In der Küche steht ein Foto von ihm, da liegt er im Gras: langes, helles Fell, vier Pfoten, den Kopf auf dem Boden abgelegt. Familienhund Stan, ein Golden-Retriever-Rüde, benannt nach Reinhard "Stan" Libuda, Vereinsikone des FC Schalke 04, der, wie die Fan-Legende besagt, wohl mit dem Ball am Fuß auch an Gott vorbeigekommen wäre.
Stan, die Legende, ist 1996, Stan, der Rüde, vergangenes Jahr verstorben. Doch er ist Ausdruck dessen, was sich wie ein Faden durch das Leben von Reinhard Feser aus Maidbronn (Lkr. Würzburg) zieht: die Liebe zu seinem Verein. Ein königsblauer Faden.
Das Treffen mit Reinhard Feser findet eine Woche nach dem erneuten Abstieg des FC Schalke 04 bei ihm zu Hause statt. Am 27. Mai hatte Schalke bei RB Leipzig verloren. Der fünfte Bundesliga-Abstieg nach 1981, 1983, 1988 und 2021 war besiegelt.
Fotos mit Fans, Spielern und Schalker Vereinslegenden
Sein Haus im Rimparer Ortsteil Maidbronn ist blau-weiß gestrichen, das Vereinswappen prangt an der Hauswand. Auch Reinhard Fesers älterer Sohn Florian ist mit dabei, der 31-Jährige und sein Vater eingekleidet in Blau und Weiß.
Reinhard Feser trägt das Aufstiegs-T-Shirt von 2022: "Glück Auf Steiger" steht darauf. Auf dem Küchentisch ausgebreitet hat er Fotos von seinen Erlebnissen: mit Fans, mit Spielern, mit Vereinslegenden. Daneben die Biografie des früheren Schalke-Managers Rudi Assauer sowie die "Schalke-Bibel" und weitere Bücher über die Königsblauen.
Der Gastgeber bietet Kaffee an, schenkt ihn in eine Tasse vom DFB-Pokal-Sieg 2011 ein. "Das waren noch Zeiten", schwärmt er. Darin sind sich alle Anwesenden einig. Die Gegenwart der "Knappen" sieht gerade wieder etwas weniger rosig aus: Zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren geht's runter in die zweite Liga.
Für Reinhard Feser gilt: einmal Schalker, immer Schalker. Stolz zeigt er seine Fotos, die der frühere Berufskraftfahrer überall mit dabei hat. Und sagt auf einmal: "Das hier ist interessant, Ernst Kuzorra."
Für Reinhard Feser ist der FC Schalke 04 "eine Religion"
Auf dem Foto zu sehen ist der wahrscheinlich größte Schalker überhaupt, sechsmal deutscher Meister und einmal Pokalsieger in den 1930er- und 1940er-Jahren. Als die Schalker die Größten waren. Und der "Erfinder" des Schalker Kreisels, eine Spielweise, die heute wohl "One touch football" oder "Tiki-taka" heißen würde. Auf der Rückseite des Fotos hat Kuzorra eine persönliche Widmung an ihn geschrieben.
Seit er sechs Jahre alt ist, sei er Schalke-Fan, erzählt Feser. Mit elf sah er sein erstes Spiel auf Schalke. Sein Vater sei in russischer Kriegsgefangenschaft gewesen, habe dort mit seinen Kameraden immer viel über Schalke 04 geredet. Davon habe er der Familie nach seiner Rückkehr erzählt. Der Grundstein für eine besondere Leidenschaft.
Schalke ist "für mich eine Religion", bekennt Reinhard Feser. Auf einem seiner zahlreichen Fanschals steht: "Auf Kohle geboren". Den habe er "von einem Echten", einem Kumpel, bekommen. Von 1928 bis 1973 spielte Schalke in der nach dem Bergmannsgruß benannten Glückauf-Kampfbahn.
Reinhard Fesers jüngerer Sohn Ingo, der aktuell beim TSV Aubstadt spielt, hat seinen Namen von Ingo Anderbrügge, auch eine Schalke-Legende und "Eurofighter" 1997, als die Schalker den Uefa-Pokal-Wettbewerb gewannen. Der 27-Jährige war als Jugendlicher in der Knappenschmiede, dem Schalker Nachwuchsleistungszentrum, und wurde 2015 mit der U 19 deutscher Meister.
Schalke soll es in der zweiten Liga nicht so gehen wie dem HSV
Nach vielen Erinnerungen und Anekdoten ist es irgendwann doch Zeit, die Kardinalfrage zu stellen: "Wie war's am letzten Samstag?" Reinhard Feser raunt. "Es hat halt nicht gelangt. Jetzt müssen wir schauen, dass es uns nicht so geht wie dem HSV." Der hängt seit 2018 in der zweiten Liga fest. Freilich sei er in Leipzig dabei gewesen: "Ich Verrückter!" Mehr als 1000 Spiele seiner Schalker habe er schon in Stadien gesehen. "Natürlich tut das weh als Fan", ergänzt Florian.
Dennoch habe nach Spielende der Stolz auf die Mannschaft überwogen, sagt Reinhard Feser. Nach einer äußerst schwachen Vorrunde als Tabellen-Letzter habe Schalke nach der Winterpause noch mal beeindruckend gekämpft. War Rückrunden-Achter. "Kein Vergleich zum Abstieg davor", als die Mannschaft "sang- und klanglos abgestiegen" sei, findet Florian. "Jeder hat damit ein wenig gerechnet, aber die haben sich den Arsch aufgerissen. Das macht es aus." Malochen ist Teil der Schalker Identität.
Als Reinhard Feser fast mal in Gelsenkirchen hängengeblieben wäre
Vater und Sohn sind Mitglieder im Volkacher Schalke-Fanclub Mainschleife. "Bei uns waren schon sämtliche Spieler im Weinkeller, Rudi Assauer zwei- oder dreimal", zählt Florian auf. "Aber Gerald Asamoah leider noch nie. Dann wäre meine Oma ausgeflippt, die hätte ihn von oben bis unten abgeknutscht." Sein Vater fügt an: "Wenn Schalke die Bayern schlägt, macht sie einen Striptease im Bus, hat sie einmal gesagt." Schalke gewann, Oma hielt Wort.
"Einmal", sagt Reinhard Feser zum Ende des Treffens, "bin ich fast oben hängengeblieben." Oben: in Gelsenkirchen, auf Schalke. Er lernte dort eine Frau kennen, die ihn irgendwann auch gefragt habe, ob er sie heiraten würde und wann das wäre: "Ja, wenn Schalke deutscher Meister wird." Die Beziehung endete kurz danach. Auf eine Meisterschaft warten die Königsblauen seit 65 Jahren. So alt wird Reinhard Feser nächstes Jahr.