
Die gesetzliche Vorgabe ist klar und unmissverständlich: "Die Staatskanzlei und die Staatsministerien sollen bis zum Jahr 2023 klimaneutral sein", ist in Artikel 3 Absatz 2 des bayerischen Klimagesetzes zu lesen. Damit wolle die Staatsregierung auch "innerhalb der Staatsverwaltung Vorbild sein", heißt es zur Begründung.
Die meisten Ministerien kennen ihren CO2-Ausstoß nicht einmal
Dass es mit dieser Vorbildfunktion aktuell allerdings nicht weit her ist, zeigt die Antwort des Umweltministeriums auf eine Landtagsanfrage der Grünen: Demnach ist bislang nur im Ministerium von Umweltminister Thorsten Glauber (FW) selbst zumindest annähernd bekannt, wie hoch der eigene Ausstoß an Treibhausgasen (THG) überhaupt ist. Alle anderen Ressorts müssen ihre aktuellen THG-Emissionen erst noch ermitteln.
Im Umweltressort wurden laut einer extern geprüften "Umwelterklärung" für Strom, Wärme, Fuhrpark, Dienstreisen und Papierverbrauch im Jahr 2018 demnach 630 Tonnen CO2 freigesetzt, 2019 582 waren es Tonnen und 2020 – coronabedingt – 287 Tonnen. Für weitere verbrauchte Waren und Dienstleistungen fehlen die Angaben jedoch in dieser Rechnung.
Bis zu 120 Euro aus dem Umweltministerium für Haushalts-Biogas aus Dung in China
Diesen "unvermeidbaren CO2-Ausstoß" hat das Umweltministerium seit 2018 nach eigenen Angaben kompensiert – und zwar durch den Erwerb und die Stilllegung von "Emissionsminderungszertifikaten" des "Sichuan Haushaltsbiogas-Programms" in China.
Im ländlichen Nordwesten der Volksrepublik werden laut Projektbeschreibung auch mit den CO2-Ablasszahlungen des Ministeriums aus Bayern "arme kleinbäuerliche Haushalte" bei der Umstellung ihrer klimaschädlichen Holz- und Kohleheizungen auf Biogas aus heimischem Dung mit 60 bis 120 Euro Zuschuss unterstützt. Dies helfe pro Haushalt und Jahr im ländlichen China "bis zu 2,5 Tonnen Co2" einzusparen.
"Dies ist leider kein Faschingsscherz", schimpft der Würzburger Grünen-Landtagsabgeordnete Patrick Friedl: Zwar wolle Ministerpräsident Markus Söder (CSU) stets "oberster Klimaschützer im Freistaat sein". Selbst dafür tun wolle seine Regierung aber offensichtlich nichts – "außer vielleicht chinesische Biogaszertifikate zu kaufen". Dies sei schon für sich allein "die offizielle Bankrott-Erklärung von Söders Klimaschutzbemühungen", zürnt der Grünen-Politiker.
Würzburger Grünen-Abgeordneter Friedl: Warum Ablassgeld nicht für bayerische Klimaprojekte?
Das für die China-Zertifikate ausgegebene bayerische Steuergeld wäre jedenfalls in Bayern viel besser investiert, meint Friedl: zum Beispiel für den Ausbau der Biogas-Verstromung in Unterfranken oder für die Wieder-Vernässung bayerischer Moore, die dem Grünen-Politiker zufolge alleine fünf Millionen Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr verhindern könnten.
Ebenfalls viel besser als China-Zertifikate zu kaufen, sei aber auch, wenn Bayerns Ministerien auf ihrem Weg zur vorbildhaften Klimaneutralität ihren CO2-Ausstoß gleich von vorneherein verringern könnten. Ob und wie dies vielleicht möglich ist, kann die Staatsregierung bislang jedoch ebenfalls nicht beantworten - mangels "validierter Daten".
Auch andere Ministerien könnten schon bald Klima-Zertifikate aus aller Welt kaufen
Klar sei, dass alle Ministerien ab diesem Jahr ihre "nicht vermeidbaren Emissionen" mit Klima-Zertifikaten "nach qualitativ hochwertigen Standards" kompensieren werden, teilt das Umweltministerium auf Nachfrage mit. Ob auch diese Zertifikate aus China oder anderen fernen Ländern kommen, könne jedes Ressort selbst entscheiden. Das Umweltministerium selbst arbeite jedoch daran, sich aus dem Klima-Ablasshandel mit China zu verabschieden, teilt ein Ministeriumssprecher mit: Ziel sei, "in Zukunft im Rahmen der Ausgleichsmaßnahmen nachhaltige Klimaschutzprojekte vor Ort in Bayern zu unterstützen."