auch aus meiner heutigen Sicht war mein Verhalten in der Situation richtig. Ich habe aus der Öffentlichkeit und von Polizeikollegen aus ganz Europa sehr positive Zuschriften und Rückmeldungen gekriegt, aber es hat natürlich auch innerhalb der Organisation kritische Stimmen gegeben. Das ist ja auch berechtigt.

Welche Kritik gab es?

Pfeiffer: Es kamen Fragen wie "Darf ein Polizist einen Fremden einfach mal duzen?" und "Darf ein Polizist jemanden anschreien?". Letztendlich muss man die Situation vor Ort kennen, um meine Reaktion zu verstehen. Das da draußen ist kein Spielplatz. Da ist es laut und es herrscht manchmal ein rauer Umgangston. Aus meiner persönlichen Wahrnehmung war das deshalb in dieser Situation angebracht. In der Ausbildung lernen unsere jungen Kollegen so etwas aber natürlich nicht als Standardverhalten.

Haben Sie mit so viel Resonanz gerechnet?

Pfeiffer: Wir sind jetzt schon gute 2000 Unfälle, sechs Verkehrstote und etwa 300 Verletzte weiter  – allein bei uns in der Dienststelle. Aber es braucht keinen schweren Unfall. Es reicht letztendlich ein Blaulicht, ein paar Trümmer auf der Fahrbahn und stockenden Verkehr und schon hat man den Effekt, dass Leute den Verkehr verzögern, indem sie Bilder und Videos machen. Letztendlich ist das für uns Tagesgeschäft. Deshalb war ich damals sehr überrascht, über die Wirkung des Videomitschnitts in den Medien und in der Öffentlichkeit.

Haben Sie eine Vermutung, warum die Aktion so gut angekommen ist?

Pfeiffer: Ich habe mir lange Gedanken gemacht. Verkehrsopfer haben in Deutschland eigentlich grundsätzlich keine Lobby. Wir hatten letztes Jahr 3275 Verkehrstote. Aber wir sehen das in Deutschland in bisschen so als Kollateralschaden. Wenn man nicht direkt oder indirekt betroffen ist, dann ist das eine Zeitungsnotiz und fertig. Ich denke, dass ich diesen getöteten Mann aus Ungarn ein bisschen aus der Anonymität geholt habe und die Leute deshalb auch so betroffen waren.

Warum sind Gaffer überhaupt so ein Problem?

Pfeiffer: Ich mache den Job auf der Autobahn jetzt seit zwölf Jahren. In dieser Zeit gab es mit dem Smartphone eine technische Entwicklung, die es ermöglicht, jederzeit Bilder zu machen und online zu posten. Im Lokal ist es für viele Leute ja auch normal, ihr Essen zu fotografieren und das gleich ins Netz zu stellen. Deswegen wundert es mich nicht, wenn Leute an einem Unfall vorbeifahren und da Bilder und Videos machen – egal ob dabei eindeutig Schamgrenzen überschritten werden.

Gaffer gefährden aber auch sich und die Einsatzkräfte.

Pfeiffer: Das Problem ist, dass die Leute dermaßen abgelenkt sind, dass sie dann zum Beispiel in Mittelleitplanken oder in das Fahrzeug vor ihnen fahren. Außerdem haben wir natürlich ein hohes Interesse daran, denn Verkehr wieder ins Fließen zu bringen. Da ist es kontraproduktiv, wenn ich mich vorne bemühe, den Verkehr am Unfallort vorbei zu leiten und die Leute dann dort in Schrittgeschwindigkeit fahren oder sogar anhalten und den Stau damit noch mehr aufbauen.

Gab es durch die große Aufmerksamkeit für das Video einen Lerneffekt bei den Autofahrern?

Pfeiffer: Es ist eine öffentliche Diskussion entbrannt, die hoffentlich den ein oder anderen zum Nachdenken bringt. Bisher ist es aber so, dass wir draußen noch keine effektive Wirkung spüren.

Die Bundesregierung hat ein härteres Vorgehen gegen Gaffen beschlossen. Wer Tote fotografiert, dem drohen künftig eine Geldstrafe oder bis zu zwei Jahre Haft. Ist das Ihrer Meinung nach der richtige Weg?

Pfeiffer: Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, wird aus meiner Sicht die Problematik aber nicht grundlegend ändern. Wir werden sicher den einen oder anderen Fall haben, aber die Masse sind Ordnungswidrigkeiten, weil Leute gleichzeitig fahren und filmen. Hier haben wir das Problem, dass wir theoretisch jeden, der mit dem Handy in der Hand vorbeifährt, anhalten müssten, um diesen Verstoß zu ahnden. In Deutschland haben wir nämlich leider die Regel, dass wir als Polizei dem Fahrzeughalter nachweisen müssen, wer das Fahrzeug zu dem Zeitpunkt geführt hat. Das ist per se nicht möglich. Wir können ja nicht mit 40 Polizeibeamten anrücken, damit sich 35 um Leute, die filmen, kümmern. Deshalb wäre es wünschenswert, dass in Deutschland auch endlich die Halterhaftung im fließenden Verkehr eingeführt würde.

Was bedeutet das?

Pfeiffer: Durch die Halterhaftung wäre der Halter verpflichtet, der Polizei Auskunft zu geben, wer zum Zeitpunkt der Ordnungswidrigkeit gefahren ist. Sagt er uns das nicht, dürften wir ihn so behandeln, als hätte er die Ordnungswidrigkeit begangen.

 
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Kommentare
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  • michael-kreissig@mailbox.org
    Eine gewisse Abstumpfung kommt auch aus Film und Fernsehen. Wie viel "Tote" da täglich zu sehen sind.... Und wenn ich dann sehe, wie oft ein Unfall bei der Formel 1 wiederholt werden, dann wundert mich manchmal nichts mehr.
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  • bundmufr@web.de
    und was hat das nun mit Formel 1 zu tun? Wie oft gibt es Tote bei der Formel 1? Ihr Kommentar ist unnötig und unqualifiziert.
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