Heiter immer weiter." Der prominente Mann, der an jenem 24. Oktober 2022 in Würzburg mit bemerkenswerten Worten über den Umgang mit seiner Krebserkrankung sprach, war zu diesem Zeitpunkt längst unheilbar an Leukämie erkrankt.
In dunkelblauer Anzughose, hellblauem Hemd und weißen Sneakers saß er auf dem Podium im Konferenzsaal eines Hotels in der Neubaustraße. Gezeichnet und mager - und doch immer noch charismatisch wie zu seinen Hochzeiten um die Jahrtausendwende, als er 1998 Europameister und 2003 Weltmeister im Stabhochsprung war, jeweils 5,80 Meter in der Halle übersprang.
Ein schillernder Star der Leichtathletik
Tim Lobinger, viermaliger Olympia-Teilnehmer, war damals ein schillernder Star der Leichtathletik. Und das nicht nur aufgrund seiner Erfolge, sondern auch aufgrund seiner Erscheinung.
Der 1,93-Meter-Mann mit den blonden Locken und dem definierten Körper galt als "Modellathlet". Und gelegentlich auch als Diva. Nach seiner aktiven Karriere arbeitete er als Personal Trainer und als Athletikcoach beim Fußball-Bundesligisten RB Leipzig.
An diesem Donnerstag, den 16. Februar 2023, ist der Vater dreier Kinder im Alter von 50 Jahren an den Folgen seiner Krebserkrankung gestorben. Das bestätigte Lobingers Familie der Deutschen Presse-Agentur am späten Abend. Er sei "im engen Kreis friedlich eingeschlafen". In Würzburg hatte Lobinger einen seiner letzten öffentlichen Auftritte.
Schirmherr der Stiftung "Forschung hilft" der Uni Würzburg
Als Schirmherr der Stiftung "Forschung hilft" war der 50-Jährige an jenem Oktobermontag zur Verleihung der Förderpreise für regionale Projekte der Krebsforschung gekommen. Dafür sammelt die Stiftung der Uni Würzburg Spenden; diesmal waren 90.000 Euro zusammengekommen.
„Ich möchte denen Danke sagen, die täglich für uns kämpfen", sagte Lobinger, bevor er Einblicke in seine eigene Erkrankung gab, die 2017 erstmals diagnostiziert wurde. Der einstige Weltklasse-Sportler litt am Multiplen Myelom - eine Form von Blutkrebs, die das Knochenmark befällt.
"Das Entscheidende ist, zu akzeptieren, dass es so ist, wie es ist", antwortete Lobinger auf die Frage einer Journalistin, wie leicht oder schwer es ihm gefallen sei, den Krebs zu akzeptieren - und auch, dass dieser sein Sterben mit einschließe. "Man verschwendet so viel Energie damit, wenn man sich fragt: Warum ich?", fuhr er fort. "Die Frage braucht man sich nicht zu stellen. Es ist halt einfach so. Dass man das akzeptiert, ist die erste Aufgabe. Erst danach geht es darum, alles dafür zu tun, um wieder gesund zu werden und zu nutzen, was an Lebens- und Therapiechancen noch da ist."
Lobinger selbst unterzog sich Chemotherapien und einer Stammzelltransplantation. Doch der Krebs kam zurück. Seit September 2021 wurde er an der Uniklinik Würzburg behandelt. Dort kämpfte er mithilfe des Teams um Professor Herrmann Einsele, weltweiter Experte für die Immuntherapie bei Leukämie und renommierter Spezialist für das Multiple Myelom, um sein Leben. Und mithilfe dessen, was ihn der Leistungssport gelehrt hatte. "Er hat mir geholfen, so zäh zu sein, dass ich vieles aushalte, was andere nicht aushalten", sagte der als extrem ehrgeizig bekannte Lobinger an diesem Morgen. "Und auch, Etappenziele erreichen zu wollen."
