Das umstrittene neue Polizeiaufgabengesetz (PAG) in Bayern führt in der praktischen Umsetzung offenbar zu deutlich weniger Problemen, als von den Gegner befürchtet: So sei etwa zur konkreten Überprüfung von polizeilichen Maßnahmen auf Basis des neu eingeführten Begriffs der "drohenden Gefahr" bislang kein einziges Verwaltungsgerichtsverfahren anhängig, sagte der frühere Vize-Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Erwin Allesch. Allerdings hätten bereits mehrere Amtsgerichte mit "drohender Gefahr" begründete Polizei-Maßnahmen abgelehnt.
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Allesch ist Mitglied einer im letzten Sommer eingesetzten unabhängigen Kommission unter Vorsitz des früheren Verfassungsgerichtspräsidenten Karl Huber, die die praktische Umsetzung des neuen Gesetzes kritisch begleiten soll. Für konkrete Zwischenergebnisse sei es allerdings noch zu früh, erklärte Huber. Erste Gespräche des sechsköpfigen Gremiums etwa mit Richtern oder den Polizeigewerkschaften hätten zwar bereits stattgefunden. Weitere Treffen mit den Polizeipräsidenten, Anwälten und Rechtsmedizinern sind aber noch geplant.
Ein Kritikpunkt: Präventiv-Haft allzu oft ohne Anwalt
Im Frühjahr sei zudem eine Runde mit PAG-Gegnern vorgesehen. Zuvor sollen aber möglichst viele Fälle aus der konkreten Anwendung gesammelt werden, erklärte Huber: "Es reicht ja nicht, dass man sich nur emotional erregt." Das Gremium, dem neben renommierten Juristen auch der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri und der frühere Chef des Landeskriminalamtes Peter Dathe angehören, arbeite zudem völlig unabhängig. Im Fokus stehe aber nicht die Rechtmäßigkeit des neuen Gesetztes – diese wird bereits von den Verfassungsgerichten geprüft. "Es geht uns hier in erster Linie um eine kritische Rückkoppelung der Anwendung des Gesetzes", so Huber.
Dass es dabei am Ende auch klare Kritik an einzelnen PAG-Regelungen geben könnte, lassen einzelne Kommissionsmitglieder bereits durchblicken: So sei zwar der von früher maximal zwei Wochen auf drei Monate verlängerte "Präventiv-Gewahrsam" seit seiner Einführung im Sommer 2017 bayernweit erst 15 Mal und mit einer maximalen Länge von zwei Monaten genehmigt worden. "Aufgefallen" sei allerdings, dass dem präventiv Inhaftierten nicht in allen Fällen ein Anwalt zur Seite stand.
Keine steigenden Fallzahlen bei Online-Durchsuchungen
Bei der erweiterten DNA-Untersuchung eile das Gesetz zudem offenbar den technischen Möglichkeiten noch weit voraus, findet Datenschützer Petri. Und auch die erweiterten Befugnisse bei der Online-Durchsuchung hätten noch nicht zu steigenden Fallzahlen geführt: "Bislang hatten wir maximal einen Fall pro Jahr", so Petri. Das Gremium werde die kritischen Punkte des PAG aber weiter streng in den Blick nehmen, verspricht Komissionschef Huber: "Es soll ja am Ende auch etwas dabei herauskommen."