
Ein Polizeisprecher sagt über den Unglücksort: "Es sieht aus wie auf einem Schlachtfeld. Man darf sich gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn hier Passanten auf der Straße gewesen wären." Am Tag nach derVerwüstungsfahrt eines betrunkenen Brummifahrers mit seinem 40-Tonner durch ein dicht bebautes Wohngebiet in Fürth, hier eine Chronologie der Ereignisse:
18.58 Uhr, Dienstagabend: An der Kreuzung der Berlinstraße fährt ein Lastwagen über eine rote Ampel. Der Mann, das wird später klar, war stark alkoholisiert. Ein Atemtest ergibt einen Wert von etwa zwei Promille. Der 40-Tonner kollidiert mit dem Opel einer Frau, die 74-Jährige wird verletzt.
Trotz des Unfalls fährt der 50-Jährige weiter. Die Hardstraße führt nun durch ein Wohngebiet, sie ist eine beliebte Verbindungstraße. Auf beiden Seiten der Straße parken Autos von Anwohnern. Durch die Neigung der Straße nimmt der Laster weiter Tempo auf, sagen Augenzeugen. Nach Informationen unserer Redaktion gab der Fahrer nach der Kollision auf der Kreuzung Vollgas. Warum, bleibt unklar.
19.01 Uhr: Die Verwüstungsfahrt des Mannes geht weiter. Der 40-Tonner stoppt auf rund 400 Metern kein einziges Mal. Insgesamt 31 Autos wird er auf seinem Weg beschädigen, einige davon regelrecht zerquetschen. Wagen werden an die Fassade eines Wohnhauses gedrückt – nur Sekunden später geht mindestens ein Wrack in Flammen auf.
Wie ein Bombeneinschlag
19.02 Uhr: Es knallt in der Hardstraße. "Es war, als hätte eine Bombe eingeschlagen", sagt eine Anwohnerin, die in unmittelbarer Nähe wohnt. Eine andere spricht von einem "ganz grauslichen Geräusch", von einer Verwüstungsschneise – und von der Angst in dem Wohngebiet. Videos, die unserer Redaktion vorliegen, zeigen die Flammen in der Hardstraße. Sekündlich sind Explosionen zu hören, aufgeregte Anwohner laufen umher. Es sind Szenen wie aus einem Kriegsgebiet.

19.03 Uhr: Die Situation ist unklar. Bei der Integrierten Leitstelle (ILS) gehen Dutzende Anrufe ein. Die Fürther Berufsfeuerwehr rückt aus. Die Dimension des Vorfalls erkennen die erfahrenen Retter sofort. Ein erster Löschzug erhöht die Alarmstufe, Kräfte aus der Stadtmitte werden in den Westen beordert.
Der Fahrer wird in Handschellen abgeführt
19.04 Uhr: Die ersten Streifen kommen in der Hardstraße an. Wann genau, bleibt unklar. "Es waren bestimmt weniger als zehn Minuten", sagt Janina Mendel, Sprecherin des Präsidiums Mittelfranken, die von sechs Minuten ausgeht. Die Beamten treffen auf Chaos und ein Trümmerfeld.
Beamte der Fürther Inspektion nehmen den stark alkoholisierten Fahrer fest. Er wehrt sich nicht. Gerüchte, nach denen der 50-Jährige apathisch auf der Straße lag, will die Polizei nicht bestätigen. "Das entzieht sich meiner Kenntnis", sagt Mendel. Kurze Zeit später werden Kräfte des Unterstützungskommandos (USK) den Fahrer des 40-Tonners in Handschellen abführen.

