Wieder eine Traumquote mit deutschlandweit 3,9 Millionen TV-Zuschauern, wieder eine ungebremste Kartennachfrage, wieder begeisterte Gäste: Was nur macht den Erfolg der Fernsehprunksitzung „Fastnacht in Franken“ aus? Eine Suche nach Antworten zwischen Konfetti , Politik-Granden, Faschingsstars und Bockwurstduft.
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Vergangener Dienstag. In den Mainfrankensälen wird noch gehämmert, aber das Rokoko ist schon fertig. Im Saal herrscht Gewusel, Kameraleute besprechen Ablaufpläne, Techniker verlegen Kabel. In einem Nebenraum des Foyers haben der BR und der Fastnacht-Verband Franken zu einer Pressekonferenz geladen. Es gibt Krapfen.
Volker Heißmann und Martin Rassau sind da, klar, Bernd Händel auch, der Sitzungspräsident, dazu Bauchredner Sebastian Reich. Es geht um Erwartungen, Hoffnungen, und als Sänger Matthias Walz aus Karlstadt gefragt wird, was diese Sendung für ihn bedeute, da sagt er einen bemerkenswerten Satz: „Natürlich steigert ,Fastnacht in Franken‘ den Bekanntheitsgrad eines Künstlers enorm.
Aber es macht hier auch unheimlich Spaß. Dieses Miteinander, und das ist keine Floskel, ist wirklich wie in einer großen Familie.“ Familie. Wer sich auf Spurensuche begibt zwischen Konfetti und Narrenkappe in Veitshöchheim, der wird dieses Wort noch öfter zu hören bekommen. Draußen ist derweil Oti Schmelzer aus Oberschwappach angekommen, der fränkische Lappe mit der Quetschkommode. Er verteilt an die Helfer erstmal eine Runde Ferrero Küsschen.
Natürlich ist die Kultsendung auch ein gnadenloser Kampf. Millionenquote. Berichterstattung. Promiauflauf. Viele Künstler drängen auf diese größte Bühne, die das Bayerische Fernsehen zu vergeben hat. Nur wenige schaffen es, und das hat auch damit zu tun, dass der Fastnachtsverband großen Wert auf Casting legt. Wenn Bernhard Schlereth, Präsident des Fastnachts-Verbandes Franken, einen Tipp erhält, schaut er sich den Anwärter ein-, zweimal an. Kandidaten müssen sich zudem bewähren in internen Sitzungen oder kleineren Aufzeichnungen wie der „Närrischen Weinprobe“ im Hofkeller. Oft dauert es Jahre, bis sich die Chance auftut und der Ruf nach Veitshöchheim ertönt. Der Ritterschlag. Oti Schmelzer ging das so, Fredi Breunig (Salz) genauso. Denn nicht selten ist die Kultsitzung der Startschuss für eine Karriere abseits der Dorfprunksitzungen im tiefen Spessart oder der hohen Rhön. Michl Müller (Garitz) wird längst auf Kabarettbühnen in ganz Deutschland gebucht, er füllt große Hallen, sein Programm läuft abends in der ARD.
Auch Bauchredner Sebastian Reich (Höchberg) und seine Amanda haben ein eigenes Management, neulich waren sie bei RTL zu sehen. Oder die Altneihauser Feierwehrkapell’n. Ohne die Fastnacht würde die urige Spritzenhaus-Combo wahrscheinlich in den Oberpfälzer Wäldern die Wölfe unterhalten. Heute führt ihr Chef Norbert Neugirg als Moderator durch BR-Sendungen und schreibt Bücher. Und Erfolg macht auch Prunksitzungen sexy. Oliver Tissot aus Nürnberg beispielsweise, dieser Wortakrobat, besitzt keinen närrischen Migrationshintergrund – wirkt aber trotzdem nicht wie ein Fremdkörper. Er hat sich eingelassen auf die Fastnacht, und wenn er über Veitshöchheim spricht, dann fällt auch bei ihm das Wort „familiär“.
Auch wenn also an manchen Protagonisten des Narrenfrohsinns das Papperl mit der Aufschrift „Star“ klebt, Allüren, so scheint es, die Krankheit des Erfolgs, schlagen eher selten durch. Natürlich schreitet die Managerin von Michl Müller schon mal lautstark ein, wenn eine reife Dame beim Selfie mit dem Dreggsagg nach der Sendung zu aufdringlich wird. Aber es ist schon beeindruckend, wie geduldig Müller oder Sebastian Reich oder Volker Heißmann auch noch jeden Fotowunsch der Fans erfüllen. Lächeln bitte. Sie können das auf Knopfdruck, und sie wissen, was sie der Sendung zu verdanken haben.
