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VEITSHÖCHHEIM
Ein Tusch: So war Fastnacht in Franken
Fastnacht in Franken: Frischer, spritziger, rasanter: Mit Musik, buntem Klamauk, fantastischen Tänzen und klugen Worten bieten die fränkischen Narren in Veitshöchheim eine starke Leistungsschau – und erleben einen Gänsehautmoment.
So sieht der Michl Müller aus, wenn er Kohlrabi-Karotten-Saft statt weißem und gelbem Limo trinken muss. Der Dreggsagg aus der Vorrhön begeisterte bei der „Fastnacht in Franken“ das Publikum.
Foto: Silvia Gralla und Chris Weiß | So sieht der Michl Müller aus, wenn er Kohlrabi-Karotten-Saft statt weißem und gelbem Limo trinken muss. Der Dreggsagg aus der Vorrhön begeisterte bei der „Fastnacht in Franken“ das Publikum.
Achim Muth
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:18 Uhr

Die Jubilare kamen an diesem Abend als Störenfriede und gingen in Siegerpose! Seit nun schon 20 Jahren bereichern Volker Heißmann & Martin Rassau die „Fastnacht in Franken“ mit ihren gekonnten Blödeleien, aber so viele Tuschs wie diesmal haben die beiden Komödianten in Veitshöchheim wohl noch nie von der Pavel Sandorf Bigband hinterhergespielt bekommen.

Ihre komische Nummer spülte Fastnachtsprüfer Rassau und Faschingslehrling Heißmann gleich mehrmals scheinbar zufällig ins Programm, vor allem aber die Büttenrednerprüfung des Narren-Azubis geriet bei den Gästen in den Mainfrankensälen zum Dauerlacher.


Waltraud & Mariechen: Seit 1997 dabei

1997 staksten sie als Waltraud & Mariechen mit Zebrakleid und Blumenhut erstmals auf die Bretter, die die Fastnachtswelt bedeuten – es folgten Auftritte als Steuerfahnder, US-Präsident Barack Obama und Kanzlerin Angela Merkel oder als Queen und Prinz Charles. Mittlerweile gehören die beiden zu Veitshöchheim wie der Mainsteg und das Schlössle.

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Auch diesmal waren sie die Regenten des Klamauks. Der Auftritt des Duos war einer der Höhepunkte der 29. Auflage des fränkischen Fastnacht-Klassikers, der frischer, spritziger, rasanter daherkam als sonst. „Wir wollten mehr Vielfalt, mehr Akteure und haben deshalb einzelne Nummern gekürzt“, sagte Bernhard Schlereth vom Fastnachts-Verband Franken. „Das Konzept ist aufgegangen.“

Schmelztiegel fränkischen Faschingstreibens

Jedenfalls hebt sich der Schmelztiegel fränkischen Faschingstreibens weiterhin wohltuend ab vom meist eher zotigen Fernsehkarneval der Konkurrenz. In Veitshöchheim gab es keine Nummer zum Fremdschämen, sondern einen Konfettiregen aus Witz, Wortbeiträgen, Musik und Tanz.

Dazu bescherte die große Margit Sponheimer – das ewige Gelle-gern-Mädchen aus Mainz – dem Saal einen wunderbaren Gänsehautmoment: Als Gast im Publikum sang sie live ihren größten Hit „Am Rosenmontag, bin ich geboren“.

Horst Seehofer strahlt

Da schunkelte das Publikum, da strahlte Horst Seehofer und durch die Mainfrankensäle wehte ein Hauch Kurfürstliches Schloss. Die Mutter der Fernsehprunksitzungen, „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“, gilt bei vielen Machern in Veitshöchheim noch als Vorbild.

Manche Akteure haben sich dafür auch neu erfunden, wie etwa Gerlinde Heßler. Kaum zu erkennen war die Karlstadterin als türkische Frau mit einem Faible für deutsche Sch-prichwörter. Aus dem Knast zurück auf die Bühne kehrte nach Jahren der Abwesenheit der fränkische Mafiosi Silvester Capone alias Bernd Händel. Seit 2006 ist der Nürnberger eigentlich Sitzungspräsident, diesmal räumte er seinen Platz im Elferrat für die Dauer seines Auftritts.

