Daniel Sauer sagt von sich selbst, dass er einer ist, der nie jammert. Der Vorstandsvorsitzende und Vereinspräsident des Fußball-Zweitligisten FC Würzburger Kickers mag nicht viel über Probleme reden, sondern lieber nach vorne schauen und Lösungen finden. "Ich bin ein von Grund auf positiver Mensch. Es bringt nichts, wenn man sich hinstellt und klagt. Man muss machen", sagt er, während er im Club 11 am Würzburger Dallenberg gekonnt einen Cappuccino in die Tasse zaubert. Als die Welt noch nichts von einer Bedrohung namens Coronavirus wusste, hat der heute 38-Jährige mal einen Barista-Kurs belegt. In den vergangenen Monaten war für derlei Hobbys kein Zeit. Im Exklusiv-Interview spricht Daniel Sauer über den Wunsch nach Zuschauern in der Flyeralarm Arena, das Unverständnis für manche politische Entscheidung und die Ziele für Liga zwei.
Herr Sauer, am Montagabend steht das erste Kräftemessen mit einem Liga-Konkurrenten an. Im DFB-Pokal-Spiel treffen sie auf Hannover 96. Was erwarten Sie von der Partie?
Wir sind Außenseiter, mit einer kleinen Chance auf die Sensation. Warum? Weil uns die leeren Ränge in der Flyeralarm Arena nicht zu einer Sensation treiben können. Und der Blick auf das Budget alles sagt. Dennoch: Den Aufstieg hat uns auch keiner zugetraut…
Seit März hält das Coronavirus die Welt und den Sport in Atem. Wie haben Sie privat und in Ihrer Funktion bei den Würzburger Kickers das vergangene halbe Jahr erlebt?
Daniel Sauer: Die letzten Monate lag der Fokus voll und ganz auf dem Beruflichen. Auszeiten waren rar. Es war und ist nach wie vor eine extrem herausfordernde wie lehrreiche Zeit. Nicht nur für uns als Verein, die Fußball-Branche, die deutsche Gesellschaft, ja für die ganze Welt. Wir sprechen hier von einer Pandemie, die eine Weltwirtschaftskrise ausgelöst hat. Wenn wir in zwanzig Jahren auf diese Zeit zurückblicken, dann sind wir wahrscheinlich eine der ganz wenigen Organisationen, die sagen kann, wir haben etwas Großartiges in der Corona-Zeit erreicht (den Aufstieg in die zweite Fußball-Bundesliga, Anm. d. Red.). Verstehen Sie mich hier nicht falsch. Es geht explizit um den Sport, nicht um Organisationen oder Einrichtungen, die Menschenleben gerettet haben. Beim Thema Covid-19 sind wir noch lange nicht über den Berg. Das Thema wird uns nicht nur diese sondern auch kommende Saison weiter beschäftigen.
Was war in den vergangenen Monaten die größte Herausforderung?
Sauer: Die Ungewissheit und die daraus resultierende Unsicherheit. Es ist schwierig, wenn sich von heute auf morgen alles ändert. Und man sehen muss, wie man die nächsten Monate bestreitet. Gespräche mit Mitarbeitern un Mitarbeiterinnen über Kurzarbeit oder Gehaltsverzicht. Sich ständig verändernde Szenarien. Aber unsere Mitarbeiter – von den Spielern, über die Geschäftsstelle bis zu den Breitensport-Trainern - haben das sehr gut aufgenommen. Wir sind ein kleiner, familiärer Verein. Deshalb ist sehr viel Leidenschaft und Herzblut da. Dieser Zusammenhalt hat uns durch diese Krise getragen.
Sind Ungewissheit und Unsicherheit auch heute noch die größten Herausforderungen?
Sauer: Ja. Wir wünschen uns endlich Entscheidungen von der Politik. Ich verstehe, dass das für die Verantwortlichen momentan schwer ist. Aber auch ein Nein ist eine Antwort – in diesem Fall eine klare Entscheidung, wie wir weiter machen müssen. Das fehlt aktuell.
Es fällt schon schwer, in manchem die Verhältnismäßigkeit zu erkennen. In Bayern sind ab 19. September etwa Zuschauer im Amateur-, nicht aber im Profisport erlaubt.
