Was für ein Jahr! Nun war 2020 sowieso schon ungewöhnlich genug. Obwohl die Ränge im Stadion am Dallenberg aufgrund der Corona-Pandemie seit Frühjahr meist leer blieben, war es bei den Fußballern der Würzburger Kickers 366 Tage lang turbulent und ereignisreich. Wie also zurückblicken auf das Jahr, in das die Rothosen als Tabellen-13. der Dritten Liga starteten und an dessen Ende sie Schlusslicht der Zweiten Bundesliga sind? Ein Jahr, geprägt von besonderen Umständen, von einem zu Jahresbeginn noch unvorstellbarem Aufstieg im Sommer, aber auch von zwei heiß diskutierten Trainerwechseln im Herbst und frustrierender Erfolglosigkeit in Liga zwei.
Der Berater: Felix Magath
An Felix Magath kommt man bei den Kickers nicht mehr vorbei, seit er im Januar während Trainingslager an der spanischen Costa de la Luz plötzlich zusammen mit dem Kickers-Aufsichtsratsvorsitzenden und Investor Thorsten Fischer am Tisch im Speisesaals des Teamhotels saß. Eine gute Woche später zurück in Würzburg wurde der einstige Meistercoach Magath als "Head of Global Soccer" bei Fischers Unternehmen Flyeralarm vorgestellt. Offiziell berät er die Flyeralarm-Klubs Würzburger Kickers und Admira Wacker. Magath bringe seine Erfahrung in Diskussionen ein, heißt es von den Vereinschefs Daniel Sauer (Vorstandsvorsitzender) und Sebastian Schuppan (Vorstand Sport). Wie solche Diskussionen aussehen, wer Spielerverpflichtungen anleiert, wer das letzte Wort hat - letztlich Spekulation. Auch wenn die Indizien vermuten lassen, dass die Ratschläge des Trainer-Altmeisters sehr bestimmend sind. Als Magath antrat, lautete sein Credo, man wolle sich in Zukunft keine Grenzen mehr setzen. Es folgte eine nicht für möglich gehaltene Aufholjagd, die im Zweitliga-Aufstieg mündete. Dennoch haben Magaths Ratschläge, so viel steht fest, zumindest mit Blick auf diese Runde noch nicht so richtig gezündet. Auch Admira Wacker steht in Österreich auf dem letzten Platz. Nach der zweiten Trainerentlassung in Würzburg stand fest: Seit der Verpflichtung des Ex-Coach sind die Kickers der Magath-Klub.
Der Aufstiegstrainer: Michael Schiele
Als die Kickers im Januar in Andalusien weilten und mit Magaths Stippvisite eine Zeitenwende eingeleitet wurde, teilten die Würzburger ihr schickes Mannschaftshotel mit einem Zweitligisten: dem SV Sandhausen. Purer Zufall! Dass Schiele zum Jahreswechsel beim Klub in Nordbaden Trainer sein würde, war damals nicht abzusehen. Der Kickers-Coach sprach gerade intensiv mit den Kickers-Verantwortlichen über eine Vertragsverlängerung. Doch da hatte nun plötzlich Magath ein Wörtchen mitzureden und auf einmal war von einer schnellen Unterschrift unter einem neuen Kontrakt keine Rede mehr. Schiele stand unter Beobachtung. Die Fans machten sich für Schiele stark. In dieser besonderen Drucksituation führte der Schwabe die Kickers von Erfolg zu Erfolg und schließlich zum Aufstieg. Danach gab es viele warme Worte und der Vertrag hatte sich mit dem Aufstieg da sowieso verlängert. Hinter den Kulissen brodelte es allerdings weiter. Schiele forderte neue Spieler, die kamen erst einmal nicht. Genauso wenig wie der erhoffte Dreijahres-Vertrag. Nach nur zwei Zweitliga-Spielen und fast auf den Tag genau drei Jahren als Kickers-Trainer war am 29. September dann Schluss. Warum Magath mit Blick auf Schiele immer etwas skeptisch war, erklärte er im Dezember in einem Interview mit dem "Kicker". Für die Dritte Liga sei es genau richtig gewesen, dass Schiele alles entschieden habe. "Aber diese liebe und nette Mentalität fällt uns zurzeit auf die Füße." Schiele sucht inzwischen in Sandhausen nach dem Glück. In sechs Spielen unter seiner Leitung gab es nur einen Sieg: das 3:2 in Würzburg.
