Muss ein Waldbesitzer etwa im Spessart oder im Steigerwald bald jeden gefällten Baum in ein EU-weites Erfassungssystem eintragen, um nachzuweisen, dass er damit nicht zur globalen Entwaldung beiträgt? Und muss ein Schreiner in Kitzingen, Haßfurt oder Lohr in Kürze schlüssig und überprüfbar belegen, dass das Holz, aus dem er etwa Möbel macht, aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung stammt?
Genau das sei mit der europäischen "Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten" (EUDR) geplant, warnt Stefan Köhler (CSU), seit diesem Sommer unterfränkischer Europaabgeordneter. Eigentlich soll die Verordnung bereits zum Jahreswechsel 2024/2025 in Kraft treten. Weil bisher aber nicht einmal die Datenplattform funktioniert, in die die Nachweise digital eingetragen werden sollen, hat die EU-Kommission bereits selbst eine Verschiebung des Starttermins angekündigt.
Köhler: Ziel der EU-Verordnung richtig, Umsetzung jedoch ein "Bürokratiemonster"
Köhler reicht ein simpler Aufschub allerdings nicht: Zwar sei das ursprüngliche Ziel der Verordnung, die Abholzung riesiger Waldflächen vor allem in Asien und Südamerika für eine landwirtschaftliche Nutzung zu beenden, "voll und ganz richtig", beteuert Köhler gegenüber dieser Redaktion. Der vorliegende Gesetzesvorschlag sei allerdings ein "Bürokratiemonster" und eine gewaltige Belastung für Landwirtschaft, Handel und Handwerk auch in Unterfranken.
Doch wenn es eigentlich um den Schutz von Regenwäldern auf fernen Kontinenten geht – warum soll dann auch jeder in Unterfranken gefällte Baum registriert werden, obwohl die Waldfläche etwa in Bayern seit Jahren eher wächst, als abnimmt? "Wenn die Regel nur in Übersee gelten würde, dann könnte sie als Handelshemmnis verstanden werden", erklärt Köhler. Deshalb bestehe die Welthandelsorganisation darauf, dass die neuen Waldschutzregeln nicht nur in Übersee, sondern gleichermaßen in Europa gelten.
Mit einfachen Änderungen des Gesetzes könnte jedoch das Ziel eines globalen Waldschutzes erreicht werden, ohne in Europa für neue überbordende Bürokratie zu sorgen, findet Köhler, der auch Präsident des Bauernverbandes in Unterfranken ist. Neben einer Verschiebung des Starts bis Anfang 2027 fordert die EVP-Fraktion im Europaparlament, zu der die CSU gehört, deshalb zwei wesentliche Änderungen.
Bei stabiler Waldfläche wie in Bayern "Null-Risiko"-Kategorie mit weniger Auflagen
Zum einen soll für Länder wie Deutschland mit stabiler oder wachsender Waldfläche eine "Null-Risiko-Kategorie" eingeführt werden. "Denn in diesen Ländern ist das Risiko der Entwaldung vernachlässigbar oder nicht vorhanden", erklärt Köhler. Diese Kategorie soll weltweit gelten und mit deutlich abgespeckten Berichtspflichten verbunden sein.
Zudem sollen nach den Plänen der EVP die Berichtspflichten gestrafft werden: Wer ein Produkt erstmals auf den europäischen Markt bringt, soll zwar weiterhin den entwaldungsfreien Status nachweisen müssen. Nachfolgende Nutzer sollen jedoch von der Nachweispflicht befreit werden. Ein Holz-Großhändler etwa müsste demnach belegen, dass alle seine Importe aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung stammen. Der Schreiner, der dieses Holz verwendet, wäre von dem Nachweis dagegen befreit.
"Wir stehen zu den Zielen der Gesetzgebung, gerade um Gebiete wie den Amazonas zu schützen", beteuert EVP-Chef Manfred Weber (CSU). "Aber die Gesetze dürfen keine neue Bürokratie für diejenigen bringen, die für den Wald kein Risiko darstellen, wie unsere heimischen Bauern und Waldbesitzer." Neben dem EU-Parlament müssen einer Änderung jedoch auch die EU-Kommission sowie eine Mehrheit der Mitgliedstaaten zustimmen. "Das ist sehr sportlich, aber machbar", hofft Unterfranke Köhler: "Wir müssen hier im Sinne der Bevölkerung entscheiden."