Ein bisschen verrückt kommt er ja schon daher, der Reinhard Feser. Hastig kramt er ein paar Dutzend Fotos aus der Fahrerkabine seines Transporters, und dabei berichtet er stolz von seiner großen Liebe – dem FC Schalke 04. Den 53 Jahre alten Berufskraftfahrer kennt in der hiesigen königsblauen Fan-Szene jeder. Sein Haus in Maidbronn ist in den Vereinsfarben blau-weiß gestrichen, sein Hund nach Stan Libuda benannt und sein jüngster Sohn nach Ingo Anderbrügge. Feser lebt den FC Schalke 04, und er verkörpert dabei genau jene Leidenschaft, die man sich von den sportlichen Hauptdarstellern häufiger wünschen würde.
Es wäre unredlich, dem Ehrengast Marco Höger nach nur einem Treffen beim Fanclub-Treffen der „Schalker Mainknappen Würzburg“ vergangenen Sonntag im „Labyrinth“ fehlende Vereinsidentifikation vorzuwerfen. Doch irgendwie blieb nach der Frage- und Autogrammstunde der fade Beigeschmack, dass man gerade einen Profifußballer seines angehimmelten Klubs getroffen hat, der kaum mehr tat, als seine Pflicht zu erledigen – ohne große Emotionen, ohne Überzeugung und stets darauf bedacht, in der heute glattgebügelten Welt der Sportinterviews bloß nichts Kontroverses zu sagen.
Dass Höger eine Stunde zu spät erschien, lag freilich nicht an ihm, sondern am Verkehr. Als er aber mit der 28-stündigen Busfahrt der Schalker Fans zum Euroleague-Spiel nach Valencia konfrontiert wurde, die trotz passablen Spiels für die Anhänger dennoch enttäuschend endete, weil sich nach der Partie keiner der Spieler an die Fans wandte, da hätte sich der eine oder andere Fan über eine Entschuldigung gefreut. „Unser Trainerteam hat mit uns darüber gesprochen und wir werden es in Zukunft besser machen“, lautete Högers kühle Antwort. Schade – denn eine Einsicht, was die Fans für ihren Verein für Opfer bringen, sieht anders aus.
Es war nur ein Beispiel von vielen. Ähnlich emotionslos waren Högers Antworten auf die Fragen, wie er einen Wechsel des Ur-Schalkers Manuel Neuer zum FC Bayern München und seine Treue zum FC Schalke 04 bewerten würde. Pflicht erfüllt – mehr nicht.
Etwas enttäuscht zeigten sich die Veranstalter ob der mäßigen Teilnehmerzahl. Rund 50 blau-weiße Fans hatten in die liebevoll geschmückte Würzburger Diskothek gefunden. Unter ihnen eben auch Feser, Ehrenpräsident des im Mai 2010 gegründeten Fanclubs. „Seit ich sechs Jahre alt bin, bin ich Schalke-Fan, vor allem wegen den Erzählungen meines Vaters, der in Russland in Gefangenschaft war und dort mit den anderen nur über den legendären FC Schalke gesprochen hat“, sagt der gebürtige Maidbronner schwärmerisch. „Mein erstes Spiel habe ich mit elf Jahren auf der Glück-auf-Kampfbahn gesehen. Seitdem ist Schalke für mich eine Religion, ein Mythos, der mich anzieht und nicht wieder loslässt. Es ist wie eine Ehe, die ewig hält.“
Besonders stolz ist Feser über seinen Sohn Ingo, der genau wie sein Namensgeber natürlich Linksfuß ist und der bei Greuther Fürth für die U17 in der Bundesliga Süd/Südwest spielt. Dass Ingo Feser genau einen Tag vor Ingo Anderbrügge Geburtstag hat, sei Zufall gewesen. Wie groß die Bedeutung dieses Fußballvereins für Feser senior aber ist, verdeutlicht eine seiner vielen Anekdoten: „Vor mehr als zwanzig Jahren hab ich mal in Gelsenkirchen gelebt und hatte dort auch eine Freundin. Als sie aber heiraten wollte und ich ihr sagte, das machen wir, wenn Schalke Meister wird, da antwortete sie nur, dass sie dann ja noch ewig warten müsse. Da habe ich meine Sachen gepackt und bin gegangen.“
Jetzt ist er seit vielen Jahren glücklich mit seiner Frau Martina verheiratet, nachdem sich beide zuvor natürlich „auf Schalke“ verlobt hatten. „Am Anfang war sie gar kein Schalke-Fan, aber es gab nie Probleme. Sie hat immer alles mitgemacht.“ In guten wie in schlechten Zeiten, möchte man hinzufügen. „Einer der schönsten Momente war der UEFA-Pokal-Sieg 1997 in Mailand. Der bitterste war ganz klar die verlorene Meisterschaft 2001. Ich habe noch nie so viele Menschen auf einmal weinen sehen wie damals im Parkstadion“, sagt Feser.
Es ist genau diese aufrichtige Leidenschaft, die solche Fans – auch wenn man selbst einem anderen Verein gewogen ist – sympathisch machen. Fast schon ironisch ist es, dass in Kevin Großkreutz ein Spieler des ungeliebten schwarz-gelben Nachbarn gerade dafür nicht gemocht wird, dass er seinen Verein mit jeder Faser seines Körpers lebt und die anhaltende Rivalität immer wieder anfacht. Genau das ist es doch, was die Schalker auch gerne hätten, wie Feser erläutert: „Mein Lieblingsspieler ist Julian Draxler. Warum? Weil es ein guter Junge aus unserer Jugend ist!“