19.10 Uhr: Der Kampf gegen die Flammen läuft. Zunächst ist unklar, was der 40-Tonner geladen hat. Weil auch Gefahrgut nicht ausgeschlossen werden kann, werden weitere Retter in die Hardstraße beordert. Durch das Feuer kommen sie zunächst aber nicht an die Ladefläche heran. Wenige Minuten später ist klar: Der Laster hat nur Metallteile geladen. Wohin er wollte, bleibt unklar.
Gerüchte: Terroranschlag oder Amokfahrt?
19.15 Uhr: War es ein Terroranschlag oder eine Amokfahrt? In den ersten Sekunden nach den Vorfällen ist vieles unklar. "Man kann nicht in den Kopf der Beamten vor Ort schauen", sagt Polizeisprecherin Mendel. "Ich nehme aber an, dass durch den alkoholisierten Lasterfahrer schnell von einem Unfall ausgegangen worden ist." Gerüchte machen in der Hardstraße dennoch die Runde.
19.16 Uhr: Kräfte des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) treffen ein. Bis spät in die Nacht werden 22 Retter, ein Einsatzleiter und eine Notärztin vor Ort sein. "Zunächst war unklar, wie viele Verletze es gibt", sagt Polizeisprecherin Mendel. Es waren vier, in Lebensgefahr schwebt keiner. Michael Konrad vom Polizeipräsidium Mittelfranken, der noch am Dienstagabend an den Ort des Geschehens eilte, spricht von "Glück im Unglück": Nicht auszumalen, was geschehen wäre, wenn Fußgänger die 400-Meter-Irrfahrt gekreuzt hätten. Ein 64-Jähriger sprang wohl in letzter Sekunde noch zur Seite.
19.30 Uhr: Die Retter richten eine Sammelstelle für Anwohner ein. Wegen des Feuers mussten mehrere evakuiert werden, Autobesitzer bilden einen Pulk, es wird durcheinander geredet. Die Situation ist noch immer undurchsichtig. Viele Fürther sind schockiert.

Es ist ein Trümmerfeld, auf dem sich Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte bewegen. "Noch in der Nacht wurden viele Autos abgeschleppt", sagt Präsidiums-Sprecherin Mendel. Die Aufräumarbeiten, das zeichnet sich aber ab, werden Tage dauern. Der Schaden wird in die Millionen gehen. Die Straße ist übersät mit Splittern, Auspuffrohren und Karosserieteilen.
Das Technische Hilfswerk sichert ein Gebäude
Rettungskräfte suchen seit Minuten die Verwüstungsschneise nach weiteren Verletzen ab. Dass sich zwischen den zerquetschten Fahrzeugen noch Menschen befinden, die bislang unbemerkt blieben, ist nicht ausgeschlossen. Tatsächlich finden die Retter niemanden.
Derweil wird der Lkw-Fahrer einem Ermittlungsrichter vorgeführt. Der Vorwurf: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Unfallflucht, Körperverletzung. Der Richter erlässt Haftbefehl.
20.02 Uhr: Das Technische Hilfswerk rückt an. Ist das Wohnhaus möglicherweise einsturzgefährdet? Drei THW-Kräfte sondieren, alarmieren dann insgesamt aber 28 Retter, die an der Unfallstelle helfen. Bis drei Uhr morgens sichern sie das Gebäude.

Am Morgen danach sitzt der Schock noch tief
Mittwoch, der Morgen danach: Der Schock sitzt noch immer tief bei den Anwohnern. Jetzt, bei Tageslicht, sehen viele erst das ganze Ausmaß der Verwüstung. Einige greifen zum Besen, kehren vor ihren Haustüren notdürftig Autoteile und Glassplitter zusammen.
Die Hardstraße bleibt weiter gesperrt, auch der Laster steht noch immer dort. Ein Gutachter untersucht ihn. Auch die Statik des Wohnhauses wird weiter überprüft. Einsturzgefährdet ist es zwar nicht, die Bewohner dürfen vorerst aber nicht zurück.
11.00 Uhr: Fürths Oberbürgermeister tritt in der Hardstraße vor die Presse. Er war noch in der Nacht vor Ort. "Ich habe eine Szenerie erlebt, die mich an amerikanische Amokläufe oder Terrorszenen in Großstädten erinnert hat", sagt Thomas Jung. "Da war mir klar, dass hier etwas Furchtbares passiert ist." Für viele Anwohner, sagt der SPD-Politiker, sei der Vorfall ein Schock gewesen. "Einige haben die ganze Nacht nicht schlafen können."
Anmerkung der Redaktion: Veröffentlichung des Textes mit freundlicher Genehmigung der Nürnberger Nachrichten.
dass keine Fußgänger um diese Zeit auf der Straße dieser Wohngegend waren. Man mag sich gar nicht vorstellen, wenn dieser Vorfall einige Stunden früher oder an einem Sommer Sommerabend passiert wäre.