Im Saal sind die Kameras längst aus, und natürlich wissen auch die Granden der bayerischen Politik, was die Franken hören wollen. Das Publikum ist noch da, da ergreift Ministerpräsident Horst Seehofer auf der Bühne das Mikrofon. „Es gibt Paris, London, München, aber nur ein Veitshöchheim“, sagt er und bleibt weiter im Superlativ-Modus: „Früher habe ich mal gesagt, das hier ist Champions League. Das reicht nicht mehr, diese Sitzung ist Weltklasse.“ Da johlen die Franken, und später, beim Hinausgehen, da sagt der CSU-Chef noch: „Wenn ich hierher komme, weiß ich natürlich, dass ich auch Zielscheibe bin. Aber hier ist Opfer sein eine vergnügliche Sache, weil das Niveau sehr hoch ist.“ Freilich hat ihm nicht alles gefallen, oft blieben seine Hände auffällig ruhig, wenn das Publikum nach politischen Pointen munter klatschte.
Auch Finanzminister Markus Söder, bekannt für seine überraschenden Verkleidungen, steht oft im Mittelpunkt des Spotts. Doch auch er ist voll des Lobes: Er sei in der Vorwoche in Aachen bei der Ordensverleihung wider den tierischen Ernst gewesen, „aber Veitshöchheim ist viel besser“. Er findet den fränkischen Humor, hintergründig, liebevoll, „manchmal auch deftig“, auch Söder spricht vom hohen Niveau. Es hätte schlimmer kommen können für die CSU und die Opposition auch. Vielleicht hatte mancher in diesem Jahr angesichts der Themen der Zeit mehr Schärfe aus dem Künstlermund erwartet, aber vielleicht ist auch das ein Erfolg der Sendung: Sie ist immer eine Handbreit über der Gürtellinie. Florett statt Fallbeil.
Wer eine Einladung besitzt, für den geht der Abend mit dem Finale auf der Bühne nicht zu Ende. Im Haus der Begegnung am Rathaus gibt es einen Empfang. Es riecht nach Bockwurst. Es ist eng. Es ist warm. Es gibt keine Tische. Zwei Männer erleiden eine Schwächeanfall, erholen sich aber dank der schnellen Hilfe. Ein Rettungswagen hatte vor dem Bau geparkt. Hier mischen sich Publikum und Promis. Oberbürgermeister, Landräte, Innenminister Joachim Herrmann, Justizminister Winfried Bausback, alle sind sie da. Margit Sponheimer trägt sich ins Goldene Buch der Gemeinde ein und holt sich dann ein Glas Weißwein. Die Mainzer Sängerin war das erste Mal zu Gast in Veitshöchheim, ihr live gesungenes „Am Rosenmontag, bin ich geboren“ war einer der Höhepunkte der Sendung. Sie wird in wenigen Tagen 73 Jahre alt, sie hat fast ein ganzes Leben Fastnacht hinter sich, schon mit 16 Jahren stand sie auf der Bühne. Aber ihre Augen leuchten, sie sagt: „Das war toll. Das war ursprünglich, herrlich.“ Auch Barbara Stamm ist da, natürlich. Auch sie hat dieses Leuchten, wenn sie von Veitshöchheim spricht. „Ich bin froh, dass ich hier dazu gehören darf. Das ist wie eine Familie.“ Da ist es wieder. Dieses Wort.
Bernhard Schlereth und Norbert Baumann, verantwortlicher BR-Redakteur, sind zufrieden. Sie haben sich stark gemacht dafür, das Programm rasanter zu machen. Nummern wurden gekürzt, Programmpunkte umgestellt, es gab mehr Überraschendes als in den vergangenen Jahren. Den Menschen ringsherum scheint’s gefallen zu haben. Irgendwann zieht der harte Kern weiter. In ein Hotel. In eine Kneipe. In eine Bäckerei. Und dann ist es Samstagmorgen und die Quoten sind da. Knapp vier Millionen Zuschauer (3,90) haben wieder eingeschalten, „und das trotz Handball-EM-Halbfinale und Dschungelcamp“, sagt Bernhard Schlereth. In der Spitze, gegen 22 Uhr, als Michl Müller die Bühne rockte, waren es sogar fast fünf Millionen Zuschauer. „Das ist ein Traumergebnis.“ In Bayern sahen 2,33 Millionen Menschen zu, nur einmal waren es mehr (2015: 2,39 Millionen), der Marktanteil im Freistaat lag bei 47,2 Prozent. Damit wird „Fastnacht in Franken“ erneut die erfolgreichste Sendung des Bayerischen Rundfunks im Jahr 2016 sein.