
Mädchen stehen auf Fußballplätzen irgendwann allein da. So wird es zumindest kommen, wenn sich der Trend fortsetzt, den eine Studie der Universität Würzburg von November 2018 ausgemacht hat. Fast jedes zweite Team in Bayern wurde in den vergangenen zehn Jahren vom Spielbetrieb abgemeldet. Zu diesem Ergebnis kommt Heinz Reinders vom Lehrstuhl für empirische Bildungsforschung an der Universität Würzburg. Er schätzt, dass seit 2010 jährlich rund 900 Mädchen in Bayern dem Fußball den Rücken gekehrt haben - ein größtenteils bundesweite Entwicklung.
"Positive Effekte von Maßnahmen des Deutschen Fußballbunds (DFB) rund um die Frauenfußball-WM in Deutschland 2011 sind nicht nur verschwunden, sondern haben sich noch weiter ins Negative gekehrt", sagt Reinders, der auch Vorsitzender beim SC Würzburg-Heuchelhof ist, dessen Frauenmannschaft in der Regionalliga spielt. In vielen Landesverbänden werden der Studie zufolge nicht einmal mehr die Zahlen von 2007 oder 2008 erreicht. So waren in Bayern im Jahr 2007 noch 935 Mädchenteams gemeldet. Aktuell sind es nur noch 712 Teams. Dies werde sich in den kommenden Jahren auch auf den Frauenfußball auswirken und zu "einem dramatischen Einbruch bei der Zahl der Frauenteams führen", schreibt der Wissenschaftler.
Weniger Mädchenmannschaften auch im Tischtennis und Handball
Auch in anderen Sportarten sinkt die Anzahl der Mädchen, die jünger als 14 Jahre und im Verein aktiv sind - beispielsweise im Tischtennis. "Wie in den meisten anderen Sportarten auch, gehen unsere Mitgliederzahlen generell zurück", sagt Pressereferent Florian Leidheiser vom Bayerischen Tischtennisverband. Zahlen über die Entwicklung spielberechtigter Mädchen liegen ihm zufolge nicht vor. Im Jahr 2014 hatte der Verband bayernweit 258 Mädchenmannschaften, aktuell sind es nur noch 138. "Seit einigen Jahren können die Mädchen auch in Jungen-Mannschaften mitspielen, sodass man den Rückgang der Mädchen-Mannschaften wieder etwas relativieren muss", so Leidheiser.
Im Bayerischen Handballverband liegen genaue Zahlen über Mädchen nicht vor. Gerd Schäfer, der stellvertretende Bezirksvorsitzende von Unterfranken, bestätigt aber: "Grundsätzlich kann man sagen, dass auch beim Handball die Zahl der Mädchen rückläufig ist." Der Deutsche Handballverband (DHB) prüfte derzeit verschiedene Modelle, wie dem entgegengewirkt werden könne.

Mädchen sind der Studie der Uni Würzburg zufolge im bundesweiten Vergleich deutlich seltener Mitglied in einem Sportverein als Jungen. Während bei den Jungen im Alter von sieben bis 14 Jahren über 80 Prozent einem Sportverein angehören, sind es bei den Mädchen nur rund 64 Prozent. Bis zur Volljährigkeit sinkt dieser Wert nochmals dramatisch und liegt bei lediglich 46 Prozent. "Das bedeutet, dass nicht einmal jedes zweite Mädchen in Deutschland die Jugendphase mit einer Mitgliedschaft in einem Sportverein beendet", folgert Reinders.
Die Vorbilder fehlen
Der demografische Wandel kann dem Wissenschaftler zufolge nicht für die Entwicklung verantwortlich gemacht werden, da die Zahlen der Jungen stabil bleibe. Viel mehr fehle es an Werbung seitens des Verbandes. "Und Vereine habe es ein Stück weit versäumt, weibliche Vorbilder aufzubauen", meint Reinders.
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Doch wie kann der Frauenfußball für den Nachwuchs wieder attraktiver werden? "Nicht Hochglanzkampagnen, sondern finanzielle Unterstützung für die Neugewinnung von Mädchen für den Fußball" sind Reinders zufolge notwendig.
Der bayerische Tischtennisverband setzt darauf, weniger das "Gegeneinanderspielen", sondern mehr das "Miteinanderspielen" fördern. Wenn sich ein Mädchen in das Jugendtraining „verirrt“, wird es Leidheiser zufolge sehr wahrscheinlich früher oder später wieder aufhören. Gerade in jungen Jahren sei es wichtig, dass eine gewisse Zahl an Mädchen da sei, die sich gegenseitig unterstützten und Spaß am gemeinsamen Trainieren hätten.