War's das mit der Krise? Ist das leidenschaftlich erkämpfte 2:1 (1:1) beim zuvor in 29 Liga-Spielen ungeschlagenen Aufsteiger Waldhof Mannheim bereits der Wendepunkt für die Drittliga-Fußballer der Würzburger Kickers? Ja, es stimmt, die Rothosen brauchten auch Fortunas Hilfe. Gleich zweimal benutzte Trainer Michael Schiele in der Pressekonferenz drunten unter der Nordtribüne des Carl-Benz-Stadions das Wort „Matchglück“. Es war freilich das Glück des Tüchtigen. Die Rothosen waren das entschlossenere, das siegeshungrigere Team an diesem Samstagnachmittag.
Und bei genauer Betrachtung war der Abseitspfiff, mit dem Schiedsrichter Arne Aarnik den Mannheimern bei ihrem vermeintlichen 2:2-Ausgleichstreffer einen Strich durch die Rechnung machte, ja längst nicht eine solch klare Fehlentscheidung, wie die Hausherren es glauben machen wollten. Kevin Koffi lag bei Dorian Dirings Schuss im Sichtfeld von Kickers-Keeper Eric Verstappen wohl knapp im Abseits. Endgültige Gewissheit gaben auch die Fernsehbilder nicht. Schiele hatte nicht Unrecht, wenn er feststellte: „Das kann man pfeifen.“
Halten wir uns also einfach einmal an die Fakten. „Es war ein Sieg – nicht mehr. Es muss so weitergehen“, sagte Trainer Schiele. Da hat er wohl recht. Ein Blick auf die Tabelle zeigt: Dieser Dreier war dringend nötig. Unterm Strich steht auf der Habenseite der Rothosen aber neben dem ersten Auswärtssieg der Saison ein nicht zu verachtendes Plus an Selbstvertrauen. Nun könnte man anführen, dass die Rothosen nach dem trotz des Ausscheidens starken Pokalauftritt gegen Hoffenheim und dem 3:2 gegen Münster schon einmal auf dem besten Weg aus dem Tal zu sein schienen. Es folgten empfindliche Rückschläge und der Sturz in die Abstiegsregion der Tabelle.
Nun aber deutet dann doch manches darauf hin, dass die Wende zum Guten nachhaltiger sein könnte. Denn Schiele hat, das war schon in der Vergangenheit mehrfach so, gezeigt, dass er bereit ist, auf Fehlentwicklungen zu reagieren, Dinge zu korrigieren, wenn sie nicht funktionieren. Nicht, dass er seine ganze Spielidee über den Haufen werfen würde, aber Schiele hat Taktik und Aufstellung den Notwendigkeiten angepasst, und er hat mit Leihspieler Simon Rhein vom 1. FC Nürnberg womöglich während der Länderspielpause auch einen Akteur hinzubekommen, der ihm neue Möglichkeiten verschafft.
„Wir haben heute auch einmal lange Bälle gespielt“, sagte Schiele zufrieden: „Das gehörte auch zum Plan.“ Es muss nicht immer die feine Klinge sein. Daniel Hägele, von Schiele nach dem Abgang von Janik Bachmann fest im defensiven Mittelfeld eingeplant, spielte wieder in der Innenverteidigung. Ein deutliches Zeichen. Die Kickers hatten ihre Transfer-Aktivitäten im Sommer aber unter anderen Gesichtspunkten getätigt. Hinter den wohl vorerst gesetzten Hägele und Sebastian Schuppan stehen mit Leroy Kwadwo, Hendrik Hansen, Lion Schweers und Johannes Kraus vier weitere Innenverteidiger im Kader, die mit den Hufen scharren. Für Schweers, laut dem Online-Portal „transfermarkt.de“ der Spieler mit dem höchsten Marktwert im Kickers-Kader (350 000 Euro), war am Samstag kein Platz bei den Rothosen. Er blieb daheim, auch wenn Schiele ihn unter der Woche noch ausdrücklich für seine Fortschritte im Training gelobt hatte.
Sicherheit zuerst, so lautet offenbar das neue Motto – auch auf den Außenbahnen. Auf dem rechten Flügel legte der starke Frank Ronstadt bei seinem ersten Startelfeinsatz deutlich mehr Wert auf die defensive Absicherung, als es zuletzt Luke Hemerich auf dieser Position tat. Dass der Ex-Bremer Ronstadt trotzdem Zeit fand, sich ab und an in den Angriff einzuschalten, war umso bemerkenswerter. „Ein erfrischender Auftritt“ sei das gewesen, so Schiele. Ronstadt dürfte im Kampf um den Stammplatz auf dieser Position erst einmal die Nase vorn haben.
- Die Noten der Roten: die Kickers in der Einzelkritik
Neu in der Startelf war am Samstag auch Mittelfeldmann Rhein. Der hatte in der letzten Bundesliga-Saison für den Nürnberger Club immerhin acht Erstliga-Spiele bestritten. Seit aber Michael Köllner als Trainer beim FCN abgelöst wurde, war der 21-Jährige außen vor gewesen. „Er braucht noch etwas Spielpraxis“, sagt Schiele über seinen neuen Schützling, der freilich mit seiner Ballsicherheit ein entscheidender Faktor im neuen Kickers-Team werden könnte.
Es waren ein paar kleine Änderungen, die sich auszahlten. Und es war eben auch die Klasse von Albion Vrenezi, die den Weg zum Sieg ebnete. Den Elfmeter, den Kapitän Sebastian Schuppan zum 1:1 verwandelte (31.) und somit den frühen 0:1-Rückstand (Gian-Luca Korte/10.) egalisierte, holte der von Zweitligist Jahn Regensburg ausgeliehene Mittelfeldmann heraus. Das 2:1 (62.) besorgte Vrenezi mit einer formidablen Einzelleistung selbst. „Er hat dem Spiel seinen Stempel aufgedrückt“, lobte Schiele den Akteur, den er schon vor Saisonbeginn als „Unterschiedsspieler“ bezeichnet hatte. „Ich wollte mich unbedingt selbst belohnen“, sagte der 25-Jährige. Der Wille machte am Samstag tatsächlich den Unterschied.
Schuppi hatte eine positive Ausstrahlung und wirklich Verantwortung erfolgreich übernommen.
Und Waldhof ist ein sehr schlechter Verlierer, ganz mies.