Capone berichtete von seinen Knastgenossen wie Uli Hoeneß und imitierte wunderbar die Stimmen von Edmund Stoiber, Joachim Löw, Gerhard Schröder oder Franz Beckenbauer.

Korruptionsaffären auf dem Zettel

Überhaupt Fußball, die Fifa und der DFB. Die Korruptionsaffären im Sport sowie der VW-Skandal und die Flüchtlingsdebatte bildeten so etwas wie den roten Faden der Sitzung. Ob die Wortmischmaschine Oliver Tissot („Bei VW ist kein Sand im Getriebe, sondern Winterkorn“) oder Peter Kuhn, der als Wettermann das Weltklima erklärte („Egal wie Horst sich auch erhitzt, bis jetzt ist er nur abgeblitzt“), die Themen der Zeit wurden von den Narren nicht ausgespart. Matthias Walz sang von der Leitkultur und die Parodis den „Tango korrupti“. Nicht fehlen durfte Bruno Golds sanfte Hommage an seine Barbara Stamm: „Du entschuldige i kenn di!“

Was es noch gab? Einen herrlich-skurrilen fränkischen Lappen mit Strickhut (Oti Schmelzer) und den 56-jährigen Bäckerlehrling Fredi Breunig mit Smartphone-Phobie: Weil die Kinder heutzutage nur noch auf ihre Handys starren, „gibt's in Schweinfurt schon Ältere, die Junge über die Straße führen“.

Nilpferd Amanda reist einmal rund um Sigmar Gabriel

Fastnachts-Maskottchen Nilpferd Amanda ging im Franken-Bikini mit Sebastian Reich auf eine dreiwöchige Urlaubsreise „einmal rund um Sigmar Gabriel“, und Michl Müller hampelte in Dreggsagg-Manier vom Hundertsten ins Tausendste: Seine Metamorphose führte ihn vom Primelsetzer zur Dildo- und Dessousparty und wieder zurück. Gesanglich ist Luft nach oben, aber das kümmert Müller nicht – und seine Fans schon gleich gar nicht. Alle stimmten sie mit ein: „Ich werde nie ein Schmetterling.“

Schlicht großartig waren die Tanzmariechen Katharina Theil und Liana Wolf, das Tanzpaar Sarah Philips und Christian Müller sowie die Sellerie-Garde aus Nürnberg.

Mit dem Kopf durch die Wand kündigte die Altneihauser Feierwehrkapell'n das Ende der rund dreieinhalbstündigen Fastnachtsshow an. Der Bläsertrupp aus der Oberpfalz leuchtete den Franken gewohnt kräftig heim, und am Ende blieb für die närrischen Künstler der verdiente Lohn: Ein Tusch! Und noch einer.

Splitter aus Veitshöchheim

Die Mitwirkenden: Sitzungspräsident Bernd Händel (Nürnberg), Isabell Stange (Homburg) und Harry Blaha, Oliver Tissot (Nürnberg), Volker Heißmann & Martin Rassau (Fürth), Gerlinde Heßler (Karlstadt), Tanzmariechen Katharina Theil (Oberasbach) und Liana Wolf (Schwabach), Oti Schmelzer (Oberschwappach), Die Parodis mit Marion Mahlo und Bruno Gold (Karlstadt), Fredi Breunig (Salz), Sellerie-Garde der Buchnesia Nürnberg, Peter Kuhn (Schweinfurt), Sebastian Reich (Höchberg), Matthias Walz (Karlstadt), Michl Müller (Garitz), Tanzpaar Sarah Philips und Christian Müller (Nürnberg), Altneihauser Feierwehrkapell'n.

Grüße von Günther Beckstein: Der ehemalige bayerische Ministerpräsident, eigentlich Stammgast, zog diesmal mit seiner Marga eine Einladung zum Dresdner Opernball vor. Mit dem Herzen blieb er in Veitshöchheim: „Das ist mit Abstand die beste Faschingssitzung. Das ist Champions League, alles andere Regionalliga.“ Im nächsten Jahr will er wieder dabei sein.