Erlebte Meilensteine: Hochzeit seiner Tochter, Einschulung und erstes Profi-Tor seiner Söhne
So etwa war er bei der Hochzeit seiner Tochter Fee (27) im Juni dabei und führte sie zum Traualtar; im Oktober wurde er Opa ihres Kindes. Auch seinen 50. Geburtstag und die Einschulung seines jüngeren Sohnes Okkert (6) im September erlebte er noch. Ebenso wie das erste Tor seines älteren Sohnes Lex-Tyger (23) als Fußball-Profi, der Anfang Oktober für den 1. FC Kaiserslautern im Zweiliga-Spiel gegen den Hamburger SV traf. "Meilensteine" nannte Lobinger diese erlebten Etappenziele, für die er diszipliniert und tapfer kämpfte. Seinen größten Kampf habe er "nicht verloren, sondern auf seine Weise gewonnen", hieß es in einer Stellungnahme seiner Familie.
Etwa jeder zweite Mensch, so die aktuellen Schätzungen des Zentrums für Krebsregisterdaten, erkrankt im Laufe seines Lebens an Krebs. Trotzdem ist Krebs immer noch weitgehend ein gesellschaftliches Tabuthema. "Weil es für viele Menschen die Auseinandersetzung mit dem Tod bedeutet", erklärte Gabriele Nelkenstock, Vorsitzende des Stiftungsrates und unermüdliche Kämpferin gegen den Krebs, dazu bei der Pressekonferenz. "Alle haben, wenn sie mit Krebs konfrontiert sind, nur eine Angst: zu sterben. Teilweise selbst bei Diagnosen, die heute gut heilbar sind."
Tim Lobingers aggressive Form der Leukämie war nicht heilbar. Dem gebürtigen Rheinbacher (Nordrhein-Westfalen) hatten die Ärzte bereits im Februar gesagt, "der Tod rücke näher" und ihm geraten, er solle "Verfügungen treffen, mich mit meiner Beerdigung befassen und mich von meinen Liebsten verabschieden", wie er Anfang Oktober in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung bekanntgab. Auch sein Ziel war es, Krebs aus dem Schweigen herauszuholen und der Erkrankung eine Stimme zu geben.
Ein Vorbild nicht nur als Sportler, sondern auch als Krebskranker
Sie wurde gehört. Allein auf Instagram erreichte der Freund von Joshua Kimmich, Fußballprofi bei Bayern München, fast 25.000 Follower. Aufgrund seiner sportlichen Leistungen war Lobinger früher ein Idol für viele. Seine Popularität nutzte er, um auch in der Rolle Vorbild zu werden, die er sich nicht freiwillig ausgesucht hatte. Die ihm das Leben zugedacht hatte.
Über den ersten Teil seines Leidenswegs schrieb er ein Buch mit dem Titel "Verlieren ist keine Option". Um über Krebs aufzuklären, habe er darin "die Hose runtergelassen" und intime Einblicke gewährt, sagte Lobinger in Würzburg. "So lernt die Allgemeinheit mehr über die Erkrankung. Schließlich bin davon nicht nur ich betroffen, sondern mein ganzes Umfeld."
Tim Lobinger warnte im Umgang mit Krebspatienten vor "Ghosting"
Er appellierte, mit Betroffenen offen über ihre Erkrankung zu sprechen, so schwer das auch falle. "Das Schlimmste", betonte er, sei "Ghosting" von Menschen, die einem zuvor nahe gestanden waren. Und die sich dann aus falscher Scheu oder eigener Hilflosigkeit zurückziehen. "Das Wichtigste ist, dass man sich meldet, auch wenn man nichts sagt." Selbst eine leere Nachricht sei für Patienten besser als keine. "Derjenige, der Krebs hat, weiß dann: Der andere denkt zumindest an mich."
An Tim Lobinger wird die Sportwelt als einen Typen zurückdenken. Und als einen Kämpfer, der seiner Krebserkrankung mit der beeindruckenden Haltung begegnete: "Heiter immer weiter."
(Und an die Mainpost die Bitte, den unpassenden "Typen" im Untertitel durch den stimmigeren Begriff "Leitfigur" zu ersetzen.)
"Etwa jeder zweite Mensch, so die aktuellen Schätzungen des Zentrums für Krebsregisterdaten, erkrankt im Laufe seines Lebens an Krebs. "
Jeder 2.Mensch???
Das kann nicht stimmen!
Mit tiefem Respekt für sein tun und handeln!
R.I.P Tim Lobinger
Ruhe in Frieden!
Herzlichstes Beileid für die Familie und allen Menschen, welche um ihn trauern!
ruhe in Frieden und Deiner Familie mein tiefes Mitgefühl und gute Freunde.