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Eine Wohnung, ein Beitrag
Mit der sogenannten Haushaltsabgabe ist seit 1. Januar die Bezahlung für ARD und ZDF neu geregelt. Statt für Geräte werden Bürger nun für ihre Wohnung veranlagt.
Nicht die Zahl zählt: Egal, wie viele Fernsehgeräte in einer Wohnung stehen und wer sie nutzt – es wird ein einziger Beitrag fällig.
Foto: dpa | Nicht die Zahl zählt: Egal, wie viele Fernsehgeräte in einer Wohnung stehen und wer sie nutzt – es wird ein einziger Beitrag fällig.
Von dpa-Korrespondent Esteban Engel
 |  aktualisiert: 03.01.2013 12:05 Uhr

Seit diesem Jahr gibt es kein Entkommen mehr: Für jeden Haushalt in Deutschland wird seit 1. Januar ein Beitrag für den Empfang von ARD, ZDF und Deutschlandradio fällig. Der Regelbetrag von 17,98 Euro im Monat hängt dann nicht mehr davon ab, ob und wie viele Radio- und Fernsehgeräte in einer Wohnung oder Arbeitsstätte stehen. Mit dem neuen Rundfunkbeitrag wird flächendeckend und lückenlos kassiert. Eine Wohnung, ein Beitrag so lautet die Faustregel.

Nachfragen, wer welche Geräte bereithält, sollen entfallen, heißt es aus der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) in Köln, die jetzt als Beitragsservice firmiert. Mit der Umstellung reagiert die Medienpolitik auf die Internet-Revolution. Ob „Tagesschau“ oder „Wetten, dass?“ – längst lassen sich die Angebote nicht nur auf dem Fernseher oder Radio empfangen, sondern auch auf PC, Smartphone oder Tablet. Wenn das Handy ein UKW-Radio hat und „Anne Will“ in der Mediathek steht, mutet eine Abgabe auf die klassischen Apparate in der Tat ziemlich alt an.

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Herumschnüffelnde GEZ-Kontrolleure an der Haustür soll es nicht mehr geben. Wenn jede Wohnung und jedes Büro, jede Werkstatt und jedes Hotel zahlen muss, ist es egal, wer wo welche und wie viele Geräte besitzt. Für Schwarzseher wird es allerdings eng: Die Einwohnermeldeämter teilen dem Beitragsservice Ein- oder Auszüge mit.

Für die meisten Bürger wird sich vermutlich wenig ändern: Sie zahlen heute schon den Höchstbetrag. Rund 600 000 Radiohörer, die keinen Fernseher haben, müssen künftig deutlich tiefer in die Tasche greifen. Statt der Grundgebühr von 5,76 Euro wird dann der volle Betrag fällig – eine Staffelung nach Gerät gibt es nicht mehr.

Allerdings dürften rund 1,5 Millionen Menschen auch sparen. So muss pro Wohngemeinschaft nur noch einmal gezahlt werden, egal wie viele WG-Genossen unter einem Dach leben. Ähnlich ist es bei Menschen mit eigenem Einkommen, die noch bei den Eltern wohnen: Zahlen die Eltern die Gebühr, hören und schauen die Kinder ohne Abgabe. Für Behinderte gibt es eine Sozialklausel, bei Hotels und anderen Betrieben wird der Beitrag gestaffelt.

Grundlage des Modells ist ein Gutachten des früheren Verfassungsrichters Paul Kirchhof für ARD und ZDF. Allein die Möglichkeit, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen, mache die Abgabe zur Pflicht, schrieb Kirchhof. Im 15. Rundfunkstaatsvertrag legten die Länder den neuen Bezahlmodus fest. Ohne eine Reform, sagt Martin Stadelmaier, führender Medienpolitiker der SPD, würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk bis 2020 wegen der demografischen Entwicklung etwa eine Milliarde an Einnahmen verlieren.

„Ob es bei den 17,98 Euro im Monat bleibt, ist noch unklar“, sagt der Medienwissenschaftler Joachim Trebbe (Freie Universität Berlin). Das werde davon abhängen, ob mit dem neuen Modell die Einkünfte der öffentlich-rechtlichen Sender von zur Zeit rund 7,5 Milliarden Euro im Jahr auf diesem Niveau gehalten werden. Erst wenn feststeht, wieviel die neue Gebühr in die Kassen von ARD und ZDF spült, will die Finanzkommission der Sender (KEF) über eine Anpassung entscheiden.

Die Reform hat nicht nur Freunde. Bei den Landtagen gingen Hunderte Beschwerden ein. Der Passauer Jurist Ermano Geuer klagt vor dem Bayerischen Verfassungsgericht gegen die Gebühr. Jeder müsse den Beitrag zahlen, egal ob er die Leistung in Anspruch nimmt oder nicht, kritisiert Geuer.

Digitalkanäle, Mediatheken, Internet – tatsächlich haben ARD und ZDF in den vergangenen Jahren deutlich auf Expansionskurs gesetzt. Die Sender argumentieren unter anderem, wenn sie die jüngere Generation erreichen wollten, müssten sie vor allem online präsent sein. Nicht alle sind von den Argumenten überzeugt – die Presseverleger etwa. Für sie ist die kostenlose „Tagesschau“-App eine aus Gebühren finanzierte Internet-Zeitung und damit unlautere Konkurrenz. Die Privatsender reiben sich an den Ausgaben für Sportevents aus dem Milliardentopf der Gebühren.

„Die Nimmersatten“ heißt eine Polemik des „Handelsblatt“-Journalisten Hans-Peter Siebenhaar gegen das „Gebührenfernsehen“. Siebenhaar plädiert für eine freiwillige Rundfunkgebühr. Durch mangelnde Qualität, Skandale und Vetternwirtschaft habe der öffentlich-rechtliche Rundfunk an Rückhalt in der Gesellschaft verloren. Für den Medienwissenschaftler Trebbe werden mit der Gebührenreform die Angebote von ARD und ZDF stärker in die Diskussion geraten. Die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen sei zwar in Urteilen zementiert. „Aber dadurch, dass die neue Bereitstellungsgebühr in die Nähe einer steuerähnlichen Finanzierung rückt, die sehr umstritten ist, werden sich Zuhörer und Zuschauer fragen, was sie tatsächlich aus dem ganzen Angebot nutzen.“

Zahlen bitte: Jetzt muss jeder Haushalt Rundfunkgebühren bezahlen.
Foto: dpa | Zahlen bitte: Jetzt muss jeder Haushalt Rundfunkgebühren bezahlen.
 
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