Die Stimmungskanone: Fabio Kaufmann
Als die Covid-19-Pandemie im Frühjahr in Norditalien ihr teuflisches Gesicht zeigte, war der Deutsch-Italiener Fabio Kaufmann besonders betroffen. Mit tränenerstickter Stimme berichtete er vom täglichen Kampf seines Cousins, der als Pfleger in einem Krankenhaus täglich einen verzweifelten Kampf mit dem Virus kämpfte. Es waren eindringliche Worte eines jungen Mannes, der sonst für den großen Spaß auf dem Spielfeld zuständig war. Ohne Kaufmann in Top-Form wären die Kickers wohl nicht aufgestiegen. Seine Dribblings, seine Vorlagen, seine Tore bleiben in Würzburg in Erinnerung. Zum Bleiben konnten ihn die Kickers-Verantwortlichen nicht überreden. Kaufmann unterschrieb keinen neuen Vertrag. Mit ihm verloren die Kickers nicht nur einen wichtigen Spieler, sondern, so hatte es den Anschein, auch jenen Teamgeist, der die Aufstiegsmannschaft getragen hat. Beim Würzburger Mitaufsteiger Braunschweig, zu dem Kaufmann im Sommer gewechselt war, muss er sich einen Status wie bei den Kickers erst noch verdienen. Da hat er bislang drei Tore in dieser Saison erzielt. Bei den Würzburgern hat das bisher noch keiner geschafft. Mit Kaufmann, Goalgetter Luca Pfeiffer, der noch nach Saisonbeginn zum dänischen Meister FC Midtjylland wechselte, und Kapitän Sebstian Schuppan verlor der Klub drei absolute Leistungsträger.
Der Elfmeterschütze: Sebastian Schuppan
Wie soll ein Rückblick auf dieses Kickers-Jahr ohne diesen einen Schuss auskommen. Ohne Sebastian Schuppans Elfmeter in der Nachspielzeit der abgelaufenen Drittliga-Saison, dem Tor zum 2:2 gegen Halle. Dem Volltreffer, der das leere Stadion am Dallenberg mit einem Schlag mit einer Begeisterung bis zum Rand füllte, dass diese überschwappte nach draußen, in die Stadt. Der Aufstieg sorgte, trotz Geisterspielen, für eine ungeahnte Euphorie. Der Mannschaftskapitän Schuppan, der mit dem allerletzten Schuss seiner Karriere diese formidable Rückrunde gekrönt hatte, wird damit ein für alle Mal in Verbindung gebracht werden. Den Elfmeterpunkt hat seine Frau ausgegraben. Er steht, haltbar gemacht, in einem Glaskasten daheim im Schlafzimmer. Das bleibt! Inzwischen spielt der Aufstiegsheld aus dem Juli eine andere Rolle. Schuppan, der einst betonte, dass zwischen ihn und Trainer Schiele kein Blatt Papier passe, ist nun Vorstand Sport.
Der Neuzugang: Douglas
Der Brasilianer, der, nachdem er im deutschen Nachbarland seine erfolgreichste Profizeit verbrachte, auch den niederländischen Pass besitzt, steht stellvertretend für ein Groß der inzwischen bald 20 Neuzugänge im Kickers-Team. Douglas hat eine interessante Vita, spielte sogar in der Champions League. Aber er weiß auch: Würzburg ist vielleicht die letzte Chance, seine Karriere wieder in Schwung zu bringen. Drei Jahre hatte er nach einer Dopingsperre kein Profispiel bestritten. Wenn Douglas auf dem Platz steht, hat man, zumindest von außen, oft das Gefühl, er kämpfe erst einmal mehr mit sich selbst als mit dem Gegner. Und damit ist er in diesem Kickers-Team nicht alleine. Ein echtes Mannschaftsgefüge kann nur schwer entstehen, wenn viele Spieler mit sich selbst beschäftigt sind. Dass Douglas das Auswärtsspiel beim Hamburger SV wegen eines falsch positiven Corona-Tests verpasste, passt auch noch ins Bild. Vom Glück verfolgt war das Kickers-Team in dieser Vorrunde nicht.
Der Hoffnungsträger: Bernhard Trares
Er ist schon der dritte Trainer in dieser Saison. Schieles Nachfolger Marco Antwerpen blieb nur fünf Spiele und holte einen Zähler. "Er kann in Ruhe weiterarbeiten. Halt woanders", rief Magath Trares' Vorgänger zum Abschied nach. Viel mehr wird aus der kurzen Amtszeit denn auch nicht in Erinnerung bleiben. Ob Trares, wie seine Vorgänger Bernd Hollerbach und Schiele, eine Ära über drei Jahre bleibt? Die Voraussetzungen haben sich verändert. Der Trainer alleine ist nicht mehr der starke Mann am Dallenberg. Aber nicht deswegen fühlte sich Trares schon nach einigen Wochen etwas hilflos. Auf den Aufstaktsieg gegen Hannover 96 (2:1) folgten vier Niederlagen. "Wenn man unten steht, hat man das nötige Pech", bereicherte Trares nach dem 1:2 in Nürnberg die Fußball-Sprüchesammlung. Und zum Jahresausklang wechselte er dann beim 0:2 in Darmstadt tatsächlich auch noch Eric Verstappen als Feldspieler ein. Er hatte niemand anderes mehr. Zehn Akteure saßen wegen eines Corona-Falls im Betreuerteam daheim in Quarantäne. Das verrückte Ende eines nicht normalen Fußballjahres am Dallenberg.