Barbara Stamm: Fastnacht in Franken ist ein Pflichttermin

Hänsel & Gretel: Aus der Märchenwelt kam Barbara Stamm mit ihrer Tochter Sissi nach Veitshöchheim. „Das ist aber keine Anspielung auf die Politiker“, so die Landtagspräsidentin aus Würzburg. „Hänsel und Gretel trugen auch die Hoffnung auf bessere Zeiten im Herzen.“ Für Barbara Stamm ist „Fastnacht in Franken“ kein Pflichttermin, sondern eine Leidenschaft. „Hier ist tatsächlich in all den Jahren eine Familie zusammengewachsen, aus der echte Freundschaften entstanden sind.“

Rock 'n' Roll: Bayerns SPD-Chef Florian Pronold erschien als Elvis Presley. „In Memmingen wurden Leute reingeschnitten, die gar nicht da waren, da ist es doch möglich, dass heute mal jemand erscheint, der schon gestorben ist.“

Sherwood Forest: Claudia Stamm, Landtagsabgeordnete der Grünen, zeigte sich als Rächer der Enterbten, Robin Hood, und forderte eine Umverteilung von Reich nach Arm. „Wann, wenn nicht jetzt ist das nötig“, sagte sie. Als Waffe trug sie eine Sonnenblume.

Tradition: Ministerpräsident Horst Seehofer bleibt sich treu. Im achten Jahr in Folge kam er im Smoking. Ein Kettenhemd drunter angesichts der zu erwartenden Spitzen der Künstler brauchte er nicht: „Gott hat mir in allen Lebenslagen Nehmerqualitäten mitgegeben.“

Vorbild: Die Lacher auf seiner Seite hatte der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU), der sich als Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber verkleidete. „Das ist eine Hommage an mein Vorbild und passt auch zum Star-Wars-Fieber: Das Imperium kehrt zurück.“ Wie lange der Transrapid nach Veitshöchheim gebraucht hat, konnte Söderstoiber nicht sagen: „Wir sind mit dem Auto gekommen.“


Alles rund um Veitshöchheim: Unseren Liveblog mit Blicken hinter die Kulissen, Bilder aus der Sendung und von Promis sowie Reaktionen aus der After-Show-Party finden Sie hier: www.mainpost.de/fasching Text: noh/ach

 
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  • S. C.
    Ich bin wahrlich kein Faschings-Enthusiast, aber die gestrige Sendung war wieder rundum Spitze! Abgesehen von Oliver Tissot und Gerlinde Heßler (blieb leider unter der gewohnten Leistung) waren ausnahmslos alle Beiträge von äußerst hohem Niveau und wirklich unterhaltsam. Wie hoch das Niveau ist merkt man am besten, wenn man die Sendungen im HR und SWR ansieht, wo ja auch das "bestmögliche" aus den jeweiligen Regionen ausgewählt wird: Stinklangweilige Moderationen der Sitzungspräsidenten, Büttenredner, die billige Reime komplett ablesen müssen, usw., usw.

    Die können Koryphäen wie Peter Kuhn, Oti Schmelzer usw. nicht im geringsten das Wasser reichen. Was stört es da, wenn bei Michl Müller ein (!) Gag mal unter der Gürtellinie landet? Genau: gar nicht
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  • v. k.
    Michl Müller: ".....Biobauern dürfen nicht mehr spritzen, darum haben sie auch keine Nachfolger mehr".
    Geht´s noch tiefer?
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  • A. H.
    Der is eh nur noch ein schwacher Schatten seiner Anfangsjahre, als er noch kein "Profi" war und noch der authentische Rhöner. Kein Wunder, dass er sich in solche Zoten retten muss/te. Peinlich war aber auch der teils fast schon verschämte Beifall.
    Ansonsten fand ich die Sendung sehr gelungen mit den - aus meiner Sicht - Höhepunkten Otti Fischer und natürlich den Oberpfälzer Freunden sowie Heißmann und Rassau.
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