
Berlin, vor mehr als zehn Jahren bei einem Turnier mit einer Auswahl des Bayerischen Handball-Verbands (BHV). Eine junge Spielerin wird von einem Ellbogen so hart getroffen, dass ihr Zahn durch die Lippe sticht. Physiotherapeutin und Diplom-Osteopathin Anika Kleinlein, damals frisch für den BHV auf der Bank, ist sofort zur Stelle. "Die Blutung zu stillen und die Lippe zu klammern, war eine echte Herausforderung", erinnert sich die Iphöferin. "Es war mein erster richtiger Einsatz. Ich war nervös, aber auch stolz, dass ich so schnell reagiert habe."
Situationen wie diese hat Kleinlein inzwischen unzählige erlebt – die 39-Jährige ist als vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) lizenzierte Sportphysiotherapeutin eine feste Größe in der Handball-Welt. Neben ihrem Stammplatz bei den Männern des SV Michelfeld war sie 2023 mit der Juniorinnen-Nationalmannschaft bei der EM in Montenegro und betreute in diesem Jahr das Team bei der WM in China. Im nächsten Jahr steht ihr mit der deutschen U17-Auswahl eine Reise zum European Youth Olympic Festival (EYOF) nach Nordmazedonien bevor.
Nach dem Studium landet Kleinlein eher zufällig in Michelfeld
"Handball ist für mich mehr als nur ein Sport", sagt Kleinlein mit glänzenden Augen. "Es ist eine Leidenschaft, die mich seit meiner Kindheit begleitet." Mit acht Jahren begann sie beim TSV Iphofen als Kreisläuferin. Physiotherapie in Halle an der Saale zu studieren, dafür entschied sie sich auch aus Liebe zum Sport, beendete aber aus Zeitgründen ihre aktive Karriere. Nach erfolgreichem Abschluss kehrte sie nach Unterfranken zurück. Zufällig suchte der SV Michelfeld zu dieser Zeit gerade eine Physiotherapeutin. "Da dachte ich mir, warum nicht? Ich bin sportbegeistert und kann meine Leidenschaft einbringen", erzählt sie.

Handball ist intensiv und schnell, was Physiotherapeuten vor ganz spezielle Anforderungen stellt. Schultern, Kreuzbänder, Sprunggelenke sowie Hände und Finger werden stark beansprucht und sind oft von Verletzungen betroffen. Auf dem Spielfeld erfordert jedes Trauma eine schnelle Reaktion und präzises Handeln. Für Kleinlein sind diese Herausforderungen genau das, was den Job am Spielfeldrand so spannend macht.
Seit 2013 betreut Kleinlein auf Landesebene Mannschaften im Leistungssport. Sie stieg mit Michelfeld auf und lernte die ehemalige Handball-Nationalspielerin und heutige Trainerin Stefanie Placht kennen. Die war von Kleinleins Arbeit so begeistert, dass sie sie dem BHV empfahl. Seit 2021 ist Kleinlein auch für den DHB bei der weiblichen Juniorinnen-Nationalmannschaft dabei. Daneben bleibt sie ehrenamtlich weiterhin ihren "Michis" treu.
Im Leistungssport geht es bei großen Turnieren um jedes Detail
Unterschiede zwischen dem Amateursport im Verein und dem Spitzensport im Verband werden für Kleinlein dabei deutlich: "Im Leistungssport geht es um jedes Detail. Millimeter entscheiden. Wir müssen sicherstellen, dass jede Spielerin bestens vorbereitet und erholt auf dem Spielfeld steht." Während im Verein mehr Raum für langfristige Betreuung sei, würden beim Leistungssport die Bedürfnisse jeder Spielerin genau analysiert. "Wir berücksichtigen von der Ernährung bis zur Regeneration jedes Detail. So ein Turnier ist ein 24-Stunden-Job, der viel Organisation verlangt, aber auch unglaubliche Glücksgefühle bringt", sagt sie.

Bei den großen Turnieren stattet sie ihr Zimmer mit Luftballons und Fahnen in den Deutschland-Farben aus. "Es ist mehr als nur ein Behandlungsraum – ein Ort, an dem sich die Spielerinnen ausruhen, miteinander quatschen oder mal abschalten können", sagt sie. Besonders wichtig sei die mentale Unterstützung: "Ein aufmunterndes Wort oder jede kleine Motivation kann bei jungen Athletinnen ganz entscheidend sein."
Im Verein profitieren die Spieler langfristig von Kleinleins Arbeit
Beim SV Michelfeld schätzt sie den engen, familiären Kontakt zu den Spielern. "Im Verein begleitet man die Spieler über Jahre. Es ist schön zu sehen, wie sie sich entwickeln und langfristig von meiner Arbeit profitieren", sagt Kleinlein, die im nächsten Jahr neben ihrer Praxis in Marktbreit eine zweite in Marktsteft eröffnen wird. Ein Schwerpunkt werde auf Reha-Sport und Prävention liegen: "Ich wollte mehr bieten, gerade für Sportler, um sie nach Verletzungen nicht nur vorzubereiten, sondern bei der Genesung und beim Kraftaufbau zu begleiten."
Auch sich selbst setzt Kleinlein hohe Ziele und strebt danach, einmal mit den besten Athletinnen und Athleten der Welt arbeiten zu können. "Ich habe mich intensiv fortgebildet, alle Prüfungen abgelegt. Ich bin bereit, eine solche Herausforderung anzunehmen. Mein Traum ist es, als Physiotherapeutin bei Olympischen Spielen dabei sein zu können."