Sie experimentieren gern, die Volksmusikanten – egal, ob sie sich eher der traditionellen Szene zurechnen wie Hans Heilgenthal aus Hofstetten (Lkr. Main-Spessart) oder den Musikkabarettisten wie Florian Ebert von der Gruppe „Haisd'n'daisd vomm mee“ aus Stammheim (Lkr. Schweinfurt).
Sie spielen gern und unbekümmert mit der Volksmusiktradition und tragen so alte Tanzlieder auf neue Art in die Zukunft. Eine Veränderung gefällt ihnen gar nicht: Der Sprung der Volksmusik aus dem traditionellen UKW-Programm ins Digitalradio, den der Bayerische Rundfunk (BR) für Pfingsten ankündigt. Von der „Verbannung“ eines unverzichtbaren Kulturguts aus Kostengründen, spricht Ebert.
Er unterschrieb bereits die Online-Petition dagegen. Technische Probleme, die ihn daran hindern, die Volksmusikkollegen künftig im Radio zu hören, stören Heilgenthal.
Weiterhin für bayerische Volksmusik stark machen
Stefan Frühbeis, Chef der Digitalwelle BR Heimat, verspricht, der Sender werde sich weiter für bayerische Volksmusik stark machen. „Nur für einen Strang nicht, nämlich die volkstümliche Schlagermusik.“ Ansonsten biete BR Heimat eine sehr große Fläche.
„Da haben wir endlich Platz für alle.“ 110 000 Hörer habe der digitale Heimat-Sender bisher am Tag, 210 000 die abendliche Volksmusiksendung auf Bayern 1, sagt BR-Hörfunkchef Martin Wagner. Sobald allerdings im Fernsehen die Serie „Dahoam is Dahoam“ beginne, gehe die Zahl der Volksmusikfans im Radio rapide zurück, ergänzt Frühbeis.
Wie dem auch sei: „Bayern-1-Hörer sind die Stammhörer des Bayerischen Rundfunks“, schreibt die Schweinfurter SPD-Landtagsabgeordnete Kathi Petersen in einer Pressemitteilung. Die müsse der Sender angemessen berücksichtigen. Bayern 1 habe treue Hörer, andere Programme aber genauso, sagen dagegen die Radioleute.
Volksmusik bis dato als Inseln im Programm
Und wichtiger für die Treuen sei, dass das Programm homogen und erwartbar sei. Die acht Stunden Volksmusik in der Woche seien Inseln im Programm. „Das freut weder die Volksmusik- noch die Rock- und Popfans“, sagt Wagner.
Wenn Rundfunkbeiträge erhoben werden, sollten auch Nischenprodukte allen zugänglich sein, fordert der Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur in einer Pressemitteilung. Aber das sei eben nicht der Fall, erzählen Kritiker aus der Musik- und der Hörerszene. Über Kabel beispielsweise sei der Empfang mit Digitalradio nicht immer gewährleistet und im Auto schon gleich gar nicht.
BR: Umstellung zumutbar
Die Ausrüstung sei aufwendig und der Empfang – wie beim Handy – unzuverlässig. „Wir sehen das Problem und arbeiten mit Hochdruck daran, die Netzabdeckung mit DAB+ (eine spezielle Form der digitalen Datenübertragung) weiter zu verbessern“, sagt Wagner, obwohl schon jetzt fast alle Bayern BR Heimat gut empfangen könnten.
Kritik an der Geschwindigkeit des Wechsels zum Digitalradio weisen die beiden Radioleute zurück. Sie halten die Umstellung in drei Monaten für zumutbar. Gerade 59 Jahre alt seien Bayern-1-Hörer durchschnittlich. Da könnten sie neuer Technik durchaus aufgeschlossen gegenüber stehen.
Viel jünger, nämlich 31 Jahre, ist Johannes Sens von der Anarcho-Volksmusik-Band „Gankino Circus“ aus Dietenhofen (Mittelfranken). Er brauche kein Digitalradio, sagt er. „Ich habe Internet, da kann ich immer und überall hören, was ich will.“
Das UKW-Radio würde er dennoch gerne erhalten. Ihm gefällt die einfache, nachvollziehbare Technik, anders als das Digitale mit seinen Algorithmen, die sich verselbstständigen. Das passe nicht zur „ultra-analogen Form“ der handgemachten Volksmusik, die ein Gegengewicht zu industriellen Unterhaltungshits sei. „Das Radio wird keine analoge Insel in einer digitalen Welt bleiben“, sagt Hörfunkchef Wagner. Das Bild malt Sens weiter: Eine Insel bedeute festen Boden im Wasser. „Das freut auch manche Leute“, sagt er.