Sauer: Das muss mir einmal jemand erklären. Es ist doch sogar so, dass im Profi-Sport infrastrukturell, personell, organisatorisch und konzeptionell viel mehr Manpower drinsteckt, als im Amateurbereich. Nehmen wir nur als Beispiel meinen Heimat-Verein ASV Rimpar (Fußball-Landesligist, Anm. d. Red.), der am 19. September vor 400 Zuschauern spielen darf. Wir dürfen aber – Stand heute - keine Zuschauer im Stadion begrüßen. Ich sage es Ihnen offen und ehrlich: Ich wünsche dem ASV sogar 2000 oder 3000 Zuschauer, sie machen dort wirklich tolle Arbeit. Aber die Entscheidung aus München ist aus unserer Sicht überhaupt nicht nachvollziehbar. Deshalb sage ich es Ihnen hier vorab schon einmal: Wir prüfen, rechtlich dagegen vorzugehen! Mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgerichtshof – gegen den Freistaat Bayern.
Wünschten Sie, die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hätte sich doch auf eine einheitliche Zuschauer-Regelung festgelegt und die Entscheidung nicht lokalen Gesundheitsämtern überlassen? Immerhin führt das dazu, dass in Mainz beispielsweise 1000 Zuschauer erlaubt sind, man in Leipzig mit 8500 Besuchern plant, Ihnen aber weiter Geisterspiele drohen...
Sauer: Es steht außer Frage, dass die DFL, allen voran Christian Seifert, herausragende Arbeit in der Corona-Zeit geleistet hat. Das Konzept der Taskforce sieht sogar explizit vor, punktuell und regional auf Infektionszahlen zu reagieren, da es die unterschiedlichen Pandemie-Level abbildet. Wie gut und exzellent so etwas ablaufen kann, hat man am Freitagabend in Österreich gesehen. 10000 Zuschauer im Allianz-Stadion in Hütteldorf haben das Eröffnungsspiel SK Rapid Wien gegen den FC Flyeralarm Admira gesehen. Es lief hier alles perfekt ab.
Okay. Aber was ist mit der sportlichen und finanziellen Wettbewerbsverzerrung?
Sauer: Die ist nicht wegzudiskutieren. Die Politik ist in der Verantwortung – es muss jetzt gehandelt und nicht mehr diskutiert werden! Die Politik muss endlich anerkennen, dass das Konzept der DFL sehr detailliert ausgearbeitet ist, sich bewiesen hat und ohne Probleme in jedem Bundesland angewendet werden kann. Selbstverständlich müssen wir immer regional auf die Pandemie-Entwicklung reagieren, notfalls zu Geisterspielen zurückkehren. Aber ich denke, der 1. FC Nürnberg hätte doch auch im DFB-Pokal vor Publikum spielen können. Diese Frage müssen Sie aber Ministerpräsident Markus Söder stellen.
Also rechnen Sie zum Liga-Beginn nicht mit Zuschauern?
Sauer: Stand heute offiziell nein. Aber Sie können versichert sein, dass wir alle Mittel – auch Rechtsmittel – ausschöpfen werden. Aber immer unter dem Gesichtspunkt, dass es auch gesundheitlich vertretbar ist. Und das ist unser Konzept mit dem Expertenwissen der medizinischen Task Force von DFL und DFB.
Wie viel Geld würde den Kickers verloren gehen, sollten sie diese Saison komplett ohne Zuschauer spielen müssen? Drei bis vier Millionen?
Sauer: Also ganz so falsch liegen Sie hier nicht… In der letzten Saison haben über 95 Prozent der Dauerkartenbesitzer und Sponsoren auf Rückerstattungen verzichtet. Wohlgemerkt, 95 Prozent. Das ist eine Wahnsinnszahl. Da können wir nur nochmals und in aller Form ein ganz großes Dankeschön ausrichten! Aber das war nur der erste Schritt, um die Krise zu bewältigen. Wir brauchen diese Unterstützung auch in der aktuellen Saison, um auch in dieser und in der nächsten Spielzeit wettbewerbsfähig zu sein. Nach wie vor sind wir als bayerischer Verein durch unsere Landespolitik mehr eingeschränkt als andere.
Also ist es schon eine existenzielle Frage, ob Sie Zuschauer rein lassen dürfen oder nicht?
