Darauf mussten die Kickers-Anhänger eine halbe Ewigkeit warten. Das 2:1 (0:0) gegen Türkgücü München war der erste Heimsieg in dieser Saison für die Würzburger Drittliga-Fußballer. Zum letzten Mal am Dallenberg gejubelt wurde im Februar beim 3:2 gegen den Hamburger SV, da aber ohne Zuschauer. Der letzte Sieg in der Flyeralarm Arena mit Fans auf den Rängen datiert vom 22. Februar 2020 gegen Eintracht Braunschweig (3:1). Sie können es also noch.
Es war, daran rüttelte auch Gästetrainer Peter Hyballa nicht, ein verdienter Heimsieg für die Kickers. Und ein Erfolg, der viele Geschichten hatte. Wie die von Marvin Pourié. Der Stürmer, der kurz vor Saisonstart als Torjäger verpflichtet wurde, scheint in den Spielen unter Neu-Trainer Danny Schwarz plötzlich die so lange vermisste Effektivität wiedergefunden zu haben. Nachdem er sich wochenlang vergeblich bemüht hatte, teilweise beste Chancen ausließ, scheint mit seinem ersten Ligatreffer für die Würzburger beim 1:1 in Köln am vergangenen Wochenende ein Knoten aufgegangen zu sein. Pourié legte gegen Türkgücü das 1:0 von Tobias Kraulich per Kopf auf (55.): eine einstudierte Variante nach einem Eckball von Robert Herrmann. Das 2:0 (80.) erzielte Pourié dann selbst, als er einen feinen Angriff über Dominik Meisel und Robert Herrmann mit einem starken Kopfball abschloss. Da fiel auch nicht mehr ins Gewicht, dass Pourié die erste Großchance der Partie noch vergeben hatte, als er aus kurzer Distanz an Gästekeeper René Vollath scheiterte.
Eine andere Geschichte dieser Partie war die von Fanol Perdedaj. Der Mittelfeldkämpfer, der sich selbst als Krieger bezeichnet, musste in der Schlussphase von außen zuschauen, als die Kickers nach dem Anschlusstreffer von Philip Türpitz (90.) den Heimsieg über die Zeit schaukelten. "Wir haben gut Fußball gespielt", sagte er hernach. Perdedaj ist womöglich der Spieler, an dem man seit dem Trainerwechsel, der Trennung von Torsten Ziegner und der Verpflichtung von Danny Schwarz, am deutlichsten einen Aufwärtstrend erkennt. Eine Beobachtung, der auch der 30-jährige Routinier selbst nicht widersprechen will: "Der Trainer will, dass ich beim Spielaufbau mitmache. Wenn man mir das Vertrauen gibt, wenn ich auf dem Feld Entscheidungen treffen darf, sieht man ja, dass ich Qualitäten habe. Davor war es nicht so der Fall. Jetzt spiele ich etwas erleichtert", sagte er und versteckte seine Kritik an Ex-Trainer Ziegner kaum.
Perdedaj mit Seitenhieb: "Schlagen den Ball nicht einfach dumm lang"
"Wir haben länger den Ball. Wir schlagen den Ball nicht einfach dumm lang", sagte Perdedaj über die neue Herangehensweise, und: "Wir haben Ballbesitz, lassen den Ball super laufen, haben ein gutes Positionsspiel. Das ist dann auch einfacher für uns, als wenn man vogelwild hin und her rennt." Der als Führungsspieler verpflichtete Perdedaj war unter Ziegner zwischendurch nur noch Teilzeitkraft gewesen. Doch nicht nur er, auch Innenverteidiger und Torschütze Kraulich sprach über die unter Schwarz neu entdeckte Spielfreude: "Wir haben sehr gute Fußballer, das hat man nur noch nicht sehen können. Es tut uns gut, dass wir mutiger sind. Das kommt durch Trainingsformen, in denen du Fußball spielen lernst."
Offenbar hat sich mit dem Trainerwechsel etwas getan im Kickers-Team. Die Rothosen zeigten sich deutlich mutiger als noch in den letzten Spielen. "Wir waren diesmal etwas länger am Ball, um uns noch etwas mehr Ruhe zu verschaffen. Auch, dass wir über die Außen den Ball etwas öfter vor das Tor gebracht haben, das war alles schon sehr ordentlich", kommentierte Schwarz sein gelungenes Heimdebüt, wohlwissend, dass der Erfolg auf tönernen Füßen stand: "Es hätte auch anders ausgehen können." In der ersten Spielhälfte hatten die Gäste die Kickers-Abwehr bei Standardsituationen mehrfach vor Probleme gestellt. In der Schlussphase war es dann die individuelle Klasse der Münchner, deutlich zu sehen bei einem Lattenkracher von Sercan Sararer (89.), die die Rothosen erst einmal einbremsen mussten.
Bester Trainer-Start seit Hollerbach
"Es ist noch ein weiter Weg", warnte Schwarz, dessen Einstand mit vier Punkten aus den ersten zwei Liga-Partien der beste Start eines Kickers-Trainers seit dem von Bernd Hollerbach ist: "Wir tun gut daran am Boden zu bleiben. Die Mannschaft weiß, genau wo sie herkommt. Das war ein wichtiger Dreier für die Birne - nicht mehr und nicht weniger."
Trotz des Sieges nicht die schwache erste Halbzeit der Kickers vergessen. Fast alles durch ein gut besetztes Münchner Mittelfeld, kaum Flügelspiel, nur eine wirkliche Torchance. Die zweite Halbzeit war da schon viel besser, variantenreicheres Spiel, mehr Altivitäten auf den Außenbahnen, nicht mehr soviel Rückpässe nach hinten. Insgesamt ein guter Schwarz-Anfang. Aber: Gebt dem Trainer Zeit, etwas aus dem Ex-Hühnerhaufen der Vorsaison zu entwickeln. Es werden Rückschläge kommen, ganz klar. Was die Kickers jetzt brauchen ist Ruhe, Solidität und Kontinuität - so wie unter dem geschätzten Aufstiegstrainer Michael Schiele. Dann kann am Dalle wieder etwas Gutes entstehen. Aber nur dann ! Allem Anfang wohnt ein Zauber inne.
Aber das 2:1 von heute darf man auch nicht überbewerten. Es war ein Anfang zur Besserung was es aber nun auch nachhaltig zu bestätigen gilt.