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Eiskunstlauf
"Die Athleten werden verheizt": Würzburger Ex-Profi erklärt den Skandal um Eiskunstläuferin Walijewa bei Olympia
Der Olympia-Skandal um das russische Talent hat gezeigt, wie hoch der Druck im Eiskunstlauf ist. Isaak Droysen war selbst Profi. Er weiß um die Härte des Systems.
Nach ihrer verpatzten Kür musste sich die russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa von ihrer Trainerin fragen lassen, warum sie nicht ihr Bestes gegeben habe.
Foto: Peter Kneffel, dpa | Nach ihrer verpatzten Kür musste sich die russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa von ihrer Trainerin fragen lassen, warum sie nicht ihr Bestes gegeben habe.
Carolin Münzel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:02 Uhr

Es war der 8. Juli 2018, als der Würzburger Isaak Droysen beschloss, dass er nicht mehr länger Eiskunstlaufprofi sein möchte. Die Gründe dafür waren vielfältig. Der damals 18-Jährige, der Teil der deutschen Nationalmannschaft war, wollte studieren und einen Beruf ergreifen, sah auch die gesundheitlichen Nachteile des Leistungssports, hatte aber auch die Nase voll von einem System, in dem Sportlerinnen und Sportler schon in jungen Jahren zu Spitzenathleten gedrillt werden.

2019 erhob der junge Mann diesbezüglich Vorwürfe gegen einen Trainer, der im Februar 2021 allerdings vom Amtsgericht Sonthofen freigesprochen worden ist. Nach dem rechtlichen Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten". Droysen geht im Gespräch mit dieser Redaktion auf die Vorwürfe von damals nicht mehr ein, sagt am Telefon nur, dass er sich bis heute "für Veränderungen im Sport" einsetzen will.

Von Härte und Disziplin geprägt

Dass seine Sportart von Härte und Disziplin geprägt ist wie kaum eine andere, ist bekannt. Auch deshalb ist sie bei den am Sonntag zu Ende gegangenen Olympischen Winterspielen in Peking in den Fokus gerückt.

Begonnen hatte alles damit, dass mitten im laufenden Wettbewerb bekannt wurde, dass bereits im Dezember ein verbotenes Herzmittel im Blut der als Jahrhunderttalent gehandelten russischen Eiskunstläuferin Kamila Walijewa gefunden worden war. Dass sie erst 15 ist, verschärfte die Diskussion. Und veränderte sie. Am Ende lag weniger der Fokus auf dem Dopingvorwurf (der am Sportgericht erst noch verhandelt werden muss) als vielmehr auf den Fragen, ob Walijewa nicht eher Opfer des Dopingsystems sei und in welchem Ausmaß sie und andere von der berüchtigten Trainerin Eteri Tutberidse gedrillt werden.

"Es zählen nur Erfolge, nicht der Mensch."
Isaak Droysen, ehemaliger Eiskunstläufer

"Die Athleten werden verheizt. Es gibt Bereiche, da werden sie als nicht endende Ressource gesehen. Es zählen nur Erfolge, nicht der Mensch", sagt Droysen. Heißt, wer nicht funktioniert, dem Training nicht standhält, wird aussortiert - das nächste Talent wartet ja schon.

Es ist kein Geheimnis, dass es in Russlands Eislaufschmiede, die "Sambo 70" heißt und von Tutberidse geleitet wird, so läuft. Das ist möglich, weil es im größten Land der Welt so viele Jungen und Mädchen gibt, die ihr Heil auf dem Eis suchen, dass immer schon ein neues Talent bereitsteht, wenn ein altes aussortiert wird - sei es, weil es nicht mehr will, oder nicht mehr kann.

Isaak Droysen war Teil der Eiskunstlauf-Nationalmannschaft, heute lebt und arbeitet der gebürtige Würzburger in München.
Foto: Droysen | Isaak Droysen war Teil der Eiskunstlauf-Nationalmannschaft, heute lebt und arbeitet der gebürtige Würzburger in München.

In Deutschland ist das anders. "Wir haben im Wintersport nur wenige Top-Athleten, die sehr kostbar für uns sind", sagt Droysen, der aber auch hier schon erlebt hat, was er das "östliche Trainingssystem" nennt. Ein System, das die Athletinnen und Athleten durch das Erzeugen negativer Gefühle zu Höchstleistungen treiben will, was durchaus gelingen kann. Bei den letzten drei Olympischen Winterspielen ging die Goldmedaille im Einzellauf der Frauen an Russland. Doch der Preis ist hoch.

Savchenko wechselt den Trainer und läuft zu Gold

Dass Erfolg auch anders funktionieren kann, zeigt das Beispiel von Alijona Savchenko. Aufgewachsen in der Ukraine, kannte sie von Kindheit an nichts anderes als das harte Training, das sie auch unter ihrem deutschen Trainer Ingo Steuer zunächst fortsetzte. Er der Boss, sie die Athletin, die übt, übt und nochmal übt - bis auch der letzte Sprung, die letzte Pirouette sitzt.

Gemeinsam mit Robin Szolkowy holte sie 2014 Bronze in Sotschi. Gold wurde es erst, als sie im Anschluss nicht nur den Partner (fortan ging sie mit Bruno Massot aufs Eis), sondern auch den Trainer wechselte. In  Alexander König fand sie jemanden, so berichtet sie es in dem Dokumentarfilm "Die Kür ihres Lebens"(abrufbar in der ARD-Mediathek), der ihr half, die Freude und Leichtigkeit in ihrem Sport wiederzufinden. In Pyeongchang reichte das 2018 für den Olympiasieg.

Auch Droysen hat unter König trainiert, der für ihn der Gegenpool zum "östlichen System" ist. "Unter ihm hatte ich die größten Erfolge und das größte Wachstum. Sportlich, aber auch persönlich. Dafür bin ich ihm bis heute dankbar." Dergleichen zu erleben, wünscht er allen Sportlerinnen und Sportlern - ebenso wie einen Umbruch im System. Erfolge, sie sind nicht jeden Preis wert.

 
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Kommentare
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  • H. H.
    Hat mit Sport mMn höchstens noch den Namen gemeinsam

    denn wenn es anfängt(!) den Menschen zu schaden statt zu nützen, dann kann doch etwas nicht stimmen. Aber OK, auf dem Rücken/ auf Kosten der Gesundheit anderer Leute sein Geld zu "verdienen" ist für den homo oeconomicus ja nichts Artfremdes...
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