"Söder verschärft Corona-Maßnahmen" – so lauteten zuletzt wiederholt die Schlagzeilen. Doch kann der bayerischer Ministerpräsident Corona-Beschränkungen einfach anordnen? Und wäre nicht zuvor eine Beteiligung des Landtags geboten?
Die Staatsregierung verfügt die Corona-Maßnahmen für Bayern derzeit wie alle Länder per Rechtsverordnung. Rechtlich basiert dies auf dem Bundesinfektionsschutzgesetz, das die Landesregierungen in knappen Worten ermächtigt, „durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen“. Dabei können laut Gesetz auch Grundrechte wie die Freiheit der Person oder die Freizügigkeit eingeschränkt werden, wenn dies zur Eindämmung der Infektionen notwendig ist.
Gedacht für einen räumlich und zeitlich begrenzten Infektionsschutz, wird spätestens jetzt mit der zweiten Corona-Welle jedoch deutlich, dass manche dieser Einschränkungen über viele Monate gelten könnten. Nicht nur Juristen stellen deshalb in Frage, ob dafür eine Verordnung der Regierung dauerhaft als rechtliche Grundlage ausreicht – oder ob nicht die Parlamente stärker eingebunden werden müssen.
Eine Verordnung bedarf keiner Debatte im Landtag
In der Corona-Krise wurden die Rahmenvorgaben bislang bundesweit zwischen der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten hinter verschlossenen Türen ausgehandelt. Diese politischen Vereinbarungen sind für die Länder rechtlich nicht bindend – weshalb jede Landesregierung die konkrete Umsetzung per Verordnung selbst bestimmt. Diese Verordnung wiederum bedarf keiner öffentlichen Debatte etwa im Landtag.
Grundsätzlich gilt: Während Gesetze bestimmen, was passieren soll, legen Verordnungen die konkret Umsetzung fest. Beispiel „Mietpreis-Bremse“: Das Bundesgesetz bestimmt, dass in Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt der Anstieg der Mieten begrenzt wird. Die Länder legen dann per Verordnung fest, welche Kommunen davon betroffen sind.
Ausreichende Rechtsgrundlage für dauerhafte Pandemie?
Inhalt, Ausmaß und Zweck der Verordnung müssen allerdings im Gesetz klar definiert sein. Dass dies in der dürren Regelung des Infektionsschutzgesetzes der Fall ist, wird zunehmend bezweifelt. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hält das Gesetz „als Rechtsgrundlage für ein dauerhaftes Pandemiegeschehen für nicht ausreichend“. Dabei geht es Söder jedoch nicht – wie zuletzt oft behauptet – um eine Übertragung der Entscheidungen nach Berlin. Schließlich haben sich regionale Maßnahmen bewährt. Es geht Söder vor allem darum, bayerische Corona-Regeln durch klare bundesgesetzliche Rahmenvorgaben „gerichtsfest“ zu machen.
Gerichte beschränken die Macht der Regierung
Denn die Gestaltungsmacht der Regierung bei den Corona-Verordnungen ist nicht schrankenlos: Rechtsverordnungen können vor Gericht leicht gekippt werden, etwa wenn die Richter die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen anzweifeln. Dies ist umso wahrscheinlicher, je unklarer der gesetzliche Rahmen ist.
Söder betonte in dieser Woche zwar, dass seine Regierung nur 14 von 470 Gerichtsverfahren gegen Corona-Maßnahmen in Bayern verloren habe. Richtig ist aber auch, dass die Staatsregierung – zuletzt etwa beim Beherbergungsverbot – bereits mehrfach einer gerichtlichen Aufhebung nur zuvor gekommen ist. Doch immer wieder neue Regeln zu verfügen, deren Bestand rechtlich fraglich ist, wird als Dauerzustand zum Problem.
Landtag könnte schon jetzt mehr gesetzlich regeln
Schon jetzt könnte auch der Landtag den Rahmen bayerischer Corona-Maßnahmen selbst gesetzlich regeln. Das Bundesverfassungsgericht hat den Parlamenten sogar ins Stammbuch geschrieben, wesentliche Entscheidungen, vor allem bei Grundrechtseingriffen, nicht aus der Hand zu geben. Denkbar wäre etwa ein Gesetz für den Corona-Schulunterricht in Bayern.
Ohne Zweifel begründet eine Krise wie die Corona-Pandemie staatliche Einschränkungen auch von Grundrechten. „Es gibt kein Freiheitsrecht, Corona zu haben, und noch viel weniger, jemand anders damit anzustecken“, erklärte Söder im Landtag. Der Schutz von Gesundheit und Leben rechtfertige auch Beschränkungen persönlicher Freiheiten.
Mehr Akzeptanz der Regeln durch Debatten im Landtag?
Doch würden diese auf Dauer von den Bürgern nicht eher akzeptiert, wenn die Rahmenbedingungen zuvor in Bundestag und Landtagen offen diskutiert und per Gesetz beschlossen werden?
„Wir brauchen die streitige Debatte im Plenum über Pandemiemaßnahmen, weil nur so der Eindruck widerlegt werden kann, dass Entscheidungen allein in Regierungshinterzimmern ausgekungelt werden“, forderte etwa der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki. Auch Verschwörungstheoretikern könnte auf diese Weise der Boden besser entzogen werden.