Sauer: Ja.
Wie viel Prozent des Gesamtetats machen die Zuschauereinnahmen bei den Kickers aus?
Sauer: In der letzten Zweitliga-Saison waren es knapp 20 Prozent. Das ist ein elementarer Bestandteil unseres Gesamtetats.
Ihr Gesamtetat liegt dem Vernehmen nach bei etwa 15 Millionen Euro?
Sauer: In der letzte Zweitliga-Spielzeit 2016/17 lag er bei etwa 16 Millionen Euro. Durch die unsicheren Zuschauereinnahmen und die gekürzten TV-Gelder sowie in dieser Zeit extrem schwer zu erzielenden Transfer-Erlöse, verändert sich der Etat aktuell nahezu wöchentlich.
Kann man sagen, dass der Aufstieg in die zweite Bundesliga Sie durch die Mehreinnahmen an TV-Geldern gerettet hat? Sie bekommen jetzt etwa sieben Millionen Euro. Im vergangenen Jahr war es rund eine Million.
Sauer: Ohne Aufstieg wäre es in dieser speziellen Situation natürlich schwieriger gewesen. Da hätten wir aber sicher auch wieder irgendwelche Mittel und Wege gefunden, das solide und seriös wirtschaftlich aufzustellen.
Mit 22,46 Millionen Euro hat Hannover über das dreifache Ihrer Fernsehgeld-Einnahmen. Wie ungerecht ist diese Verteilung?
Sauer: Sehr ungerecht und nicht nachvollziehbar, da es doch keinen sportlichen Wettkampf zulässt. Wir sind von Beginn an im Hintertreffen. Für die nächste TV-Gelder-Verteilung erwarte ich eine klare Veränderung. Das ist diskussionslos. Felix Magath hat dies nicht nur erst letzte Woche klar geäußert. Wir sprechen immer von einem fairen Wettbewerb. Aber wenn jemand knapp 23 Millionen kassiert und wir nur rund 7,5 Millionen – ja was soll ich da jetzt hier noch lange debattieren?
Nochmal zurück zu den Zuschauern. Sollte der Freistaat Bayern doch noch welche zulassen, wie sieht das Hygienekonzept der Kickers aus?
Sauer: Wir sind seit Wochen bereit, haben uns an das Konzept der medizinischen Task Force gehalten und sind in Abstimmung mit den örtlichen Behörden, denen ich an dieser Stelle ein großes Dankeschön für die sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit ausrichten möchte. Deshalb möchte ich hier auch möglichen Zuschauerzahlen nicht vorgreifen.
Egal bei welcher Zahl - Hätten Dauerkarten-Besitzer beim Erwerb der Eintrittskarten Vorrang?
Sauer: Ja, selbstverständlich. Dieses Jahr wird es zwar keine Dauerkarten im herkömmlichen Sinn geben, aber Dauerkartenbesitzer hätten für die einzelnen Spiele ein Vorkaufsrecht, weil sie es einfach verdient haben. Das sind Leute, die uns viele Jahre unterstützt haben, die auch während der Pandemie ihr Dauerkarten-Abo nicht gekündigt haben. Es wäre wünschenswert, wenn wir exakt so viele Zuschauer in die Flyeralarm-Arena zulassen könnten, wie wir Dauerkarten-Besitzer und Sponsoren-Tickets bisher verkauft haben – das sind aktuell 3000.
Es würde Tickets dann aber nur online und nur personalisiert geben?
Sauer: Dieser Punkt ist – aufgrund der Auflagen – nicht diskutabel. Es würde keine Tageskasse geben, jeder müsste beim Ticket-Kauf einen Gesundheitsbogen ausfüllen und es gäbe Personenkontrollen beim Einlass ins Stadion.
Wir haben jetzt viel über die besonderen Umstände des vergangenen halben Jahres geredet. Wie schwer war es, unter diesen Bedingungen einen Kader zu formen?
