Da geht es ihr wie fast allen. "Meine Priorität liegt im Moment darauf, gesund zu bleiben", sagt Leonie Ebert. Die Corona-Pandemie hat der Florettfechterin vorletzte Woche einen Strich durch die Rechnung gemacht. Beim Grand Prix in Anaheim (Kalifornien) wollte die Würzburgerin eigentlich ihre zu 99 Prozent sichere Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio endgültig festmachen. Doch nach mehrtägigem Hin und Her wurde das Turnier abgesagt und das 15-köpfige Aufgebot aus Deutschland war froh, trotz des großen Andrangs wegen der US-Restriktionen noch ein gemeinsames Flugzeug von Los Angeles zurück in die Heimat bekommen zu haben.
Die frühzeitig angereisten deutschen Fechterinnen erlebten in Anaheim, wie eine Nation nach der anderen ihre Teilnahme absagte und der sportliche Stellenwert des letzten Qualifikationsturniers für Tokio immer fraglicher wurde. Gleichzeitig wurden im jetzigen Risikogebiet Kalifornien die ersten Infektionen mit dem Covid-19-Virus bekannt und aus Italien kam die Kunde vom Lockdown, der Stilllegung des öffentlichen Lebens. Diese beunruhigenden Nachrichten und die Entscheidung der Veranstalter, die Zuschauer auszusperren und Gesundheitskontrollen für alle Teilnehmerinnen durchzuführen, sorgten für "ein mulmiges Gefühl" (Ebert).
Einen Tag vor dem Turnierbeginn kam dann doch die Absage. Alle wollten nur noch so schnell wie möglich zurück, auch vor dem Hintergrund der drohenden Einschränkungen. Zwischendurch war sogar fraglich, ob es alle auf den Rückflug schaffen würden. "Ich stand als einzige auf der Warteliste. Zum Glück habe ich das nicht erfahren, weil ich geschlafen habe", sagt die 20-Jährige. In der Frühe wurde sie schließlich geweckt, mit der Maßgabe, sofort online einzuchecken. Und nachdem auch die riesige Schlange vor den Countern bewältigt war, saßen alle zusammen im Flug nach Frankfurt.
Nun sind die Fechterinnen zu Hause, haben sich in zwei Wochen freiwillige Quarantäne begeben mit der Aufforderung, sich persönlich fitzuhalten. "Es ist ein gutes Gefühl, in so einer Zeit zu Hause bei der Familie zu sein", sagt Ebert. Wie es sportlich weitergeht, ist völlig offen. Alle Turniere bis Ende April sind erst einmal abgesagt worden. Wie die Qualifikation beendet wird, ist offen. Ob wieder Training auf der Planche möglich ist, weiß keiner. Das Fechtzentrum in Tauberbischofsheim ist derzeit geschlossen. Da es Teil des Olympiastützpunktes Heidelberg ist, wäre vielleicht eine Sondergenehmigung zur Öffnung für die Kaderathleten zu erreichen. "Wir stehen mit dem Bundestrainer in Kontakt, um zu klären, wie es weitergeht", sagt die Weltranglistenelfte. "Anaheim wäre der letzte Wettkampf unserer Qualifikation gewesen. Somit ist die Situation bei uns nicht so tragisch wie bei anderen Sportarten, in denen die Qualifikation teilweise noch gar nicht angefangen hat."
Auch wenn es ihr schwerfällt: Verschiebung wäre angebracht
Auch zu den Forderungen nach einer frühzeitigen Absage der Olympischen Spiele hat Ebert eine eigene Meinung - eine klare: "Es wäre das Schlimmste, wenn die letzten vier Jahre, in denen ich mich nach oben gekämpft habe und alles für meinen Traum getan habe, umsonst gewesen wären. Ich habe alles hineingesteckt, um an den Olympischen Spielen teilnehmen zu können." Vielleicht kommt es zu einer Verlegung wie bei der Fußball-EM, die auf 2021 geschoben wurde. In den nächsten vier Wochen will das Internationale Olympische Komitee (IOC) dazu eine Entscheidung treffen. Ebert weiss, dass es im Moment auch auf andere Dinge ankommt: "Virologen sagen, dass es äußerst fraglich ist, ob es möglich ist, im Juli und August sichere Spiele im Sinne der Gesundheit aller Beteiligten abzuhalten. Es bricht mir das Herz, aber ich hoffe, dass eine Möglichkeit der Verschiebung von Olympia gefunden wird."
Lesen Sie auch: Olympia-Absage wäre für Würzburger Sportler der Horror