Sauer: Es ist aktuell ein extrem schwieriger Markt. Auch aufgrund der Ungewissheit. Wir wissen, dass wir noch was tun müssen - im zentralen Mittelfeld, im offensiven Bereich - und sind da mit Hochdruck dran. Wir tun uns aber schwer, weil wir ein kleiner Verein sind in der zweiten Liga. Und eben nicht, wie unser heutiger Gegner Hannover 96, knapp 23 Millionen Euro TV-Gelder in die Hand nehmen können. Wir haben in der Branche ein gutes überregionales Standing, was die Weiterentwicklung von Spielern betrifft. Aber wenn wir wie jetzt jemand Erfahrenen suchen, sind wir nach wie vor nicht die erste Adresse – was auch ganz logisch ist. Und wie die Transferperiode, für die es keine Blaupause gibt, sich aktuell weiterentwickeln wird, wissen wir alle nicht. Keiner hat hier irgendwelche Erfahrungswerte.
Ist der momentane Kader in Ihren Augen schon zweitligatauglich?
Sauer: Es wird auch in diesem Jahr auf den Zusammenhalt und auf den Team-Gedanken ankommen. Das hat uns doch erst in die zweite Bundesliga katapultiert. Wir hatten auch letztes Jahr sicherlich auch nicht die Mannschaft gehabt, die von der individuellen Qualität her unter die Top Fünf gehört hätte. Aber wir sind im Mannschaftssport und da hat die Teamqualität einen extrem hohen Einfluss. Das muss auch in dieser Saison wieder unser großes Pfund sein, dass wir alle zusammen halten. Dann können wir unser Ziel, den Klassenerhalt, erreichen. Da bin ich guter Dinge. Aber klar ist, dass wir weitere individuelle Qualität hinzuholen müssen.
Wie ist es denn mit dem Vertrag von Trainer Michael Schiele? Wie lange läuft der?
Sauer: Der Vertrag läuft noch ein Jahr.
Es ist kein Geheimnis, dass es für den ehemaligen Kapitän Sebastian Schuppan auch nach seiner aktiven Karriere bei den Kickers weitergehen soll. Können Sie schon etwas Genaueres zu seiner zukünftigen Funktion sagen?
Sauer: Er schnuppert aktuell ein bisschen in den sportlichen Bereich mit rein. Dann schauen wir mal.
Auch dank ihm sind Sie zum zweiten Mal mit den Kickers in die zweite Liga aufgestiegen. Was ist anders als beim ersten Mal, was ist gleich?
Sauer: Wir hätten den Aufstieg natürlich am liebsten wieder mit unseren Fans gefeiert. Die Euphorie, die der Verein in dieser Phase versprüht hat, hätten wir gerne noch intensiver weitergegeben. Ein Aufstieg ohne Zuschauer ist natürlich anders. Dennoch ist die Euphorie und in der Stadt zu spüren und wir haben die gleiche Vorfreude, uns mit den großartigen Klubs in der wahrscheinlich stärksten zweiten Liga in Europa zu messen.
Und was wünschen Sie sich für die Saison?
Für uns zählt einzig und alleine der Klassenerhalt. Nicht mehr und nicht weniger. Dafür müssen, wollen und werden wir einiges besser machen als vor vier Jahren, um uns mittelfristig in dieser Liga zu etablieren und den Namen der Stadt Würzburg weiter so herausragend und imagefördernd zu repräsentieren.
Ihr Kommentar ist (Ironie off) in der Tat lächerlich und unqualifiziert. Lesen Sie die Aussagen von Daniel Sauer bitte doch genau durch. Es sollen begrenzt Zuschauer dabeisein, ich gehe von 20 bis max. 30 Prozent der Kapazität aus, also etwa 3000 Fans. Und jetzt ganz wichtig, alle Hygiene- und Sicherheitsbestimmungen müssen eingehalten werden. Die Abstände sind bei diesem Volumen auf jeden Fall möglich und gegeben.
Es geht dabei auch um die Gleichbehandlung aller deutschen Profiteams wegen eines fairen Wettbewerbs. Es geht nicht, dass einige Teams Zuschauer haben dürfen und andere nicht.
Und übrigens, es bleibt zu hoffen, dass sich der Würzburger Index bis zum hoffentlich baldigen Inkrafttreten dieser Regelung wieder normalisiert.
In Gefahr bringen nicht derartig durchorganisierte Fussballspiele sondern eher unvernünftige Feiern, Trinkgelage mit Menschenansammlungen und Urlaube in Risikogebieten.
und in der Mainaustr. dürfen trotzdem 400 Zuschauer rein?